Internetplattform „Abgeordnetenwatch“ sinnvoll oder nicht?
Politiker leben von ihrer Medienpräsenz und sind daher ganz versessen darauf, möglichst oft und mit Foto in der Presse zu erscheinen. Die Redakteure unserer Online-Zeitung erleben das täglich, umso mehr, je näher der Wahltermin rückt. Doch nicht jeder Politiker ist mit jeder Plattform einverstanden.
Region. In die Diskussion geriet die Internetplattform „Abgeordnetenwatch“, die auch vom Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Nick abgelehnt wird.
Wikipedia definiert: „abgeordnetenwatch.de ist eine überparteiliche und institutionell unabhängige Internetplattform, welche die Möglichkeit eröffnet, Abgeordnete verschiedener Parlamente öffentlich zu befragen. Sie wurde von Gregor Hackmack und Boris Hekele gegründet. Ihr Träger ist der eingetragene Verein Parlamentwatch. Neben Fragen und Antworten sind berufliche Qualifikationen, Mitgliedschaft in Ausschüssen, anzeigepflichtige Nebentätigkeiten sowie das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten bei wichtigen Parlamentsentscheidungen öffentlich einsehbar.“
Seit Dezember 2004 ist die Seite online und wird seither zunehmend genutzt. Ein Logarithmus vergibt außerdem für die einzelnen Parlamentarier Noten, die sich aus der Anzahl der Beantwortungen errechnen. Wer hundert bis 90 Prozent der Anfragen beantwortet, erhält die Wertung „eins“. Diese Methode ist fragwürdig und birgt die Gefahr in sich, dass ein Abgeordneter mit einem Fragensturm an den PC gefesselt wird, was nicht der Sinn seiner Tätigkeit ist. Andererseits müssen sich Politiker mit den Menschen ihres Wahlkreises und dem Zeittrend beschäftigen. Wer junge Wähler gewinnen will, muss New Media affin sein. Mit den herkömmlichen Printmedien erreicht man die U40-Generation kaum noch. Und zu einem netten gemütlichen Schwätzchen bei Kaffee und Kuchen finden auch nur Senioren Zeit.
Dr. Andreas Nick wählt eine Form der schriftlichen Kommunikation mit seinen potentiellen Wählern, die er in dem folgenden Statement darlegt: „Anlässlich der aktuellen Medien-Berichterstattung über die vom Portal "Abgeordnetenwatch" verteilten Schulnoten weise ich noch einmal darauf hin, dass jeder Fragesteller dort von mir selbstverständlich eine Antwort erhält mit dem folgenden Hinweis:
"Vielen Dank für Ihre Anfrage. Als Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Montabaur beantworte ich gerne persönliche Anfragen aus meinem Wahlkreis. Nur möchte ich dafür keine Vermittlung oder Moderation durch das Portal Abgeordnetenwatch.de/ Abgeordnetencheck.de. Bürgerinnen und Bürger aus meinem Wahlkreis können sich direkt an mein Berliner Büro unter andreas.nick@bundestag.de wenden. Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüßen Dr. Andreas Nick MdB"
Nick begründet seine Erklärung wie folgt: „Die sogenannten Schulnoten sagen nichts über die tatsächliche Bürgernähe eines Abgeordneten aus, sondern lediglich seine Bereitschaft, mit den Bürgern über die Plattform eines privaten Anbieters mit zweifelhaften Praktiken zu kommunizieren.
Wie viele andere Kollegen bevorzuge ich den unmittelbaren Dialog mit den Bürgern meines Wahlkreises und möchte mich dafür bewusst nicht eines Internet-Portals bedienen, das vorrangig eigene politische und wirtschaftliche Interessen verfolgt.“
Die von Nick bemängelten zweifelhaften Praktiken, die eigene politische und wirtschaftliche Interessen verfolgen sollen, konnten wir im Netz nicht erkennen.
In einem Grußwort von Prof. Dr. Jutta Limbach unterstützt die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Berliner Justizsenatorin a.D. und frühere Präsidentin des Goethe-Instituts die Internetplattform mit dem Hinweis, dass eine stabile Demokratie von der Meinungsfreude ihrer Bürgerinnen und Bürger lebe. Wer sich dem verweigere und hier Vorsicht walten lasse, verkenne den Wert einer staatsbürgerlichen politischen Kultur. Sie zeigt Verständnis dafür, dass die E-Demokratie auf manche Abgeordneten befremdlich wirkt. „Doch sollten wir uns gegenüber größtmöglicher Bürgernähe und neuen Möglichkeiten der Beteiligung an der politischen Willensbildung allgemein offen zeigen. Denn die Wachsamkeit des Einzelnen – das wissen wir nicht erst seit dem Scheitern der Weimarer Republik – ist ein Unterpfand von Demokratie und Freiheit.
Initiativen wie diese können die parlamentarischen Entscheidungsprozesse nur beleben. Sie machen Politiker empfänglicher für gesellschaftliche Probleme und Bedürfnisse und sorgen damit auch für einen Legitimitätsgewinn der Entscheidungen selbst. Bei allem Respekt gegenüber der parlamentarischen Entscheidungshoheit gilt schließlich: alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Eine Auswahl der Medien und Kommunikationsformen nach „kommt mir gelegen/ungelegen“ mag aus der Sicht des einzelnen Politikers Sinn machen, kann aber den Frust von Kontaktsuchenden bewirken und möglicher Weise den einen oder anderen Mitmenschen in eine unliebsame radikale Richtung treiben. Das sollte bedacht werden, denn das will mit Sicherheit kein Demokrat. htv
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