Wenn Menschen wie Du und ich auf die Kanzel treten
Das Leben bewegt sich in Kreisen. Für Gabriele Helmer aus Vielbach schließt sich nun einer von ihnen. Mit 16 wollte sie Pfarrerin werden. „Aber meine andere Leidenschaft war damals die Musik. Und die war sehr eifersüchtig.“ Gabriele Helmer entschied sich gegen den Pfarrerberuf. Aber Gott, erzählt sie heute, hat sie in all den Jahren nicht losgelassen. „Irgendwann erfuhr ich, dass es diese Ausbildung gibt.“ Da wusste sie, dass sie etwas zu Ende bringen will. Heute ist sie immer noch keine Pfarrerin. Den Gottesdienst leiten darf sie trotzdem. Denn Gabriele Helmer ist Prädikantin. Und ihr Kreis schließt sich.
Westerwaldkreis. Die Vielbacherin ist eine von vier neuen Prädikantinnen und Prädikanten im Dekanat Selters. Neben ihr sind in der Evangelischen Kirche Alsbach Jan Schneider aus Wirges, Margit Chiera aus Montabaur und Arnold Vogel aus Niederelbert für ihren Dienst bevollmächtigt worden. Als Prädikanten dürfen sie künftig Gottesdienste leiten, predigen, taufen, das Abendmahl einsetzen, und mit einer Zusatzqualifikation können sie nach Rücksprache mit dem Dekan sogar beerdigen und trauen. Das alles tun sie wohlgemerkt ehrenamtlich. Anderthalb Jahre bereiten sich die Prädikanten auf diese Aufgaben vor. Sie besuchen regelmäßige Blockseminare, werden von Mentoren betreut und halten am Ende der Ausbildung einen Probegottesdienst, den sie im „Zentrum Verkündigung“ der Landeskirche einreichen müssen.
Kein leichter Weg auf die Kanzel. Aber einer, den im Dekanat Selters schon viele auf sich genommen haben: Zurzeit gibt es dort 22 Prädikanten und Lektoren (Lektoren verlesen vorgefertigte Predigten statt eigene zu verfassen). Auch Margit Chiera ist nun eine von ihnen: Sie gehört zu den vier „Neuen“ und hat sich mit der Ausbildung ebenfalls einen Wunsch erfüllt: „Ich will Gottes Wort verkünden. Und wenn ich das nun vor der Gemeinde tun darf, hat das für mich eine ganz besondere Bedeutung“, sagt sie.
Die Kirche lebt von Menschen wie Margit Chiera, Gabriele Helmer, Arnold Vogel, oder wie sie alle heißen. „Wir brauchen Männer und Frauen, die aus der Erfahrung eines Berufslebens heraus predigen. Das ist ein wichtiger Blickwinkel und ein gutes Zeichen des evangelischen Bekenntnisses“, sagt die Pröpstin der Propstei Nord-Nassau, Annegret Puttkammer, die Chiera, Helmer, Vogel und Schneider in Alsbach für ihren Dienst gesegnet hat. Dekan Wolfgang Weik pflichtet ihr bei: „Einige Prädikanten halten bis zu 70 Gottesdienste pro Jahr. Daran wird deutlich, welche Bereicherung und Unterstützung der Dienst für unser Dekanat darstellt“, sagte der Dekan und brachte die Wertschätzung auch dadurch zum Ausdruck, dass er langjährigen Prädikantinnen und Prädikanten Urkunden für ihren treuen Dienst verlieh: Karl-Heinz Thomas ist seit 43 Jahren dabei, Heinz Mathäy seit 35 Jahren, Matthias Kern seit 25 Jahren, Dietmar Kuhn sowie Christoph und Wolfram Lambrecht seit 18 Jahren, und Else Monsler, Elke Pollatz sowie Brigitte Schimmel sind seit zehn Jahren Prädikantinnen.
Ob sich für diese Männer und Frauen nun neue Wege eröffnen oder Kreise schließen: Jeder von ihnen hat eine wichtige Aufgabe – und einen starken Rückhalt. Auch wenn sie mal nicht die zündende Idee für eine Predigt haben sollten. Pröpstin Annegret Puttkammer kennt solche Tage und rät: „Beginnen Sie mit dem Lob Gottes. Dann wird ihnen alles andere zufallen. Gott segne Sie, er beschenke Sie und lasse in Ihnen die Freude für Ihr Amt wachsen.“ (bon)
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