Flüchtlinge und Einheimische erleben inspirierenden Nachmittag
Die Luft ist erfüllt vom Duft exotischer Delikatessen, orientalischen Discorhythmen und einem kunterbunten Sprachengewirr: knapp 20 ehrenamtliche Mitarbeiter haben mit zwei Dutzend Flüchtlingen aus Selters und der Region ein Grillfest im und am evangelischen Propst-Herbert-Haus gefeiert. Dort, im Jugendraum des Dekanatssitzes, erlebten alle Teilnehmer einen inspirierenden und lebendigen Nachmittag.
Selters. Entstanden ist die Idee eines gemeinsamen Grillens im Selterser Flüchtlingshilfekreis, in dem sich Menschen aus den Kirchen, der Kommune und der islamischen Gemeinde engagieren. Seit Ende vergangenen Jahres betreut der Kreis Asylbewerber nicht nur in den Dingen des täglichen Lebens, sondern bietet auch einen ehrenamtlich geleiteten Sprachkurs an. Christel Eggert ist eine der Helferinnen und freut sich, dass sich die Arbeit inzwischen etabliert hat und allen Beteiligten viel Freude macht – obwohl das Engagement natürlich Zeit und manchmal auch Mühe kostet: „Gerade die neu zugezogenen Familien müssen recht intensiv betreut werden – mitunter sogar täglich“, sagt die Helferin, die inzwischen drei ausländische Familien betreut. „Ob’s nun die Kita, die Schule, die Tafel oder einfache Busfahrten sind: Diese Menschen brauchen jemanden, der ihnen hilft, sich bei uns zurechtzufinden. Habe sie sich aber erst einmal orientiert, entspannt sich das nach einiger Zeit.“
Entspannt ist auch die Stimmung um Jugendraum des Propst-Herbert-Hauses: Eine armenische Familie genießt einen Teller mit würzigem Tabouleh-Salat, und junge Deutsche liefern sich mit syrischen Jugendlichen ein heißes Kickermatch. Guwan ist einer von ihnen; ein 14-jähriger mit wachem Blick und freundlichem Lächeln. „Seit einem Jahr bin ich hier, gehe auf die Realschule und spiele übrigens auch in einem Fußballverein. Das mache ich besonders gerne“, sagt er in fast fehlerfreiem Deutsch, das er in knapp elf Monaten gelernt hat.
Überhaupt: die Sprache. Die ist nicht nur für die Flüchtlinge der Schlüssel zum gegenseitigen Kennenlernen: „In unserem Sprachkurs führen wir inzwischen kurze Dialoge, in denen wir über die Berufe der Teilnehmer sprechen“, sagt Katja Frohnhoff, eine der Leiterinnen des ehrenamtlichen Deutschkurses. „Das ist eine schöne Art, um miteinander ins Gespräch zu kommen und um etwas über das Leben der Menschen zu erfahren.“
Ein Leben, in dem leider auch die Angst vor einer Abschiebung allgegenwärtig ist und manche der Asylbewerber resignieren lässt. „Eine Familie, die demnächst abgeschoben werden soll, kommt inzwischen nicht mehr zu unserem Kurs. Das ist die traurige Seite unserer Tätigkeit“, sagt die Sprachlehrerin und spricht damit den anderen Helfern aus der Seele. Denn so gerne sie sich für diese Menschen engagieren - manchmal fühlen sie sich ziemlich hilflos. „Erst durch das Engagement ist mir bewusst geworden, wie ungerecht unser System eigentlich ist“, erklärt Katja Frohnhoff. „Den Druck, dem die Flüchtlinge in ihrem Heimatland ausgesetzt waren, erleben sie bei uns auch – auf der psychischen Ebene; in der andauernden Angst vor der Abschiebung.“
Deshalb sind die alltägliche Hilfe oder auch mal ein gemeinsames Grillen wichtig: „Hier erleben die Menschen nicht nur eine Verschnaufpause von ihrem oft bedrückenden Alltag. Hier erleben sie auch Wertschätzung“, glaubt Katja Frohnhoff.
Auch mit seinem neuen Projekt möchte der Flüchtlingskreis den Menschen Wertschätzung entgegenbringen. „In Selters wird es ab Mitte Juli eine Kleiderkammer geben, die gleichzeitig auch eine Begegnungsstätte sein soll“, sagt Dekan Wolfgang Weik und kündigt an, dass es genauere Details zu dem Projekt in den kommenden Wochen geben wird. (bon)
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