Standing Ovations für Anna Mateur & The Beuys
Kulturreferentin Beate Macht bezeichnete die ungewöhnliche und vielseitige Sängerin mit Recht als „Ausnahmekünstlerin“. Die Lady in Black faszinierte durch gekonnten Widerspruch in Gestik, Mimik und Aussage, voluminösen jazzigen Gesang und direkten Kontakt zum Publikum in der Hachenburger Stadthalle.
Hachenburg. Die Idee der Hachenburger Kultur-Zeit, zukünftig einen Alleinkommer-Tisch zu organisieren, gefiel der Künstlerin, zumal sie gleich in der ersten Reihe einen allein sitzenden Herrn entdeckte. Fortan war der Begriff Bestandteil ihrer Show, die eigentlich den Titel „Protokoll einer Disco“ trug. Die Disco blieb unentdeckt, denn Anna Mateur, die in Physiognomie und Stimme an die großartige Joy Fleming erinnert, bot weit mehr als seichte Disco-Musik. Zum Tanzen konnte sie das Publikum nicht animieren, also wanderte sie mit ihren Wanderschuhen in den Publikumsreihen umher, kommentierte mit Worten und Gesang die Blumen und Sonnenkönig-Stimmkarten auf den Tischen und die mangelnde Musikalität der Besucher.
Anna Mateur hat ein Faible für Ordnung, die sie mit ihren beiden Gitarristen in C-Dur umsetzte, denn „in so hysterischen Zeiten braucht man Ordnung, Ruhe, Geborgenheit, Harmonie, Tradition, Rituale, Nachvollziehbarkeit, Wiederholung und Struktur.“ Mit C-Dur könne man Wähler gewinnen, während in der Pubertät F-Dur die kleine Sehnsucht darstelle, den Wunsch, raus zu kommen. Das dominante G-Dur symbolisiere die Sehnsucht nach früher. Nach dem Exkurs in die Musikpädagogik röhrte die gebürtige Dresdnerin wieder einen jazzigen Song, hechelte, sächselte, nuschelte, flötete, rannte auf der Bühne umher und tanzte eine ganz eigene Choreographie zum „Gitarrengeklimper: deutscher Hiphop von Deutschen für Deutsche“.
Ein Bericht der Kameradschaft Pirna stellte klar, dass erst der Klimawandel kommt und dann die Insulaner hinterher. Sie selbst sei bereits unterwandert worden, denn sie stamme aus dem Osten und „der eine oder andere dieser Formation ist aus dem Pott!“
Anna Mateur forderte vom Beleuchter Fackellicht und Voll-Playback für „Daddy Cool“. Sie sang, gestikulierte und zog bei der Bass-Stimme an ihrem Dekolleté um es anschließend von hinten über den Kopf zu ziehen und unerkannt im Basar zu verschwinden. Für eine Persiflage auf You-Tube-Ratgeber-Filmchen lieh sich die Künstlerin ein Handy mit Video-Funktion aus. Die „Orakel-Queen aus Neuruppin“ sang stimmgewaltig ein Schluss-Medley für Hachenburg, wurde jedoch vom begeisterten Publikum per Applaus zu drei Zugaben veranlasst, die sie mit vorwurfsvoller Miene zum Besten gab: Black Coffee - einen „Blues für alle Frauen, die schon einmal verlassen worden sind“ inklusive dem fauchenden Geräusch einer Kaffeemaschine, einen Tango und ein Chanson sowie die zutreffende Vorhersage: „Wir werden eine Schneise des Kummers in Hachenburg hinterlassen!“
Sollten Anna Mateur & The Beuys zum Sonnenkönig gewählt werden, ist dieser Kummer zeitlich begrenzt. Inzwischen spendet die Hachenburger Kulturzeit in der Stadthalle mehrere sehenswerte Trostveranstaltungen, schon am 13. Mai mit „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie.“ htv
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