175 Jahre unter einem Dach
Die Evangelische Kirche mit ihren beiden kommunalen Nebengebäuden wird 175 Jahre alt. Selters feiert das Jubiläum seiner einzigartigen Kirche auf ganz besondere Art und Weise: Am 10. Juni nehmen die Stadt und die Evangelische Kirchengemeinde ihre Gäste mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1842 und laden ein zu einem Fest im Stile der alten Zeit.
Selters. Das bunte Markttreiben lockt mit historischen Wurst-, Brot- und Bierspezialitäten und einem Festumzug in authentischen Kostümen.
Ein Spektakel, das dem alten Gebäude durchaus angemessen ist. Schließlich ist es ein ganz besonderes: Es ist das einzige, das als gemeinsames Schulhaus und Kirche und im reinem Stil des Klassizismus gebaut wurde. „Ein weiteres Gebäude-Ensemble in dieser Art ist mir nicht bekannt“, sagt Joachim Bay, der als Architekt Bauvorhaben für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau betreut. Bay kommt ins Schwärmen, wenn er die Kirche mit ihren rein klassizistischen Merkmalen, den klaren Linien und den dicken Pfeilern beschreibt.
Vor 1842 gibt es in Selters nur eine Kapelle und einen Friedhof. Zum Gottesdienst gehen die Protestanten damals in die größere Nordhofener Kirche. Lediglich die Taufen, Trauungen und Konfirmationen dürfen in der Kapelle stattfinden. Eine Schule gibt es damals zwar auch, allerdings ist diese zu baufällig und vor allen Dingen viel zu klein: 131 Kinder müssen in einem einzigen Raum unterrichtet werden. Die Stadt entscheidet sich deshalb zum Bau „zwei neuer Schulhäuser, die eine Kirche friedlich in ihre Arme nimmt“, wie es in der Schulchronik heißt. Der kommunale Teil des Gebäudes wird später als Rathaus, Bücherei und für die Jugendarbeit genutzt.
„Heute wachsen die beiden Gebäude näher zusammen als je zuvor“, sagt der evangelische Pfarrer Christian Elias. „Weil die städtischen Teile saniert werden und Aufzüge für Gehbehinderte bekommen, wird ein Durchbruch zur Kirche geschaffen. Damit ist auch das Gotteshaus barrierefrei zugänglich.“ Für den Selterser Stadtbürgermeister Rolf Jung ist dieser Durchbruch nicht nur wegen der Barrierefreiheit wichtig: „Für mich ist er ein schönes Zeichen dafür, dass beide Gebäude eine lange Tradition verbindet und sie sich heute tatsächlich ,friedlich in die Arme’ nehmen.“
Mit dem Festakt am 10. Juni möchten Stadt und Kirchengemeinde nun einen Bogen zwischen der gemeinsamen Vergangenheit und dem Heute spannen. Und um’s ganz authentisch zu machen, recherchiert ein Planungsteam, wie anno 1842 Brot gebacken und Wurst gemacht wird, wie das typische Bier von damals schmeckt und welche Kleidung die Leute in dieser Zeit tragen. Eine große Hilfe ist ihnen die Chronik der Evangelischen Kirche, in der genau beschrieben ist, wie die Selterser die Einweihung des neuen Gebäudes vor 175 Jahren feiern. „Wir können den Umzug nicht nachbilden, wollen uns aber in einigen Dingen symbolisch an die Zeit annähern“, sagt der Historiker Moriz Jungbluth, der sich im Vorbereitungsteam engagiert. „In einem unterscheiden wir uns aber sehr deutlich von der 175 Jahre alten Vorlage“, sagt der evangelische Pfarrer Christian Elias. „Damals, so beschreibt es die Chronik, ging man nach dem Umzug still auseinander. Diesmal laden wir zur Feier am Marktplatz ein, bei der die Gäste dann Gelegenheit haben, auch kulinarisch ins 19. Jahrhundert einzutauchen.“
Darüber hinaus haben die Besucher Gelegenheit, einen Blick aufs alte Selters zu werfen. Dr. Moritz Jungbluth entdeckte einen alten Stich, auf dem eine Ansicht der Stadt und der Turm der Evangelischen Kirche zu sehen ist. Das kleine Bild hat das Organisationsteam speziell für den Festtag reproduziert und wird es als Druck in einer limitierten Auflage anbieten.
Das Jubiläum startet am 10. Juni mit einem Festgottesdienst um 16 Uhr unter Mitwirkung von Pröpstin Annegret Puttlkammer, dem Bläser-Ensemble Frechblech und dem Singkreis der Gemeinde. Anschließend gibt es einen Umzug nach historischem Vorbild zum Marktplatz mit dem Musikverein Sessenhausen. Im Festzelt begibt man sich auf eine Zeitreise mit „Zeitzeugen“ von 1842. Für Kinder bieten die beiden Selterser Kindergärten Spiele nach altem Vorbild an. (es/bon)
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