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Nachricht vom 08.07.2015    

Hebamme „Karin Sawa“ hilft verzweifelten Flüchtlingsfrauen

Eine Hebamme, das ist laut Wikipedia „die Berufsbezeichnung für Frauen, die das Geburtsgeschehen während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett betreuen“. Karin Hornecker, wohnhaft in Rennerod-Rehe, ist seit 2003 selbstständig als freiberufliche Hebamme und Familienhebamme im Hohen Westerwald im Einsatz.

Karin am Bauch einer Schwangeren. Fotos: privat.

Driedorf/Rennerod. Für viele werdende und junge Mütter unter den Flüchtlingen, die aktuell aus vielen Ländern nach Deutschland und somit auch in unsere Region kommen, ist sie aber viel mehr. Denn es ist ihr hier wichtig wie bei allen Schwangeren und Wöchnerinnen auch diese Frauen in ganzheitlicher Weise zu sehen und sie wertzuschätzen. „Karin Sawa“ (übersetzt: „Karin ist gut“ oder „Karin ist okay“) wird sie deshalb von ihnen genannt.

„Karin Sawa“ investiert nicht nur ihre Zeit bei Hebammen-Tätigkeiten vor und nach der Geburt. Sie begleitet in Fragen der Kultur, bei Behördengängen, vermittelt gebrauchte guterhaltene Möbel und Hausrat und unterstützt in Krisensituationen. Bei alldem ist ihr klar, dass die hier Asylsuchenden vor und bei der Flucht vielfache traumatische Erfahrungen machen mussten.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann Herbert und Michael Hörder, hauptamtlicher Mitarbeiter der Allianz-Mission für Migranten und Flüchtlinge, ist sie gründendes Mitglied des AMIN-Hoher Westerwald (ein überkonfessioneller und übergemeindlicher Arbeitskreis für Migration und Integration der Deutschen Evangelischen Allianz).

Im Cafe Zeitraum der FEG - Mademühlen entstand der erste Kontakt zu den Asylbewerberinnen. Zunächst übernahm sie die Vor- und Nachsorge einer schwangeren jungen Frau aus Somalia – inklusive Arzt- und Krankenhausfahrten und Besorgen der Erstlingsausstattung.

Dass hinter jeder Schwangeren – egal ob aus Afghanistan, Somalia oder Eritrea – ein dramatisches Schicksal steckt, erfuhr sie bei näherer Bekanntschaft und Besuchen in Asylbewerberheimen. So lernte sie auch einen dreijährigen Jungen aus dem Irak kennen, der völlig traumatisiert und psychisch auffällig war, sich selbst verletzte und seine Mutter schlug. Hier setzte sich Karin Hornecker dafür ein, dass er in Behandlung kam – mit gutem Erfolg. Der Junge besucht inzwischen einen Kindergarten. „Das war zunächst undenkbar“, berichtet die Hebamme.

Sie lernte eine junge Frau aus Somalia kennen, deren Genitalien bereits im Kindesalter verstümmelt wurden und die verheiratet wurde, als ihre erste Menstruation eintrat. Ihr Kind musste sie alleine auf die Welt bringen. Der Ehemann war danach nicht gut zu ihr und schlug sie. Die junge Frau floh in ihr Elternhaus zurück, aber auch hier fand ihr Mann sie und schlug sie wiederholt. Verzweifelt trat sie die riskante Flucht an –und schweren Herzens musste sie ihren kleinen Sohn bei ihrer Mutter zurücklassen. Völlig allein unterwegs führte sie ihr Weg über Äthiopien, Kenia nach Russland. In Moskau verbrachte sie wegen fehlendem Visum ein Jahr im Gefängnis. Auf abenteuerlichen Wegen kam sie nach Deutschland. Inzwischen hat sie einen festen Freund und ein Baby. Mitarbeiter des AMIN besorgten ihr eine Wohnung. Ihr großer Wunsch ist es jetzt, dass der kleine Sohn, den sie sehr vermisst, auf sichere und legale Weise nachkommen kann. Das ist auch für die Hebamme kein einfaches Unterfangen, da es mit Kämpfen mit der deutschen Bürokratie und der Gesetzeslage bei unzähligen Besuchen bei Ausländerbehörden und Anwälten verbunden ist.



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Und da gibt es auch jene Frau aus Eritrea, die fünf Jahre lang unterwegs war, bis sie in Deutschland ankam. Sie gebar ein Kind - alleine in der Wüste - und musste es auch eben dort und ebenso alleine beerdigen. Sie floh aus ihrer Heimat, weil sie trotz Gehbehinderung, die nach einer Polio-Erkrankung im Kindesalter zurückblieb, ins Militär einrücken musste und damit als Christin nicht zurechtkam. Über das Mittelmeer, Italien, Norwegen und wieder Italien führte ihr Weg in den Lahn-Dill-Kreis. „Karin Sawa“ hilft ihr eine Wohnung zu finden und ebenso bei der Klage gegen den Bescheid, dass sie ins Erstaufnahmeland abgeschoben werden soll.

Aber es gibt weitere Aufgabenfelder für die Ehrenamtler und die Hebamme. Um sich einzuleben und die Zeit bis zur Anerkennung zu nutzen haben sie einen Sprachkurs in zwei Gruppen eingerichtet. Damit bekommen die Migranten erste Sprachkenntnisse, die ihnen helfen sich zurecht zu finden. Oft brauchen sie aber auch Hilfe, Amts-und Geschäftsbriefe zu verstehen und unter Umständen, wie z.B. das Verfahren wegen eines eingegangenen überteuerten Handyvertrag zu bewältigen.

Immer wieder ergeben sich Fragen hinsichtlich der Ausstattung und dem Zustand der Zimmer im Asylbewerberheime oder Wohnungen. Die Defizite, die nicht hinnehmbar sind, konnte sie dann in Zusammenarbeit mit den AMIN-Mitarbeitern, den Sozialarbeitern und den zuständigen Hausbetreibern abbauen und das Leben erträglicher machen für die Flüchtlinge. So konnte die Hebamme durchsetzen, dass einer sechsköpfigen Familie in ihrer separaten Wohnung einer größeren Asylbewerberunterkunft nun doch eine eigene Küche installiert wurde. Das war zuvor vertraglich anders geregelt. Die mehrfache Mutter musste hochschwanger um das Gebäude herum gehen, um für ihre Familie zu kochen. Und das bei Wind und Wetter.“ Die Hebamme organisierte zusammen mit dem Team des AMIN eine gelungene Weihnachtsfeier am Heiligabend vergangenen Jahres. Es waren 60 Asylbewerber aus vielen Nationen anwesend und sie haben das international ausgelegte Buffet sehr bereichert. „Wir konnten den Menschen mittels eines Filmes, mit Handpuppen und im Einzelgespräch erklären, warum wir Weihnachten feiern“, sagt die Hebamme. Für jedes Kind habe es außerdem ein individuelles Geschenk gegeben.

Der „AMIN-Kreis“ Hoher Westerwald hat aktuell etwa 20 aktive Mitglieder. Auch wegen der prognostizierten steigenden Flüchtlingszahlen werden vermehrt ehrenamtliche Helfer gesucht. Dabei profitieren nicht nur die Asylbewerber vom Engagement, sondern auch die Ehrenamtler selbst. Zufriedenheit und eine geänderte eigene Perspektive sind Teil des Lohns. Wer sich finanziell, handwerklich, bei Behördengängen oder persönlich für die Asylbewerber engagieren möchte, kann sich bei Karin Hornecker unter der Telefonnummer 0160-97652413 oder per Mail an karin.hornecker@gmail.com melden. (uju)


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