Frauentag macht neue Lust auf den Sonntag
Der feine Anzug, ein duftender Braten, der gemeinsame Gottesdienstbesuch. Erinnerungen an einen Sonntag, den es heute immer seltener gibt. Das Evangelische Dekanat Selters hat sich nun diesem oft vergessenen Kleinod gewidmet und den zweiten Dekanatsfrauentag unter das Motto „Sonntag – ein Geschenk des Himmels“ gestellt.
Selters. Die Resonanz: beeindruckend. Mehr als 100 Frauen sind der Einladung gefolgt und haben einen interessanten Nachmittag mit einem aufschlussreichen Vortrag der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin erlebt.
Obwohl sich der Sonntag oft nicht mehr von einem normalen Wochentag unterscheidet: Das Thema Sonntag bewegt die Menschen nach wie vor. Das wird schon in den Begrüßungen von Dekan Wolfgang Weik, der Organisatorinnen Regina Kehr und Elke Pollatz und von Stadtbürgermeister Rolf Jung deutlich. Und als die Wallmeroder Pfarrerin Heike Meissner zu Beginn die Gäste in der Selterser Festhalle fragt, was der Sonntag für sie bedeutet, schwingt auch in deren Antworten Wehmut mit. Für viele ist es ein Familientag, an dem man sich für den gemeinsamen Ausflug herausputzt. Für andere ist es der Tag der festen Rituale: des Kirchgangs, des Schaufensterbummelns, des gemeinsamen „Tatort“-Guckens. Für die Alleinstehenden ist es aber auch der Tag, an denen die Einsamkeit besonders schmerzt.
„Der Sonntag steht eben für eine ganz besondere Zeit“, sagt die Stellvetretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrike Scherf. „Der Sonntag ist die Unterbrechung des Alltags; das Innehalten in der Woche. Es ist ein Tag, der es wert ist, geschützt zu werden.“ Allerdings ist dieser Schutz in der Vergangenheit zunehmend aufgeweicht worden, sagt sie und nennt als ein Beispiel das Jahr 1975: Seitdem wird in deutschen Kalendern nicht mehr der Sonntag, sondern der Montag als erster Wochentag dargestellt. Eine Randnotiz, die es für Ulrike Scherf aber durchaus in sich hat: „In der Bibel gilt der Feiertag als ein Tag der Ruhe und Freiheit – auch von der Arbeit und von den Dingen, die das Leben beherrschen“, sagt sie. „Der Sonntag als Wochenanfang ist für mich eine Art Vorzeichen für unser Leben: Die Woche beginnt mit Gottes Geschenk an uns.“ Heutzutage startet die Woche aber mit dem Montag; einem Arbeitstag, an dem es auf unsere eigenen Leistungen ankommt.
Es ist diese Ökonomisierung des Lebens, die einer Gesellschaft langfristig schadet, glaubt Ulrike Scherf: „Heute arbeitet mehr als jeder vierte Beschäftigte auch sonntags. Das ist eine Entgrenzung der Arbeit und führt zu einer Rundumbeanspruchung, die krank macht.“
Deshalb setzt sich die Kirche gemeinsam mit Gewerkschaften und Sportverbänden seit Jahren für die Erhaltung des Sonntags ein und hat in der Vergangenheit zahlreiche Erfolge erzielt – etwa, was die Abschaffung von Sondergenehmigungen für einige Gewerbe angeht. „Es geht uns dabei aber nicht darum, Dinge am Sonntag zu verbieten, sondern zu ermöglichen“, unterstreicht die Kirchenvertreterin und wehrt sich damit gegen den Vorwurf, die Kirche sei eine „Spaßbremse“, was den Sonntagsschutz betrifft. „Spaßbremsen sind diejenigen, die ihre Mitarbeitenden am Sonntag hinter die Ladentheke rufen. Wir wollen nichts verbieten, sondern ermöglichen. Wir stellen den Schutz des Sonntags und die Möglichkeit für gemeinsame Unternehmungen in den Mittelpunkt.“ Für die Stellvertretende Kirchenpräsidentin ist der Schutz also kein überholtes Relikt: „Dieser Tag ist gerade in so einer schnelllebigen, globalen und komplexen Zeit von besonderer Bedeutung“, fasst sie zusammen. „Denn Zeiten der Ruhe und der gemeinsamen Momente mit Familien und Freunden stärken den Zusammenhalt in der Gesellschaft und lassen spüren, dass der Mensch nicht durch seine Leistung definiert ist. Er ist Gottes Geschöpf, mit Würde und Freiheit ausgestattet.“ (bon)
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