Schwarzstorch und Windkraft im Westerwald
Naturschützer kritisieren Schlussfolgerungen der Kreisverwaltung. Verallgemeinernde Aussage, dass die Schwarzstörche im Westerwald oder andernorts gut mit Windindustrieanlagen zurechtkämen, ist nach deren Ansicht nicht haltbar.
Westerwaldkreis. Über die Regionalpresse hat die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises Anfang Oktober die Öffentlichkeit wissen lassen, dass nach ihren Erkenntnissen Schwarzstörche mit Windkraft gut zurechtkommen. Sie stützt sich in dieser Einschätzung auf zwei von ihr in Auftrag gegebene Untersuchungen. Die Naturschutzverbände Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR), die Naturschutzinitiative Westerwald (NATIV), der BUND Westerwald (BUND) und die POLLICHIA ziehen die wissenschaftliche Basis sowie vor allem die vorschnellen Schlussfolgerungen in Zweifel.
Ende Mai 2013 begannen im Umfeld des Roten Kopfes bei Westerburg wegen des geplanten Baus von Windrädern Erfassungen zu Vorkommen schützenswerter Arten. Schon im August 2013 legte der Gutachter, der bis dahin weder im Westerwald noch andernorts mit der Erfassung von Schwarzstörchen befasst war, seine Ergebnisse vor. Der „Naturschutzfachliche Rahmen zum Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz“ verlangt ausdrücklich, dass nur versierte Ornithologen mit Erfahrung in der Erfassung von Großvogelarten und deren Aktionsräumen infrage kommen.
Zu beanstanden ist weiterhin der viel zu späte Beginn der Untersuchungen, der eine verlässliche Erfassung der Waldvögel fast unmöglich macht. Mit keinem Wort wurde im Gutachten erwähnt, dass 2013 in der gesamten Region witterungsbedingt bereits im Mai die Bruten der Störche gescheitert und die Vögel vielfach schon abgezogen waren.
Obwohl die naturschutzfachlichen Mängel des Gutachtens offenkundig sind, versäumte es die Kreisverwaltung, eine die wissenschaftlich abgesicherten Mindeststandards wahrende Untersuchung im nächsten Jahr zu beauftragen. Als dann beim Bau der Windräder das Brutvorkommen des Schwarzstorches entdeckt wurde, setzte die Kreisverwaltung pikanterweise exakt denselben Gutachter für Folgeuntersuchungen ein. Dieser sollte nun offenbar im Nachhinein die Unbedenklichkeit des Standortes bestätigen, befürchten die Verbände.
„Dagegen verlangt der ‚Naturschutzfachliche Rahmen zum Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz‘ ausdrücklich, dass nur fachlich und langjährig versierte Ornithologen mit Erfahrung in der Erfassung von Großvogelarten und deren Aktionsräumen infrage kommen. Auch auf mehrmalige Anforderung hat die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises den Naturschutzverbänden die in der Presse vorgestellte ‚Untersuchung‘ nicht zukommen lassen, was wir deutlich kritisieren. Oder hat sie etwas zu verbergen?“, fragt Antonius Kunz, stellvertretender Leiter des Arbeitskreises Westerwald der GNOR.
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Fünf Suchgänge zur Schlagopfersuche stellen weder eine regelmäßige Suche dar, noch erfüllen sie die Bedingungen eines Monitorings. Nach Ansicht der Verbände lässt sich aus der Registrierung von einigen wenigen Flugbewegungen an zwei Standorten keinerlei Aussage zum generellen Verhalten der Art überhaupt ableiten.
Prof. Dr. Klaus Fischer, Leiter des Arbeitskreises Westerwald der GNOR dazu: „Mit großer Verwunderung haben wir die weitreichenden Schlussfolgerungen in dem vorliegenden Presseartikel zur Kenntnis genommen. Die Aussage, dass Schwarzstörche durch Windenergieanlagen nicht gravierend beeinträchtigt werden, ist wissenschaftlich völlig unhaltbar und scheint eher dem Wunschdenken der Verantwortlichen zu entsprechen.“
Beim Schwarzstorch handelt es sich um eine sehr störungssensible Art, die sich laut dem „Naturschutzfachlichen Rahmen“ des Umweltministeriums Rheinland-Pfalz außerdem in einem ‚ungünstigen und unzureichenden‘ Erhaltungszustand befindet. Seit 2006 weisen bundesweit mehrere Fälle des Verhungerns aller Nestlinge auf die Verluste von Altvögeln während der Aufzuchtzeit durch die Errichtung von Windkraftanlagen hin. Im Vogelsberg/Hessen ist der Brutbestand an Schwarzstörchen nach der Errichtung von Windkraftanlagen um über 50% zurückgegangen.
Harry Neumann, Vorsitzender der Naturschutzinitiative und des BUND Westerwald, betont: „Die bisher recht geringe Zahl an Kollisionsopfern beim Schwarzstorch ist vor allem auf die Wahrung der geltenden Abstandskriterien zurückzuführen. An der einschlägigen Fachkonvention des „Helgoländer Papieres“ der Staatlichen Vogelschutzwarten Deutschlands sowie am ‚Naturschutzfachlichen Rahmen‘ darf kein Weg vorbeiführen.“
Auch für Dr. Jürgen Ott, Präsident der POLLICHIA, steht deshalb fest: „Diese ‚Gutachten‘ sind für eine objektive Risikoeinschätzung völlig unbrauchbar und werden von uns auch nicht anerkannt, da weder Untersuchungsintensität noch die Methodik geeignet sind, ein nachvollziehbares Ergebnis zu liefern. Schon gar nicht können sie für eine verallgemeinernde Aussage, dass die Schwarzstörche im Westerwald oder andernorts gut mit Windindustrieanlagen zurechtkämen, benutzt werden“.
Die Verbände fordern die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises auf, auch in Zukunft einen Mindestabstand für Windanlagen von 3000 Metern zu Brutstätten des Schwarzstorches strikt durchzusetzen sowie bei Gutachten die Berücksichtigung der fachwissenschaftlichen Empfehlungen und Fachkonventionen einzufordern.
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