Günther-Tore schließt, Faurecia kämpft, Menk-Mitarbeiter profitieren
Drei Firmen standen im Fokus einer Inforunde der IG Metall Betzdorf. Und unterschiedlicher konnten die Nachrichten nicht sein. Eine gute Nachricht hatten der Bevollmächtigte Uwe Wallbrecher und seine Mitstreiter zu verkünden – eine niederschmetternde sowie eine mit ungewissem Ausgang.
Betzdorf/ Neunkirchen/ Bad Marienberg/ Scheuerfeld. Ab 31. Oktober müssen sich die 240 Mitarbeiter von Günther-Tore aus Neunkirchen (Westerwald) auf Jobsuche begeben. Ein Insolvenzplanverfahren ist ins Leere gelaufen. Dies sei tragisch für die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, und für die Region, die ein modernes Unternehmen verliert, sagte Uwe Wallbrecher. Allerdings, so der Bevollmächtigte der IG Metall, die Mitarbeiter seien auch nicht ganz unschuldig an der Misere gewesen: „Wer glaubt, erst acht Wochen vor Torschluss einen Betriebsrat zu gründen, der irrt sich.“ Laut Nicole Platzdasch, der politischen Sekretärin der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf, sei es für die Gewerkschaft einfach zu spät gewesen, zu intervenieren. Sozusagen „auf den letzten Drücker“ hat also ein Mitarbeiter von Günther-Tore zum Telefonhörer gegriffen und sich an die Gewerkschaft gewendet. Hinzu kam, dass sich der Insolvenzverwalter laut IG Metall gar nicht erst mit Wallbrecher und Co. in Verbindung gesetzt hatte.
Letztlich macht der Bevollmächtigte der Geschäftsstelle Betzdorf aber Fehlentscheidungen der Betriebsführung verantwortlich. Innerhalb von nur drei Jahren seien rund 14 Millionen Euro versenkt worden. 2013 habe ein weißrussischer Investor die Firma übernommen und seine Produktion nach Neunkirchen verlagert. Rückblickend offenbar keine gute Idee. Der Investor hat sich mit dieser Entscheidung verkalkuliert und so viel Geld „verbrannt“.
Faurecia droht Erzwingungsstreik
Auf hohe Verluste muss sich auch Faurecia einstellen, in Scheuerfeld wie auch in ganz Deutschland. Wallbrecher führt deutschlandweite Verhandlungen mit den Konzernvertretern und gibt sich einerseits enttäuscht über den derzeitigen Stand der Auseinandersetzungen, aber mindestens genauso kampfbereit. Immerhin sind die aktuellen Tarifverhandlungen noch nicht abgeschlossen. Seit März laufen sie bereits. Eine Lösung ist laut IG Metall nicht in Sicht, „weil die Konzernführung nicht bereit ist, das zu geben, was fair wäre“. Nach den Sommerferien könnte es also zu einem Erzwingungsstreik kommen – sofern sich die Mitarbeiter in einer Urabstimmung dafür aussprechen. Was sind die Knackpunkte, die auch den Standort in Scheuerfeld betreffen?
Laut Gewerkschaft ordnet sich Faurecia mit seinen fünf Werken in Deutschland, die von der IG Metall betreut werden, nicht der Metall- und Elektroindustrie zu. Stattdessen sehen sie ihre Werke eher in der Holz- und Kunststoffindustrie verortet. Was nicht nur mit unterschiedlichen Einschätzungen zu tun haben könnte. Denn die Tarifkonditionen für Mitarbeiter scheinen attraktiver in der Metall- und Elektroindustrie zu sein, und damit teurer für die Konzernführung. Immerhin: Momentan liegt ein Angebot vom Arbeitgeber auf dem Tisch, das durchaus dem aktuellen Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie ähnelt. Das heißt konkret: Ab April bis Juni werden jeweils einmal 150 Euro zusätzlich zum regulären Lohn ausgezahlt, ab Juli gibt es eine Entgeltsteigerung um 4,8 Prozent und ab April 2017 nochmal 2 Prozent oben drauf. Aber es gibt Haken. So will die Konzernführung die Entgelterhöhungen alle um einen Monat nach hinten verschieben, was unterm Strich natürlich weniger Geld bedeutet. Und mit damit will sich die Gewerkschaft nicht abfinden. Schließlich verdient ein Mitarbeiter von Faurecia immer noch zwischen acht und 13 Prozent weniger als ein Kollege aus einem Betrieb für den der Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie gilt. Um zumindest perspektivisch eine Angleichung zu verwirklichen, müsste das Konzern also nachlegen. Danach sieht es laut Gewerkschaft nicht aus. Wenn es dann tatsächlich in wenigen Wochen zum Streik kommen sollte, würde für Faurecia viel Geld verloren gehen. Schließlich stünden dann mit etwas Verzögerung nicht nur die Bänder in den Standorten wie etwa Scheuerfeld still, sondern auch die der Autohersteller, die von Faurecia beliefert werden. Die Gewerkschaft spricht hier von rund 500.000 Euro, die pro Stunde ein „Bandabriss“ mit sich ziehen würde.
Tarifvertrag für Menk in Bad Marienberg errungen
Dass die IG Metall überhaupt solch einen Druck auf die Konzernführung des Automobilzulieferers ausüben kann, liegt auch daran, dass so gut wie jeder Mitarbeiter in Scheuerfeld Mitglied der Gewerkschaft ist. Wenn es auch nicht die 100 Prozent Organisationsdichte (minus Werkleiter) sind wie bei Faurecia in Scheuerfeld, so können sich folgende Zahlen aus Sicht der IG-Metall durchaus sehen lassen: Ein Steigerung von 15 Prozent (Stand Anfang 2015) auf 75 Prozent (Anfang 2016) gab es bei der Firma Menk in Bad Marienberg. Und dieser Zuwachs an Gewerkschaftsmitglieder hat der IG Metall sicher auch die nötige Rückendeckung gegeben, jetzt Tarifverhandlungen erfolgreich zum Abschluss zu führen für den Hersteller von Trafoanlagen. 17 Monate habe man gerungen, so Wallbrecher. Hintergrund für den Wunsch nach einem Tarifvertrag seien Unsicherheiten innerhalb der Belegschaft gewesen, Stichwort Globalisierung. Nun können die Mitarbeiter planen mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Gewerkschaft konnte die Arbeitgeber davon überzeugen, dass fortan Teile der Tarifverträge der Metallindustrie- und des Handwerks gelten. Unter anderem müssen die Mitarbeiter demnächst nicht mehr 42 Stunden arbeiten, sondern 40.
Uwe Zabel vom IG Metall Bezirk Mitte führte den Erfolg der Arbeitnehmervertreter vor allem auf den Kampfgeist der Belegschaft zurück: „Ohne den Druck der Beschäftigten hätte man sich dumm und dämlich verhandelt.“ (ddp)
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