Kantorei ließ Händels Werk in Selters erstrahlen
Die Sonne scheint Georg Friedrich Händels Musik zu mögen: Während des großen Konzerts in der Evangelischen Kirche Selters tauchte sie die Musiker und Vokalisten durch die Fenster in ein gleißendes Leuchten. Fast so, als wolle sie die Klänge der Montabaurer Kantorei, des Instrumentalensembles „chordae animae“ und der Solisten ins rechte Licht rücken. Oder die schillernden Barockklänge noch ein wenig mehr glitzern lassen.
Selters. Die vielen Besucher in der voll besetzten Kirche erlebten in Selters also einen wahrhaft strahlenden Nachmittag – und zwar in jeder Hinsicht.
Denn das Konzert unter der Leitung des Dekanatskantors Jens Schawaller beweist, dass auch die Musik funkeln kann – fast wie ein Diamant, in dem sich das Licht in vielen Facetten bricht. Händels eher selten aufgeführte Werke „O praise the lord with one content“ und „My song shall be alway“ sind farbenfrohe Barockperlen; entstammen also aus einer Epoche, die im Gegensatz zur späteren Romantik eher schlank und spritzig als gedeckt und voll klingt. Händels Werke, die in Selters interpretiert werden, sind mehrsätzige Anthems – Lobgesänge Gottes, die sich mit ihrer verschachtelten Stimmführung und den jubelnden Chorsätzen beherzt aus der gesamten musikalischen Gestaltungspalette bedienen. Da fließen im fünften Satz von „O praise the lord with one consent“ die Stimmen der Montabaurer Kantorei zu immer dichteren Klangkaskaden zusammen – fast so, als wollten sie sich im Gotteslob gegenseitig überbieten. Ebenfalls beeindruckend: der übersprudelnde sechste Satz von „My song shall be alway“, der in seiner Freude und dem satt gerollten „R“ fast schon etwas Übermütiges hat.
Korrespondierend zum beeindruckenden, leidenschaftlichen Gesang der Kantorei: die herrlichen Solopassagen – etwa während einer Arie, in der Merle Baders glasklarer Sopran in ruhigen, langen Tönen in aller Ruhe von Gottes Gnade singt. Unterstützt werden die Vokalisten währenddessen vom Ensemble „chordae animae“. Das sind professionelle Musiker, die auf historischen Instrumenten tief in die Händel’sche Klangwelt eintauchen.
Trotz der ungewöhnlichen Instrumentierung (wie oft sieht man heutzutage schon eine Laute in einer Kirche?) und des facettenreichen Klangs: Jens Schawaller gelang es, Händels Werke zu einem Klangkörper zu formen, der wie aus einem Guss wirkt. Nicht nur, weil Sänger und Musiker ihr Handwerk verstehen. Sondern weil sie auch – und vor allem – aufeinander hören und in Selters ein Gespür fürs musikalische Ganze bewiesen. So verschmolz facettenreiche Klangvielfalt zum homogenen Jubelgesang – wie das Licht der Sonne, in dem aus vielen Farben ein strahlendes Weiß wird. Oder ein warmes Gold, wie am Ende des Konzerts. Ein passendes Dankeschön des Sterns. Denn auch der Abend hat bewiesen, dass sich musikalische Wärme und virtuose Perfektion nicht ausschließen müssen. (bon)
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