Experten waren auf Sozialrundreise im Westerwald
„Von der Wiege bis zur Bahre“ ist in der Region Vieles in Bewegung. In sechs ausgewählten Stationen machten die Experten Station: Integrative Kindertagesstätte, Förderschule, Jugendzentrum, Geriatrie im Krankenhaus, Senioren-Wohngemeinschaft und eine Stationäre Altenpflegeeinrichtung. Den Sozialeinrichtungen im Westerwald gehen die Fachkräfte aus.
Westerwaldkreis. Der Westerwaldkreis ist sicher nicht für seine besonders innovative kommunale Sozialpolitik bekannt. Aber hier gibt es ebenso viele engagierte Menschen und Organisationen wie leistungsfähige Wohlfahrtsverbände und Einrichtungen, die richtig gute und zukunftsorientierte Arbeit leisten. Davon überzeugte sich das Forum Soziale Gerechtigkeit bei der jährlichen „Sozialrundreise“. Unter dem Thema „Von der Wiege bis zur Bahre“ wurde einen ganzen Tag lang in sechs passend zum Motto ausgewählten Stationen Halt gemacht.
Ein „großer Bahnhof“ erwartete die auf ein Dutzend Teilnehmende begrenzte Expertengruppe zunächst bei einem Informationsfrühstück am Standort Montabaur des Katholischen Klinikums (Brüderkrankenhaus). Dort wurde vor wenigen Wochen die neue Abteilung für Akutgeriatrie (Altersheilkunde) eröffnet. Chefarzt Dr. Ralph Schulz zeigte sich erfreut über die bereits gut belegte Station und meinte: „Wir gehen mit einem Team von motivierten Spezialisten mit viel Empathie auf die Sorgen der alten Patienten ein, um eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit zu vermeiden“. Bei einem Rundgang durch die neue geriatrische Abteilung durften sich die Gäste dann von deren ansprechender Gestaltung überzeugen.
83 Kinder mit und ohne Behinderung werden in der Integrativen Kindertagesstätte St. Franziskus der Caritas in Wirges mit einem hohen Maß an Kompetenz betreut. „Im täglichen Zusammensein der Kinder mit und ohne ein Handicap gibt es keine Unterschiede und auch die Eltern akzeptieren die gelebte Integration in der Vorschulerziehung“, stellte Leiterin Andrea Trumm fest. Ein Schwerpunkt bei den Kindern mit einem erhöhten Förderbedarf seien die zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten. Landtagsabgeordnete Dr. Tanja Machalet bedauerte, dass aus Kostengründen derzeit kein Schwimmunterricht angeboten werden kann und der Kreis in begründeten Einzelfällen benötigte Integrationshelfer nicht genehmigt.
Kinder und Jugendliche mit schwerwiegenden und langfristigen Lernbeeinträchtigungen zur Berufsreife zu führen, ist eine Hauptaufgabe der Bergarten Schule mit Förderschwerpunkt Lernen in Siershahn. Schulleiter Oskar Rhensius lobte die gestiegene Bereitschaft der heimischen Betriebe, insbesondere im Handwerk, den oft praktisch sehr begabten und eifrigen Abgängern der Förderschule eine Chance zu geben. „Den Jugendlichen wird der Abschluss nicht geschenkt, die müssen richtig was dafür tun“, meinte Rhensius. Er bedauerte das Fehlen von Schulsozialarbeitern.
In Breitenau wartete das Betreiberehepaar Lucie und Oswald Rehn in der „Senioren-Wohngemeinschaft Haiderbach“ auf die Sozialreisenden. Die beiden zeigten sich überrascht von der schnellen Belegung des wohnlichen Hauses und von der Tatsache, dass regelmäßig Besuchergruppen den Weg nach Breitenau finden. Als Inhaberin des die WG betreuenden Pflegedienstes betonte Cornelia Licht: „Alle Bewohner/innen haben einen privaten Bereich für sich allein und können den für sie angemessenen Umfang der Betreuung wählen“. Alle waren sich einig: das ist ein Modell für viele Kleinregionen im Westerwald!
Einen Eindruck von der umfassenden Sanierung und Modernisierung des AWO-Seniorenzentrums Kannenbäckerland bekam die Reisegruppe dann in Höhr-Grenzhausen. „Wir passen das in die Jahre gekommene Haus neuen Standards an und schaffen einen neuen Wohnbereich für 35 Demenzkranke“, so Einrichtungsleiterin Claudia Schmidt. Überrascht waren die Gäste von den vielseitigen Aktivitäten für die Hausbewohner, die durch den Einsatz zusätzlicher Betreuungskräfte noch intensiviert wurden. Der Eindruck wurde mitgenommen, dass die stationäre Pflege in einem gemeinschaftsorientierten Altenheim durchaus eine sinnvolle Alternative zur Einsamkeit in den eigenen vier Wänden sein kann.
„Vor über 30 Jahren wurde Höhr-Grenzhausen für den eingeschlagenen Weg in der offenen Jugendarbeit von vielen belächelt, heute sind wir ein mehr als vorzeigbares Modell für viele andere Kommunen“, stellte Verbandsbürgermeister Thilo Becker als Trägervereinsvorsitzender des Jugend- und Kulturzentrums „Zweite Heimat“ bei seiner Begrüßung fest. In einer Präsentation stellte JUZ-Leiter Werner Bayer die wohl in ganz Rheinland-Pfalz fast einzigartigen Projekte und Initiativen der Jugendeinrichtung von der eigenen Tanzschule bis zum „Café Welcome“ für Flüchtlinge und der Familienakademie vor. „Die Oma von nebenan muss doch wissen, wofür wir die Steuergelder hier ausgeben“, so Bayer. Die Gäste verließen das Haus in der Überzeugung: hier ist jeder einzelne Euro sinnvoll investiert!
Am Ende eines zwar langen aber auch spannenden und informativen Tages dankte Forumssprecher Uli Schmidt (Horbach) allen Teilnehmenden und den Gastgebern: „Wir haben erkannt, dass bei uns im Westerwald sozialpolitisch Vieles auf einem guten Weg ist, aber eine Menge noch zu tun bleibt!“ Ein Ergebnis des Tages sei, dass es auch bei uns immer schwieriger werde, für den Sozialbereich noch geeignete Fachkräfte zu finden. „Wir müssen Berufe in Pflege, Gesundheit und Erziehung besser bezahlen und mehr anerkennen, sonst gehen in einigen Sozialeinrichtungen im Westerwaldkreis in einigen Jahren die Lichter aus“, so Kreistagsmitglied Schmidt.
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