Riesiges Kleinkunstfestival „Folk & Fools“
Das bereits legendäre Westerwälder Kleinkunstfestival Folk and Fools wird in diesem Jahr zum ersten Mal als Doppelfestival mit gleichem Programm am Freitag und Samstag organisiert. Die Veranstaltung am Freitagabend, 21. November bewies die Richtigkeit dieser Maßnahme.
Montabaur. An beiden Tagen ausverkaufte Stadthalle, das zeigt, dass das Kleinkunstfestival ganz groß und entsprechend beliebt ist. Die Organisatoren von „Mons-Tabor“ hatten drei künstlerische Zugpferde in das Programm gepackt. Den Anfang machten die drei Musiker der Gruppe „Violons Barabares, von Macher Uli Schmidt als „die Pink Floyd der Weltmusik“ geadelt. Der Mongole Dandarvaanchig Enkhjargal, der seine Pferdekopfgeige genau so meisterlich beherrscht wie den Obertongesang, der Bulgare Dimitar Gougov, der die Gadulka spielt, eine Geige mit drei Melodie- und elf Resonanzsaiten und der französische Schlagzeuger Fabien Guyot verzauberten die Zuhörer. Mit viel Spaß am Arrangieren und Ausprobieren kombinieren sie Musik ihrer Heimatkulturen mit rockigen und jazzigen Elementen. Heraus kommt eine mitreißende, emotional anrührende Komposition, die zugleich modern und klassisch anmutet.
In Soli zeigten die Musiker ihr meisterliches Können: Der Percussionist konnte Emotionen laut und leise, wild und zärtlich wiedergeben. Man hörte deutlich die Hufe der Pferdchen durch die mongolische Steppe galoppieren, dazu die anfeuernden Rufe der Reiter. Enkhjargals verblüffender und voluminöser Obertongesang transportierte Sehnsucht, Freude, Trauer, Liebe und Lust. Eigentlich brauchte der Sänger gar kein begleitendes Instrument. Seine Lieder erzählten von seinen Erinnerungen an seine Kindheit in der Mongolei. Man brauchte auch keine Worte zu verstehen, die Lieder erklärten sich mit ihrer musikalischen Kraft von selbst. Der Ursprung der Stücke war häufig in Kasachstans, Afghanistans und Bulgariens Folklore zu finden oder selbst komponiert wie „La dance a Helene“, vor zwei Jahren geschrieben von Gougov aus Freude über die Geburt seiner Tochter.
Das begeisterte Publikum erklatschte sich als Zugaben ein mongolisches Liebeslied an die Natur und, inspiriert durch die Bee Gees, „Saturday Jurte Fever“.
Für den zweiten Teil des Abends kündigte Uli Schmidt den „Aufsteiger der deutschen Kleinkunst in den letzten Jahren“, Puppenspieler und Comedian Michael Hatzius mit seiner Echse, an. Es erschien zunächst jedoch nicht die bekannte Echse, sondern ein Huhn mit schwachem Selbstbewusstsein. „Ich bin nicht die Echse. Nicht, dass einer von euch „Montabauern“ denkt, sie kommt nicht mehr. Die Echse ist cool, ich bin nicht so cool. Ich bin ein Huhn. Huhn ist okay.“
Dann kam sie auch, die coole, Zigarre rauchende Echse mit dem großen Ego, die alles durchschaut und erklären kann. Nur ein Echsenschuss konnte sie bremsen. Sie musste kurz aushängen, dann ging es weiter mit Geschichten aus dem langen Echsen-Leben, dessen Stationen unter anderen „Echsel Rose“, „Echs Gildo“ und Regierungschef von „Echs-Jugoslawien“ waren. Nur das Angebot, Papst zu werden, schlug die Echse aus: „Papst? Wieso sollte ich als mein eigener Stellvertreter antreten?“
Beim Verbreiten von Lebensweisheiten zu den deutschen Ländern lernte das Publikum, dass die Echse jeden Schwaben liebt, der zu Hause wohnt, dass in Bayern die Landschaft schön ist und die Franken angenehmere Menschen sind samt der Überlegung „Wenn Franken Menschen sind, was wären dann Unterfranken?“ Der Alleswisser erklärte von Zuschauern reingerufene Dialektwörter semantisch. So setzte sich die Definition von „Schabellsche“ als kleine zusammengerollte Kellerassel in den Köpfen fest. Dass es ein Paralleluniversum mit Enten gibt, weiß nun auch Andi aus Bad Marienberg, denn die Echse wusste im Voraus, dass der Zuschauer die Piratenente passend zu seinem Entenhoroskop wählen würde.
Nachdem das Publikum bereits viel gestaunt und gelacht hatte, kam im dritten Teil der Veranstaltung als Top Act „Maybebop“ mit Ausschnitten aus ihrem neuen Programm „Weniger sind mehr“. Die vier a capella Entertainer stellten Schmidts Ankündigung „Im deutschen a capella Gesang gibt es derzeit nichts Besseres“, klar unter Beweis. Perfekt aufeinander abgestimmter Gesang inklusive „Orchester“ und irrwitzige Texte wie „Kleiner grauer Falter“ mit zwei Liedenden, Gags mit dem „Schrittgummi“ und Rollentausch-Spiel mit den Stimmhöhen begeisterten die Zuhörer. So ließ sich Zuschauerin Ute animieren, mit der Gruppe auf der Bühne mehrstimmig den Kanon „Frère Jaques“ zu singen, obwohl sie eigentlich „gar nicht singen kann“.
Sänger Lukas Teske imitierte mit dem Mund ein Riesenschlagzeug. Opernhaft war die Erlkönig-Ballade mit verteilten Rollen und überaus kreativ der Stand up Hip Hop – Gesang mit zugerufenen Begriffen. Tanzend und singend erzählten die Künstler aus ihren Leben und schenkten Zuschauerin Andrea plus Tochter ein irrwitziges Weihnachtslied. Als Zugabe sang das Quartett noch einmal sein Motto: „Wir sind weniger, weniger sind mehr.“ Und den a capella – Klassiker „Mein kleiner grüner Kaktus“ in einer Horror-Version.
Bis kurz vor Mitternacht applaudierten die Zuschauer des Kleinkunstfestivals, dem selbst die erfahrenen Maybebop- Künstler besondere Qualität und Atmosphäre bescheinigten.
Im nächsten Jahr wird das 25. Jubiläum von Folk and Fools gefeiert werden, verkündete Organisator Uli Schmidt stolz angesichts der Erinnerung, dass das Event vor einigen Jahren fast gestorben wäre. Dann wird es als Neuerung Kombi-Karten für beide Veranstaltungen geben, denn freitags findet Herbert Knebels Affentheater statt und samstags treten „The London Quartett“, Musikclowns und eine irische Gruppe auf. Man darf sich nun ein Jahr lang auf die nächsten „Folk & Fools“ freuen. Helmi Tischler-Venter
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