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Nachricht vom 24.10.2013    

Ein Ereignis, das die Welt auf den Kopf stellte

Wahrscheinlich hat der große Kirchenreformator Martin Luther nicht im Traum daran gedacht, welches Erdbeben er mit seinen 95 Thesen auslösen würde. Und dass fast 500 Jahre später Kinder in Gruselkostümen mit Tüten voller Süßigkeiten durch die Straßen ziehen, wäre für ihn genauso unglaublich gewesen. Der 31. Oktober: Halloween. Natürlich. Aber auch: Reformationstag. Die Geburtsstunde einer Kirche, die sich wieder auf ihre Ursprünge besinnt. Ein Ereignis mit Tragweite, das heute oft hinter Kürbissen und grünen Kobolden verschwindet.

Westerwaldkreis. Ein Rückblick ins finstere Mittelalter: Die Menschen glauben, dass sie nach ihrem Tod für alle Sünden bestraft werden und ins Fegefeuer kommen. Die Kirche macht sich die Angst zunutze und verkauft Ablassbriefe, die den Gläubigen dieses Schicksal ersparen sollen. „Wenn der Taler im Kasten klingt, die Seele in den Himmel schwingt“. Ein zynischer Werbeslogan, mit dem der Leipziger Mönch Johann Tetzel die Briefe unters Volk bringt. Ein anderer Theologe glaubt indes nicht, dass sich der Mensch sein Seelenheil erkaufen kann: Professor Martin Luther. Er ist überzeugt, dass allein der Glaube rettet. Am 31. Oktober 1517 macht Luther seinem Ärger schließlich Luft: „Er bringt seine Meinung zum Ablasshandel in 95 Thesen auf den Punkt und schickt sie an den Erzbischof von Mainz und Magdeburg“, sagt Pfarrer Christian Hählke aus Höchstenbach, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Reformator beschäftigt.
Luthers Thesen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer (auch wenn heute nicht mehr sicher ist, ob er sie tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelt): Sie werden als Flugblätter gedruckt und überzeugen die Menschen scharenweise davon, dass Gottes Liebe ein bedingungsloses Geschenk ist. Der Kirche gefällt das nicht: Sie fordert Luther auf, seine Thesen zu widerrufen. Doch der steht zu seinem Protest und erklärt selbst vor Fürsten: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“
Es sind Ereignisse, die vieles verändern: „Dank Luther werden Gottesdienste nicht mehr auf Latein gehalten: Endlich können die Leute verstehen, was auf der Kanzel gesagt wird“, erklärt Christian Hählke. „Außerdem entwickelt sich dank Luthers Bibelübersetzung eine einheitliche deutsche Sprache. Darüber hinaus verfasst er den Katechismus – eine Art Leitfaden für den christlichen Glauben, der zahllose Generationen prägt. Und natürlich ist der Reformator auch der geistige Vater des Protestantismus, der damals das Gegengewicht zu einer als Machtinstrument missbrauchten Kirche darstellt und der die Bibel wieder an die erste Stelle der Lehre setzt.“
Ein Heiliger ist Luther freilich nicht - „weder in seiner Einstellung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, noch was seine unglückliche Rolle während des Bauernkriegs angeht, den er mitzuverantworten hat“, sagt der Dekan des Evangelischen Dekanats Selters, Wolfgang Weik. „Luther war ein großer Mensch. Aber er war eben ein Mensch und somit alles andere als perfekt. Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir ihn oder seine Lehre zum Dogma erheben.“
Ebenso wenig versteht Weik die Reformation als abgeschlossenes Ereignis, sondern als dynamischen Prozess: „Die Kirche muss immer wieder reformiert werden. Auch heute noch. Ich wünsche mir beispielsweise ein größeres ökumenisches Gottesdienstverständnis, ein Stehenlassen von Menschen, die unseren Glauben nicht teilen, aber auch einen deutlicheren Fokus auf die Lehre. Denn ich kann erst in einen Dialog mit anderen treten, wenn ich weiß, wer ich bin und worauf mein Glaube fußt.“
Heute gehören rund 23 Millionen Deutsche zur Evangelischen Kirche in Deutschland; in den Westerwälder Dekanaten Selters und Bad Marienberg sind etwa 60000 Menschen evangelisch. Der Reformationstag ist in den vergangenen Jahren trotzdem aus dem Blickpunkt geraten. „Vielleicht liegt es ja daran, dass die tiefe Bindung zum Glauben verlorengegangen ist“, meint Christian Hählke und glaubt, dass sich Luthers Ideen auch heute nicht in der zweiten Reihe verstecken müssen. „Er hat sich damals auf die Grundfeste des Glaubens und auf biblische Botschaften zurückbesonnen. Wer auf Gott vertraut, braucht vor niemandem Angst zu haben. Daran hat Luther festgehalten. Und das gilt damals wie heute.“ Peter Bongard


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