Im Fokus: Flüchtlinge in der Pflege
Angesichts des auch im Westerwald längst angekommenen Fachkräftemangels in der Pflege wird es immer wichtiger, auch bei uns mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Wie können vor diesem Hintergrund in der Region Flüchtlinge dafür interessiert und auf einen Beruf in der Pflege vorbereitet werden?
Montabaur. Das war Thema eines Fachgespräches, zu dem das Forum Soziale Gerechtigkeit und das Alten- und Pflegeheim des Hospitalfonds Montabaur in die Einrichtung eingeladen hatte. Es waren so viele Interessierte gekommen, dass die Stühle im Haus kaum reichten und die zum Tagungsraum umfunktionierte Kapelle mit fast 70 Personen bis auf den letzten Platz besetzt war.
Als Geschäftsführer des Hospitalfonds und Heimleiter begrüßte René Pydd die vielen interessierten Gäste, darunter auch etwa ein Dutzend geflüchtete Menschen. „Als so viele Flüchtlinge zu uns ins Land kamen, haben wir uns gefragt, was wir als Altenheim machen können und schnell eine Antwort gefunden“, so der engagierte Heimleiter. In einem Langzeit-Pflegepraktikum werden dort seit August 2016 drei Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan mit Personen aus EU-Ländern sprachlich und fachlich auf eine berufliche Zukunft in der Pflege vorbereitet. Pydd lobte trotz erkennbarer bürokratischer Grenzen die Zusammenarbeit mit der örtlichen Arbeitsagentur und der BBS in Westerburg.
Als Sprecher des Forums Soziale Gerechtigkeit und Moderator des Abends war Uli Schmidt (Horbach) beeindruckt von den vielen Gästen aus ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen. „Dass Interessierte aus der stationären Altenpflege, von Kommunen, Flüchtlingsinitiativen, Bildungsträgern, Wohlfahrtsverbänden und Fachbehörden gekommen sind, zeigt die Bedeutung des Themas“, so Schmidt. Er zeigte sich am Ende der Diskussion davon überzeugt, dass nach den vielen geschilderten Erfahrungen alle Pflegeeinrichtungen im Westerwald jetzt offen für die Beschäftigung von geflüchteten Menschen sind.
Roland Weimer, Leiter des Integrations-Centers (IC) der Agentur für Arbeit in Montabaur, informierte zunächst über die Arbeit seines Teams mit Flüchtlingen, die sich in der Regel noch im laufenden Asylverfahren befinden. "Der Personalbedarf in der Pflege ist auch bei uns im Westerwald sichtbar und wir können einige Unterstützungsangebote bieten, dass geflüchtete Menschen die Pflege kennenlernen können", bot Weimer den Service seines Teams an. Noch sei die Zahl der Integrationen in der Pflegebranche niedrig, aber Flüchtlinge sollten sich nicht entmutigen lassen, wenn sie sich für einen Pflegeberuf interessieren. Ob etwas gehe und was gehen könnte, das müsse gemeinsam mit dem Bewerber oder der Bewerberin besprochen werden.
Die Arbeit der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz als wirksame Vertretung aller Pflegekräfte stellte deren Vorstandsmitglied Esther Ehrenstein vor, die als Pflegedienstleiterin am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur arbeitet. „Flüchtlinge müssen die deutsche Sprache gut beherrschen und fachlich qualifiziert sein, dann stehen ihnen alle Wege in der Pflege offen“, so Ehrenstein. Positiv sei, dass zahlreiche Pflegeeinrichtungen schon seit vielen Jahren Menschen verschiedener Nationalität aus unterschiedlichen Kulturkreisen beschäftigen. Wer sich für eine entsprechende Tätigkeit entschieden habe, müsse auch angemessen gefördert werden, um in einem Pflegeberuf Fuß fassen zu können.
Ein zunehmend wichtiger Akteur ist die Altenpflegeschule an der BBS Westerburg. Als Fachlehrer an dieser Schule informierte Wolfgang Müller über eine gut laufende „Praktikantenklasse“: „In diesem Berufsvorbereitungsjahr Pflege für deutsche und geflüchtete junge Menschen wird die theoretische und praktische Sprachförderung in den Praktikumsstellen um eine spezifische Berufsförderung ergänzt“. Ziel, so ergänzten seine Kollegin Katja Becher und sein Kollege Dirk Weber, sei die Vorbereitung auf eine anschließende Ausbildung in der Altenpflege.
In einem lockeren Interview äußerte sich der 25 Jahre alte Flüchtling Habib Rahimi zunächst mit leuchtenden Augen dazu, wie sein Berufswunsch entstanden ist: „Auf der Flucht konnte ich mit Freunden in Griechenland eine alte Frau versorgen und danach war mir bei Ankunft in Deutschland klar, dass ich hier alten Menschen helfen will.“ Ein Praktikum im Azurit-Seniorenzentrum in Montabaur bestärkte ihn in diesem Wunsch. Derzeit wird er dort nach erfolgreicher Absolvierung eines acht-wöchigen Kurses mit Abschluss „Betreuungsassistent“ als Betreuungskraft eingesetzt. Seine anwesenden Anleiterinnen bestätigten ihm große Fortschritte und das Potenzial für eine erfolgreiche Ausbildung in der Altenpflege. „Ich schaffe das!“, meinte der junge Afghane hoffnungsvoll. Aus anderen Einrichtungen wurde von Heimleitungen und Flüchtlingen über ähnlich positive Erfahrungen berichtet.
In der abschließenden Diskussionsrunde wurden verschiedene Aspekte angesprochen. So die damit verbundenen Probleme, die Praktikanten zur BBS nach Westerburg zu bringen oder die Möglichkeiten der Kompetenzfeststellung von einer Einstiegsqualifizierung (EQ) bis zum Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). Gelobt wurden gute Unterrichtsmaterialien für den Sprachunterricht. Insgesamt meldeten sich jedoch nur wenige der vielen Fachleute aus den verschiedenen Pflegeeinrichtungen zu Wort. Dafür gab es einen nachvollziehbaren Grund, so Rita Schlageter als Heimleiterin des Altenzentrums St. Josef in Arzbach in Trägerschaft des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn: „Wir haben noch wenig Erfahrungen mit Flüchtlingen in unserem Haus und wollen hier einfach sehen, wie es geht und was geht“.
Nach zwei Stunden Information und Erfahrungsberichten waren sich alle im Saal darin einig: Beim Einsatz von Flüchtlingen in der Pflege geht viel, man muss es nur wollen und darf sich nicht von den ersten Problemen entmutigen lassen. Klar war aber auch: Flüchtlinge werden die personellen Probleme im Pflegebereich nicht lösen, sie können aber zu einem wichtigen Beitrag werden!
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