Werbung

Nachricht vom 13.08.2016    

Aus Heimat wird Kunst: Zeichnungen von Karl Heinrich Zunn

Es war ein bewegtes Leben, im Schatten der Weltkriege, das mit Liebe zur eigenen Heimat, zu ihrer Natur und Architektur, zum Beruf und zur Familie gemeistert wurde: Karl Heinrich Zunn (1893 - 1964) gilt als einer der wenigen Künstler, die den Westerwald in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeichnerisch charakterisiert haben.

Zeichnung von Zunn. Fotos: Veranstalter

Rennerod. In Kooperation mit der Geschichtswerkstatt des Westerwaldvereins Westerburg widmet sich die Ausstellung in Sims Werkstatt der Buchhandlung Lang in Rennerod erstmalig dem zeichnerischen Werk von Karl Heinrich Zunn. Die Präsentation von 32 Zeichnungen in Reproduktion dieses Künstlers eröffnet auch eine neue Reihe unter dem Titel: 'Rennerod erinnert', die wiederkehrend mit unterschiedlichen Aspekten die Kunst- und Kulturgeschichte unseres Raumes der Öffentlichkeit vorstellen möchte.

Karl Heinrich Zunn (geboren 1893 in Frankenthal bis 1964 in Bethel) wuchs in Dillenburg auf, wo sein Vater Direktor der Wasserwerke war, machte dort Abitur und begann kurz vor dem 1. Weltkrieg sein Studium der evangelischen Theologie in Halle und Bonn. 1920 erschien seine erste Zeichenmappe "Die Heimat - Bilder aus dem Dilltal" in der Tradition Otto Ubbelohdes. Zunn wurde zunächst Vikar in Biedenkopf und wechselte 1923 als Pfarrer nach Liebenscheid in den Hohen Westerwald und heiratete die Enkelin des rheinischen Dichters Emil Rittershaus. Von 1923 bis 1927 war Zunn als Pfarrer in Liebenscheid und von 1927 bis 1932 in (Bad) Marienberg tätig. 1952 endete sein Schaffen durch einen Schlaganfall und er starb zwölf Jahre später in Bethel.

In der facettenreichen Ausstellung eröffnet sich ein wahres Bilderbuch, in dem der Betrachter durch die Augen eines begnadeten Zeichners sehen darf, heimische Landschaften in Tusche, Tinte und einer Feder festgehalten in ihrer Zeit. Schon in der Kindheit bemerkte man am humanistischen Gymnasium in Dillenburg die zeichnerische Begabung von Zunn. Er zeichnete, was ihn faszinierte und das in schwarz - weiß und mit Feder oder Bleistift. Die gezeigten Federzeichnungen von Landschaften und Orten des Hohen Westerwaldes reflektieren in ihrer Ausstrahlung gleichzeitig die unmittelbare Wahrnehmung von Heimat. Sie zeigen viele Definitionen, immer subjektiv in der Deutung definiert Zunn sein Umfeld zwischen Herkunft und Zugehörigkeitsgefühl. Dieser Doppelsinn des Begriffs 'Heimat' geht über die Grenzen einer sinnlichen Wahrnehmung hinaus.

Mit einem wunderbaren Blick für Details suchte Zunn Landschaften und ortsbildprägende Details, die mehr als eine realistische Wiedergabe des Geschauten sind. Die Landschaft wird umgeformt in Wesentliches, erhält Charakterzüge, die unverwechselbar sind. Sicher ordnet er die Grundformen der Komposition, bestimmt meist dynamisch in einer harmonischen Rhythmik des Bildes, setzt temperamentvoll den Federstrich, sucht Lichtwerte und Schattennuancen, trifft die Athmosphäre und romantische Ästhetik der westerwälder Landschaft, bringt ihre Größe und Dynamik sowie ihre stumme Melancholie aufs Blatt. Jede Zeichnung ein Enthüllen, ein Fixieren des Ursprünglichen, ein Vordringen zur wesentlichen Stimmung eines Momentes und auch ein Weglassen. Es gibt nicht viele Maler, die derart zur Naheinstellung des Auges einladen. Der Betrachter beginnt genauer hinzusehen und entdeckt, dass die Motive, die pastoralen Themen im Werk von Karl Heinrich Zunn, die lange zu einseitig in den Vordergrund gestellt wurden, nur einen Teil seines Werks ausmachen.



Notwendiges kompositorisches Gleichgewicht und spürbare Balance werden gewahrt und Zunn arbeitet sich damit regelrecht in den Ort mit seiner Tiefe hinein, zeichnet gekonnt und intensiv und nicht ohne Leidenschaftlichkeit, die seinen Werken den so typischen wiedererkennbaren Duktus verleiht. So schaut er gleichsam mit seinen Zeichnungen hinter die Kulisse des Gegebenen, durchdringt den schönen Schein und gelangt zu einer gestalterischen Aussage, zu einem bewussteren Umgang mit Heimat.

Lange galt das Werk von Karl Heinrich Zunn als Heimatmalerei. Die Ausstellung in Sims Werkstatt erlöst ihn von dem Makel des Lokalen und Bedeutungslosen: In Wahrheit war er der zeichnerische Poet des Westerwaldes. Gleichzeitig soll diese Schau aber auch ein Aufruf an die Öffentlichkeit sein, noch vorhandene Originalzeichnungen in privaten oder öffentlichen Archiven zu entdecken. Wer eine solche Originalzeichnung oder sogar Gemälde von Karl Heinrich Zunn besitzt, kann sich jederzeit auch nach der Ausstellung beim Antiquariat Lang in Rennerod melden.

Eröffnung der Ausstellung in Sims Werkstatt, Kunstkabinett der Buchhandlung Lang, Hauptstraße 71, 56477 Rennerod am Freitag 26. August um 19 Uhr. Ausstellungsdauer bis 30. Oktober 2016. Homepage: www.antiquariat-lang.de.



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Westerwaldkreis mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Rennerod & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
 

Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Kultur


"Over the Rainbow": Ein anspruchsvolles Konzert in Ransbach-Baumbach

In der Stadthalle von Ransbach-Baumbach erlebten die Zuschauer ein Konzert, das sie nicht so schnell ...

20. Monkey Jump Kneipenfestival Hachenburg: Party-Hochburg am 29. März

ANZEIGE | Am Samstag, den 29. März, verwandelt sich Hachenburg in eine Festival-Hochburg, wenn das 20. ...

Junge Künstlerin Kim Bender präsentiert ihre Werke in Dernbach

Im April haben Kunstliebhaber die Möglichkeit, die vielfältigen Werke der talentierten Malerin Kim Bender ...

Klezmers Techter bringen jiddische Musik nach Montabaur

Am 1. April erwartet die Besucher im Gewölbekeller von Montabaur ein besonderes musikalisches Erlebnis. ...

Jubiläumsfeier 20 Jahre Welterbe Limes in der Römerwelt Rheinbrohl

Seit zwei Jahrzehnten gehört der Obergermanisch-Raetische Limes zum UNESCO-Welterbe. Dieses Jubiläum ...

Frühjahrsprogramm der Hachenburger KulturZeit ausverkauft

Die Hachenburger KulturZeit erfreut sich großer Beliebtheit. Alle Veranstaltungen des Frühjahrsprogramms ...

Weitere Artikel


Heizanlagen regelmäßig warten lassen

Für viele Leute ist die jährliche Inspektion des Autos selbstverständlich. Dass eine regelmäßige Inspektion ...

Sabine Ludwig: Hilfe, mein Lehrer geht in die Luft

Das brandneue Buch der Bestseller-Autorin Sabine Ludwig beschert ihren Fans ein Wiedersehen mit Felix, ...

Wie wollen wir wohnen? - Dr. Henning Scherf berichtet

Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Evangelischen Kirchengemeinde Westerburg kommt der ...

Gäste aus Kuba zum Abschluss der 21. Weltmusikreihe

Die 21. Weltmusikreihe „Musik in alten Dorfkirchen“ im Westerwald endet mit der Band „SON DEL NENE“ aus ...

„Orange Moon Folkduo“ in Montabaur

Die Reihe „Sommermusik vor dem Alten Rathaus“ am Großen Markt in Montabaur geht am 20. August in der ...

Störche legten in Hachenburg Zwischenstopp ein

Auf der Reise in den Süden rasteten etwa 40 Jungstörche auf dem Kleeberg-Gelände an der B 413. Viele ...

Werbung