Kirchenglocken chancenlos gegen Helene Blums Stimme
Eine glasklare, wohl tönende Stimme und einer der weltweit besten Folkgeiger. Dazu eine Band mit vier absoluten Ausnahmemusikern! Nach einer Tournee durch Europa, Nordamerika und Japan verzauberten fünf Dänen und ein Schwede ein total begeistertes Westerwälder Publikum in der evangelischen Kirche in Selters.
Selters. Es war ein Konzert in der 20. Reihe von „Musik in alten Dorfkirchen“ das allerhöchsten Ansprüchen genügt und jedes nur denkbare Publikum verdient hatte.
Doch wie schon zuvor in Westerburg und Höhr-Grenzhausen war auch das 3. Konzert der diesjährigen Westerwälder Weltmusikreihe bei weitem nicht ausverkauft. „Wir können nicht dauerhaft Weltklasse in den Westerwald holen, wenn das Niveau finanziell nur noch für Kreisklasse reicht“, stellte Uli Schmidt (Horbach) als Vorsitzender der veranstaltenden Kleinkunstbühne Mons Tabor e.V. enttäuscht fest. Das in zwei Jahrzehnten aufgebaute hohe Niveau sei so trotz der optimalen Zusammenarbeit mit dem Kulturkreis der VG Selters (bei den Konzerten in Selters und Nordhofen) sowie Mitteln des Kultursommers Rheinland-Pfalz und der Sparkasse Westerwald-Sieg und der EVM als Sponsoren nicht zu halten. „Dies geht nur mit durchweg voll besetzten Kirchen, wie das noch bis zum letzten Jahr meist der Fall war“, meinte der „Schatzmeister“ der Bühne, Carsten Frenzel (Westerburg).
Gast in Selters war eine der mit 500 Gastspielen in den letzten fünf Jahren weltweit gefragtesten Folkbands. Sängerin Helene Blum mit ihrer charismatischen und zauberhaften Stimme sowie Teufelsgeiger und elffacher Danish-music-award-Gewinner Harald Haugaard kommen aus Dänemark. Gemeinsam dem Gitarristen Mikkel Grue, Kristine Elise Pedersen am Violoncello, Sune Rahbek am Schlagwerk sowie dem einzigen Nicht-Dänen in der Gruppe, Mattias Perez (Schweden) an der Mandoline, entführte Helene Blum mit ihrer energiegeladenen Stimme in die Welt der traditionellen, aber auch neuen skandinavischen Folkmusik.
Helene Blum und Harald Haugaard verstehen Folkmusik als lebende Musik und verbreiten so eine ganze Portion Lebensfreude, die auch in Selters überaus ansteckend war. „Die Musik ist eine Kraft und davon brauchen wir heute mehr denn je“, sinnierte Harald Haugaard über seine Kunst des Musizierens. Entsprechend leben und gestalten die Künstler ihre Auftritte und lassen das Publikum daran teilhaben. „Lys od forfald“, zu Deutsch „Licht und Zerfall“ nennt sich ihr Programm, das Geschichten über Orte, Menschen und musikalische Begebenheiten erzählt. Es sind einfach Geschichten, die häufig das Leben selbst schrieb.
Beim Zusammenspiel wird deutlich, wie sehr die Solisten gemeinsam mit der Band eine enge musikalische und menschliche Beziehung aufgebaut haben. Wenn Helene Blum singt, laufen einem wohlige Schauer über den Rücken: Ihr kristallklarer, glockenheller Sopran brachte sogar die Glocken in der Selterser Kirche zum Verstummen, die sich immer wieder in das Konzert einmischen wollten.
Seine Fans nennen ihn voller Hochachtung den „dänischen Paganini“, und ein englisches Musikmagazin zählte ihn zu den besten Folkgeigern aller Zeiten. Wenn Harald Haugaard den Bogen auf den Saiten tanzen lässt, sie sanft streichelt oder kräftig zupft, wird er völlig eins mit seinem Instrument. Leicht, locker und entspannt wirken seine Bewegungen, und mit einem Lächeln im Gesicht meistert er die schwierigsten Passagen. Sein Instrument, die Geige, beherrscht er perfekt in alle Richtungen, egal ob er wild oder fast romantisch sein Instrument bearbeitete.
Die Band spielte in selten gehörter Harmonie, obwohl durchaus auch sozialkritische Texte zu hören waren. Beispielsweise in einem Lied über den Krieg, das eigentlich als Friedenslied wirkt, weil Menschen schließlich bereit sind Brücken zu bauen. Viellicht klang das in den Ohren einiger „Wäller“ etwas zu gutgläubig, aber die Musiker fühlen sich als Botschafter eines Landes, das – so dokumentieren es Umfragen – zu den glücklichsten Ländern der Welt zählt.
Nach dem letzten Lied war der Beifall des begeisterten Publikums gewaltig und es gab kein Halten beziehungsweise Sitzen mehr. Nach stehenden Ovationen ließen sich die Musiker nicht lange um eine Zugabe bitten. Begeistert zeigt sich danach auch Stadtbürgermeister Rolf Jung: „Ich danke den Veranstaltern dafür, dass es ihnen immer wieder gelingt solche Ausnahmemusiker nach Selters und in die anderen Konzertorte zu holen“. Auch er konnte nicht verstehen, dass für solche Konzerte nicht schon im Vorverkauf alle Karte weg sind.
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