Arbeitsagentur: Einsetzen für Inklusion
Mit der bundesweiten „Aktionswoche für Menschen mit Behinderung“ betont auch die Neuwieder Arbeitsagentur ihren Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt. Arbeitgeber bekommen in beiden Landeskreisen umfassende Beratung und Hilfe wenn sie schwerbehinderte Menschen einstellen. Ein Neuwieder Unternehmen wurde jetzt ausgezeichnet.
Neuwied. Die Bundesagentur für Arbeit rief in dieser Woche erneut zu einer Aktionswoche auf, die Menschen mit Handicap in den Mittelpunkt stellt. Mitarbeiter und Führungskräfte warben für mehr Inklusion im Arbeitsleben, Vermittler sprachen gezielt mit Arbeitgebern.
„Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Demografie bedingten drohenden Fachkräftemangels, wird es für die Arbeitgeber höchste Zeit, sich auch dem enormen Potenzial dieser Personengruppe zu widmen“, erklärt Jens Neuroth, Teamleiter Rehabilitation/SB der Neuwieder Arbeitsagentur. „Nach wie vor haben noch immer viele Unternehmen Vorurteile und Befürchtungen gegenüber der Einstellung schwerbehinderter Menschen“, so Neuroth. Tatsächlich sind viele Schwerbehinderte hoch motivierte Fachkräfte, deren Handicaps im Berufsalltag kaum ins Gewicht fallen, wenn Kollegen und Betriebsleitung bereit sind, ein wenig Rücksicht zu nehmen.
Gesetzlich sind alle Betriebe, die im Jahresdurchschnitt mehr als 20 Arbeitsplätze haben, verpflichtet, fünf Prozent dieser Stellen mit schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu besetzen. Wer dem nicht nachkommt, muss die so genannte Ausgleichsabgabe zahlen, die für jeden unbesetzten Pflichtplatz bis zu 260 Euro pro Monat kosten kann. Viele Arbeitgeber sind eher bereit diese Ausgleichsabgabe zu zahlen, als einen schwerbehinderten Kollegen einzustellen.
„Wir möchten insbesondere die Unternehmen ansprechen, die bisher noch gar keine schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftigen. Diese Firmen wollen wir unterstützen und sie in allen Fragen rund um diese Thematik beraten“, erklärt Teamleiter Neuroth. In der Neuwieder Arbeitsagentur stehen eigens hierfür sogenannte Reha-Spezialisten den Arbeitgebern zur Seite. Die Reha-Spezialisten sind eine kompetente „Schnittstelle“ zwischen den Reha-Betreuern, also den direkten Ansprechpartnern der schwerbehinderten Kunden, und dem Arbeitgeberservice (AGS). Sie arbeiten eng mit den technischen Beratern zusammen, die das Unternehmen im Hinblick auf technische Fragen rund um die Arbeitsplatzgestaltung speziell für Mitarbeiter mit Handicap beraten.
Dass die gute Vernetzung aller beteiligten Protagonisten zum Erfolg führen kann, zeigt das Beispiel von Mustafa Al-Badry: 2007 kam der junge Iraker nach Neuwied. Er sitzt seit einem Anschlag im Irak im Rollstuhl und ist querschnittsgelähmt.
Es war im März 2005 im Irak, als der damals 17-jährige mit seinem Vater und seinen drei Brüdern im Auto nach Hause fuhr. Unbekannte stoppten den Wagen und beschossen das Fahrzeug. Sein Vater starb vor seinen Augen und er sowie seine Brüder wurden schwer verletzt. Eine Kugel durchtrennte seine Wirbelsäule. Seitdem sitzt der junge Mann im Rollstuhl. Doch er hat nie den Mut verloren. Nach vielen Monaten im Krankenhaus und zwei weiteren Jahren in einer Rehaklinik hatte er es soweit geschafft, dass er wieder auch an seine berufliche Zukunft denken konnte. Mustafa hat sich zurück ins Leben gekämpft. Er hat eine Ausbildung zum Bürokaufmann im Berufsbildungswerk der Heinrich-Haus gGmbH absolviert und mit der Note „gut“ erfolgreich abgeschlossen. Das tolle Engagement aller Beteiligten machte es möglich, dass nun auch endlich sein großer Wunsch, in seinem Ausbildungsberuf arbeiten zu können, in Erfüllung ging.
Die Neuwieder Firma Care Software gab ihm diese große Chance. Nach einer kurzen Probebeschäftigung bewährte sich Mustafa Al-Badry und man war bereit, alle notwendigen Maßnahmen durchzuführen, die dem jungen Bürokaufmann die Arbeit in dem Betrieb ermöglichen. Die notwendigen Umbaumaßnahmen, die den Arbeitsplatz barrierefrei gestalten mussten, konnten gefördert werden und so arbeitet Mustafa bereits seit dem 1. April fest als Bürokaufmann mit dem Schwerpunkt IT in diesem Unternehmen.
Für sein Engagement wurde der Arbeitgeber Care Software vergangene Woche ausgezeichnet. Der Landespreis für beispielhafte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wurde vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung vergeben und Care Software erhielt einen Sonderpreis. Mit dem Preis sollen jedes Jahr gute Beispiele öffentlich gemacht und andere Arbeitgeber ermutigt werden, schwerbehinderten Menschen eine Chance zu geben.
„Das Beispiel des Herrn Al-Badry zeigt was möglich ist, wenn alle Akteure gut zusammenarbeiten. Ein solcher logistischer Aufwand ist dabei nicht immer notwendig. Vielen Menschen sieht man nicht an, dass sie gravierend beeinträchtigt sind - zum Beispiel Diabetiker, Autisten oder Krebspatienten nach überstandener Therapie. Auch dies sind schwerbehinderte Menschen, die hochmotiviert auf eine Möglichkeit warten, in der Berufswelt wieder Fuß zu fassen“, erklärt Jens Neuroth.
Der Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und der Jobcenter Neuwied und Altenkirchen wirbt bei den Betrieben für die Einstellung schwerbehinderter Menschen, die auf Jobsuche sind. Er bietet individuelle Beratung sowie umfassende Information über Gesetze und Regelungen. Unternehmen können außerdem Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder Eingliederungszuschüsse bekommen. Technische Arbeitshilfen, die Behinderungen ausgleichen, können finanziert werden. Und manchmal führt der Weg in den Job auch über eine Probebeschäftigung, bei der Bewerber und Arbeitgeber sich in der Praxis kennen lernen.
Arbeitgeber, die Fragen zur Beschäftigung behinderter Menschen haben, können sich direkt mit dem Reha-Spezialisten der Agentur für Arbeit Neuwied in Verbindung setzen.
Für den Landkreis Altenkirchen: Thomas Fritsch: (02681) 9557 37
Für den Landkreis Neuwied: Kriemhild Zimmermann: (02631) 891 182
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