„Rheinbrücken“ – Fotoband von Tomas Riehle
Rheinland-Pfälzer lieben ihren Rhein, der Touristen in die Region lockt, sie hassen ihn, wenn sein Hochwasser in die anliegenden Orte drängt und sie fürchten ihn, wenn sie ihn überqueren müssen. Die Trennlinie wird deutlich, wenn eine der vielen Brücken wegen Bauarbeiten gesperrt ist.
Region. Wer aus den Kreisen Neuwied, Westerwald und Altenkirchen auf die andere Rheinseite will, ist auf eine Brücke angewiesen. Koblenz zum Beispiel ist eine Brückenstadt mit ständigem Staupotential. Die Auto fahrenden Deutschen gehen davon aus, dass der Rhein, der der wichtigste europäische Wasserweg ist, seinerseits kein Wege-Hindernis darstellen darf. Die Diskussion über die - vielleicht - geplante Brücke im romantischen Weltkulturerbe Mittelrheintal zeigt das. Brücken werden benötigt und benutzt, aber die Nutzer sehen ihre Schönheit üblicher Weise nicht. Die sieht man nur aus der Distanz, meist von unten.
Über zwei Kilogramm Buch mit 250 Seiten Schwarz-Weiß-Fotografien von 100 ausgewählten Brücken, die den Rhein überspannen zwischen Quelle und Mündung. Das ist ein im mehrfachen Sinn mächtiges Unterfangen, für das der Fotograf Riehle mehrere Jahre benötigte.
Herausgekommen sind eindrucksvolle Aufnahmen, die durch das Fehlen von Farben den Blick auf die technisch-ästhetische Konstruktion lenken. Alle Brücken sind in voller Länge abgebildet und Detailaufnahmen komplettieren den Eindruck. Gleich die erste Aufnahme nötigt dem Betrachter ein Lächeln ab: Das Brett über ein Rinnsal unweit der Quelle erfordert noch keine Statik oder Ingenieurskunst. Sehr schnell wird das Bachbrett breiter und die Brückenkonstruktion anspruchsvoller. Die Rheinbrücke bei Disentis besticht bereits durch einen anmutigen Träger-Bogen über die Schlucht. Sehr unterschiedlich sind die Bauwerke gestaltet, je nach Entstehungszeit und Funktion. Es gibt Fußgänger-, Eisenbahn- und Autoverkehrsbrücken aus Holz, Stahl und Beton.
Es ist spannend zu sehen, wie der Rhein sein Aussehen verändert und mit ihm die überspannenden Brücken. Die Konstrukteure übertrafen sich bisweilen in ihren Ansprüchen an Funktion und Ästhetik, das nötigt Respekt ab vor der Architekturkunst von der Römerzeit bis heute. Ab dem Mittelrhein bildet der breite und vielbefahrene Strom eine Herausforderung, die mit viel Stahl und oft mit Schrägseilen technisch bewältigt wird.
Gottfried Knapp beleibt in seinem einleitenden Essay angenehm zurückhaltend. Er bewahrt den großen Überblick, quasi aus der Vogelschau fasst er das mächtige Thema zusammen. Er weist auf seiner kurzen Reise durch Europa und seine Geschichte auf die vielen Rhein-Aspekte hin: umkämpfter Grenzfluss, überregionaler Verkehrsweg, Reichtum an Kultur- und Mythengeschichten – Nibelungenlied, Loreleysage, Lieder und Gedichte aus allen Epochen. Die strategische Bedeutung von Brücken wird an Beispielen aufgezeigt, zu denen die mittlerweile durch Hollywood weltweit bekannte „Brücke von Remagen“ gehört, deren schwarze Köpfe als Mahnmal stehen bleiben.
„Brücken bauen“ im realen und übertragenen Wortsinn, mussten und wollten die Deutschen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Dazu müssen sie nicht unbedingt schön sein, aber immer verbindend wirken. Die Lektüre macht die sozial-kommunikative Funktion der Brücken bewusst und erzeugt Achtung vor ihrer Tragfähigkeit. Eine Ode an die Brücken ihrer Heimatstadt Köln, vor Jahren von den „Bläck Föös“ gesungen, kommt in den Sinn: „Ich bin ne kölsche Brück, … Ich haal minge Buckel hin für öch hier am Rhing.“
So reduziert wie Riehles Schwarz-Weiß-Fotos ist Knapps Begleittext. So bildet das Buch eine harmonische Einheit. Der Band ist nicht nur für Ingenieure lesens- und sehenswert, sondern für alle Fans geschichtlicher und ästhetischer Entwicklungen. Da alle Texte von Ilze Mueller ins Englische übersetzt wurden, auch als Präsent für Partner in Übersee geeignet.
Tomas Riehle: Rheinbrücken
Mit einem Essay von Gottfried Knapp
Edition Axel Menges 2015
ISBN 978-3-936681-74-1
86 Euro
Buchbesprechung von Helmi Tischler-Venter
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