Werbung

Nachricht vom 23.02.2015    

Pfarrer sprach schonungslos über Situation der Flüchtlinge

Peter Oldenbruch hielt einen beeindruckenden Vortrag in der Selterser Moschee. Ein Foto, das mehrere Menschen unterschiedlicher Nationalitäten vereint in einer himmlischen Hand zeigt: Pfarrer Peter Oldenbruch hätte wahrscheinlich kein besseres Motiv für seinen Vortrag über die Situation der Flüchtlinge wählen können.

Pfarrer Peter Oldenbruch in der Selterser Moschee. Fotos: privat.

Selters. Das Bild, das der Flüchtlingsseelsorger jedem seiner mehr als 50 Zuhörer in die Hand drückt, ist aus der Vogelperspektive aufgenommen und zeigt sozusagen Gottes Sicht der Dinge. Die irdische Situation, wie sie Oldenbruch einen Abend lang darstellt, wirkt wie ein Zerrbild der himmlischen Szene: Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, unüberwindbare Grenzzäune, undurchsichtige Hackordnungen in überfüllten Flüchtlingsheimen.
Das Bild, das Oldenbruch nach den Begrüßungsworten des Stellvertretenden Dekans Wilfried Steinke und des Vertreters der Türkisch-Islamischen Gemeinde, Veysel Oral, austeilt, ist eine fotografische Interpretation der diesjährigen Jahreslosung; des biblischen Leitverses von 2015: „Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ Der Satz aus dem Römerbrief zieht sich wie ein roter Faden durch Oldenbruchs Vortrag in der Selterser Moschee. Ein Idealbild davon, wie es sein sollte, aber nur selten der Fall ist. „Seien wir ehrlich: Wir wollen, dass sich andere in unser Schema einpassen. Tun sie das nicht, haben wir dafür kein Verständnis.“ Und da es bei der ganzen Diskussion seiner Meinung nach ohnehin um Emotionen geht, helfen auch keine moralischen Appelle. „Letztlich spielen die Gefühle eine Rolle: beim Rentner, der Angst hat, dass ihm die Ausländer das Geld wegnehmen. Bei den Pegida-Anhängern, die Angst vor der Islamisierung haben … vielleicht auch vor einer Frömmigkeit, die uns oft fehlt.“

Doch die Angst vor dem Fremden greift schon lange nicht mehr nur an den Stammtischen um sich. Sie scheint auch den Weg in die Gesetzesbücher gefunden zu haben, glaubt Oldenbruch: Er nennt Eckdaten einer Flüchtlingspolitik, die seiner Ansicht nach Probleme schafft, statt sie zu lösen. Ein Beispiel: die Drittstaatenregelung, die das Asylrecht in Deutschland quasi aushebelt. „Wer aus einem sogenannten sicheren Drittstaat kommt, hat kaum eine Chance, hierzubleiben. Menschen aus Ländern wie Serbien, dem Kosovo, Albanien oder Bosnien werden fast immer zurückgeschickt – in Länder, wo sie keine Zukunft haben.“

Noch schlimmer ist die Situation derer, die übers Mittelmeer nach Europa flüchten – besser gesagt: die es versuchen. Denn nach Ansicht Oldenbruchs ist es letztlich die EU selbst, die die Männer, Frauen und Kinder auf die See treibt. „2014 sind 130.000 Menschen übers Mittelmeer gekommen – mehr als doppelt so viele wie 2013. Die Militarisierung der EU-Außengrenzen zwingt sie dazu: Es werden unüberwindbare Grenzzäune hochgezogen, und es gibt keinen legalen Weg mehr, in die EU einzureisen.“ Schlimmer noch: Mit dem Scheitern der Aktion „Mare Nostrum“ werden in Seenot geratene Flüchtlinge künftig nicht mehr auf hoher See, sondern nur noch im küstennahen Bereich gerettet. „Deutschland war nicht bereit, sich an den Kosten für ,Mare Nostrum' zu beteiligen“, kritisiert der Inhaber der rheinland-pfälzischen Pfarrstelle für Flüchtlingsarbeit. „Wenn wir Leute im Mittelmeer absaufen lassen, verraten wir das Abendland und das Recht auf Leben.“



WW-Kurier Newsletter: So sind Sie immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.

Bei aller Kritik: Die Lösung für die Flüchtlingsproblematik kennt auch Pfarrer Oldenbruch nicht. Natürlich nicht. Er kann nur die Fakten präsentieren. Und seine Gäste ermutigen, im Kleinen zu helfen – etwa wenn es darum geht, Kontakte zwischen Betroffenen und Einheimischen zu knüpfen. „Denken Sie über Begegnungscafés oder Interkulturelle Gärten nach. Sprechen Sie mit Sportvereinen, der Feuerwehr oder Chören.“ Denn letztlich ist jede Annäherung zwischen Deutschen und „Fremden“ gut – auch wenn manche Fälle von vorne herein aussichtslos sind. „Lassen Sie uns das Maß der Hilfe nicht davon abhängig machen, ob ein Asylverfahren Erfolg hat oder nicht. Es geht darum, für diese Menschen hier und jetzt da zu sein.“

Der Hausherr des Abends, die Türkisch-Islamische Gemeinde zu Selters, greift diesen Gedanken am Ende des Vortrags in beeindruckender Weise auf: „Wenn jemand die Hand reicht und Dich um Hilfe bittet, Du ihn aber erst nach seiner Religion, seiner Herkunft oder seiner politischen Einstellung fragst, dann willst Du ihm nicht wirklich helfen“, sagt der Imam der Gemeinde, Hüseyin Oğlakci. „Das Wichtigste ist, dass man denen hilft, die Hilfe brauchen.“ (bon)

Menschen, die sich für die Arbeit mit Flüchtlingen interessieren, können sich bei der Diakoniemitarbeiterin Swetlana Glück unter Telefon 02602/10698-73, oder per E-Mail s.glueck@diakonie-westerwald.de melden.


Lokales: Selters & Umgebung

Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Selters auf Facebook werden!

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
 


Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Theaterstück „Die große Nein-Tonne“: Kinder stärken und schützen

Hachenburg. Das Theaterstück drehte sich um die Frage: "Was gehört in die große Nein-Tonne?" Zusammen mit den Darstellern ...

Massenkarambolage auf winterglatter Autobahn: Sieben Fahrzeuge betroffen

Region. Gegen 23 Uhr kam es zwischen den Anschlussstellen Ransbach-Baumbach und Dierdorf zu einem Verkehrsunfall mit sieben ...

Neuer Headcoach der Fighting Farmers Montabaur: Tino von Eckardt tritt am 1. Dezember an

Montabaur. Der A-Lizenz-Trainer Tino von Eckardt bringt eine beeindruckende Karriere von 40 Jahren als Spieler und Trainer ...

Mehrere Verkehrsunfälle in Westerburg - Drogenbeeinflussung und unangepasste Bereifung als Ursache

Region. Gegen 12.15 Uhr kam es zu einem Unfall auf der K34 zwischen Hof und Stein-Neukirch. Ein 21-jähriger Mann verlor in ...

Unfall durch Schneeglätte und Sommerreifen - E-Auto erfordert aufwendige Bergung

Wittgert/Wirscheid. Um 23.50 Uhr kam es auf der L 306 zwischen Wittgert und Wirscheid zu einem Verkehrsunfall. Der allein ...

Apfel oder Kapsel - Verbraucherzentrale klärt auf, was wirklich in Nahrungsergänzungsmitteln steckt

Region. In diesem 90-minütigen Web-Seminar gibt Katrin Deußen, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, ...

Weitere Artikel


„Ostern früher“ - Neues Kinderprogramm im Museum

Hachenburg. Antworten hierauf und auf viele weitere Fragen bietet das Mitmachprogramm „Ostern früher 2015“. Während einer ...

Stadtkernsanierungsausschusses Hachenburg tagte

Hachenburg. Der Vorsitzende gab zunächst bekannt, dass die Arbeiten zum Ausbau der Innenstadt zwischenzeitlich wieder aufgenommen ...

Großes Nachtfußballturnier mit 16 Teams in Westerburg

Westerburg/Nairobi. Das anstehende Nachtfußballturnier des Vereins Charity Event e.V. am Samstag, 28. Februar, ab 17 Uhr ...

Passionskonzert mit Frechblech

Ransbach-Baumbach. Es musizierten Rudi Weide (Trompete und Flügelhorn), Claudia Liebe (Trompete und Flügelhorn), Dorit Gille ...

Star Wars Benefizkonzert für den Bunten Kreis Mittelrhein

Wissen/Neuwied. In wenigen Wochen ist es soweit: am Sonntag, 8. März erklingen abends um 20 Uhr im Wissener Kulturwerk die ...

Neue CT-Technologie im Herz-Jesu-Krankenhaus in Dernbach

Dernbach. In der vorletzten Februarwoche wurde im Herz-Jesu-Krankenhaus in Dernbach der hochmoderne Computertomograph (CT) ...

Werbung