Bildungsministerin: Viel Lob für Selterser Kita Plumpaquatsch
Ein strahlend blauer Himmel und viele strahlende Kindergesichter. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig hätte sich kaum einen passenderen Zeitpunkt für ihren Besuch der Evangelischen Kindertagesstätte Plumpaquatsch in Selters aussuchen können. Nicht nur wegen des Wetters und der gut gelaunten Kinder.
Selters. Denn die Kita hat eine Entwicklung hinter sich, die viel Kraft gekostet hat. den langen Weg vom geschlossenen hin zu einem offenen Konzept. Heute tragen die Anstrengungen Früchte. 2016 ist die Kita eine Einrichtung, die nach Ansicht der Ministerin ein Vorbild für eine gelungene Offene Form ist.
Dabei kennt Stefanie Hubig die Bedenken, die Eltern gegen diese Art der Pädagogik haben; die Angst, dass die Freiheit im Chaos endet und die Kinder einfach sich selbst überlassen werden. Vor rund sieben Jahren wagte das „Plumpaquatsch“-Team dennoch den Schritt und krempelte die Kita mit viel Herzblut und vielen neuen Impulsen komplett um. Es etablierte Räume für kreative Entfaltung statt starrer Strukturen, warf die strengen Bring-Zeiten über Bord, richtete liebevolle Themen-Räume ein. Inzwischen können sich die Kinder in dem Gebäude frei bewegen und selbst entscheiden, welches Angebot sie wann annehmen.
Denn Angebote gibt es in der Selterser Kita viele: Die Bildungsministerin und ihre Begleiterin – Xenia Roth, Stellvertretende Abteilungsleiterin für frühkindliche Erziehung – waren beeindruckt von der Turnhalle, dem Bauraum, dem Computerzimmer, der Musikecke, einem Experimentierraum, dem Raum für Soziales, den Waschräumen, dem Außengelände und vor allen Dingen vom großzügigen Essenssaal, in dem nicht nur die Jungen und Mädchen, sondern auch die Eltern entspannt frühstücken können. „Wir bieten den Mamas und Papas an, ihre Kinder dann zu bringen, wenn es passt und anschließend in aller Ruhe einen Kaffee bei uns zu trinken“, erklärt Leiterin Nicole Salamon und erinnert sich noch gut an abgehetzte Familien, die um kurz vor 9 Uhr angerannt kamen – um bloß nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. „Auf diesen Stress können glaube ich alle gut verzichten“, meint die Leiterin und ist froh, dass es diese Deadline nun nicht mehr gibt. „Das sorgt für mehr Gelassenheit im Kita-Alltag.“
Eine Gelassenheit, die auch die Ministerin während ihres Besuchs in Selters spürt. „Hier ist ein Ort, der Menschen guttut und an dem es erstaunlich ruhig ist“, sagt sie. Die Ruhe, weiß Nicole Salamon, ist eine angenehme Begleiterscheinung der Bildungsräume, in denen die Kinder konzentriert arbeiten. Und aus den Regeln, die es freilich auch in der Kita Plumpaquatsch gibt. „Allerdings werden diese Regeln nicht über die Köpfe der Jungs und Mädchen hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen in der Kinderkonferenz beschlossen. So hat sich die Konferenz zum Beispiel darauf geeinigt, dass jeder beim Spielen drankommt und dass nur drei Dinge auf dem Essensteller liegen dürfen, damit sich niemand zu viel holt.“
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Das Kindergartenteam nimmt die Kinder eben ernst und legt großen Wert auf die Beziehungsebene. Denn nur aus ihr und aus einem gesunden Maß an Begeisterung für eine Sache kann Lernbereitschaft und somit Bildung entstehen, ist sich Nicole Salamon sicher. Aus diesem Gedanken hat es sich an dem Pädagogen Célestin Freinet orientiert und das Konzept der „Zettelei“ eingeführt: Auf kleine Zetteln malen oder schreiben die Jungen und Mädchen diejenigen Dinge, die sie gerne tun möchten und heften sie an eine Wand unter ihr Foto. Die Erzieherinnen geben ihnen währenddessen und danach möglichst wenig vor, sondern sind Ansprechpartnerinnen und ermöglichen dem Nachwuchs, die Ideen umzusetzen. „Anfangs dachte ich, dass mein Sohn mit dieser Freiheit nicht zurecht kommt und nur noch das macht, was er ohnehin am liebsten tut“, erinnert sich eine Mutter an ihre Bedenken gegen dieses Experiment. „Kurze Zeit später hat er aber eine tolle Offenheit für andere Dinge entwickelt.“
Und gegenüber anderen Kulturen: 70 Prozent der jungen Kita-Besucherinnen und Besucher kommen aus Migrationsfamilien; zwölf Nationen sind in der Einrichtung vertreten. „Unser Evangelisches Bildungsverständnis ist aber: Jeder ist so gut, wie er ist – unabhängig von der Religion“, sagt der Dekan des Dekanats Selters, Wolfgang Weik. „Deshalb möchte die Kita mit den Kindern den Fragen des Lebens auf den Grund gehen, die alle Menschen verbindet: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wie gehen wir mit Ängsten und Schuld um?“
Ministerin Hubig schätzt diese Vielfalt und hofft, dass im Mikrokosmos Kindergarten schon früh Berührungsängste abgelegt werden. „Es ist gut, dass sich die Kinder hier in ihrem Anderssein kennen lernen.“ Schließlich, unterstreicht die Ministerin am Ende ihres Besuchs in Selters, leben wir in einer neuen, modernen Gesellschaft, und die Selterser Kita trägt nach Meinung Stefanie Hubigs einen wichtigen Teil dazu bei, dass Respekt und Achtung auch in schwierigen Zeiten nicht aus dem Blick geraten. „In der Kindertagesstätte Plumpaquatsch steckt viel Liebe, Engagement und Fachkenntnis“, sagt sie. „Man spürt, dass das Offene Konzept trägt. Und dass die Erzieherinnen jedes Kind als Menschen ernstnehmen, statt es kleinzuhalten.“
Und auch die Leiterin des Fachbereichs Kindertagesstätten im Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Sabine Herrenbrück, ist sich sicher, dass sich der schwierige Weg zum offenen System gelohnt hat: „Die Selterser Kita Plumpaquatsch ist inzwischen ein Aushängeschild unserer Landeskirche.“ (bon)
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