Lesetipp: „Schatten über Montabaur“
Das Lutherjahr schlägt sich auch in einem „Wäller Krimi“ nieder: Carsten Gerz und Hermann Josef Roth haben gemeinsam einen zweiteiligen historischen Kriminalroman mit Bezügen zu Montabaur und dem Zisterzienserkloster Marienstatt verfasst. Die Reformationszeit schlug auch im Westerwald Wellen und änderte - oft gewaltsam - althergebrachte Ordnungen und Traditionen.
Montabaur. Für den ersten Teil mit dem namensgebenden Titel zeichnet der in Oberrod (VG Rennerod) aufgewachsene Kulturwissenschaftler Carsten Gerz verantwortlich. Seine Geschichte beginnt mit dem dubiosen Tod des Montabaurer Bootsmanns Wilhelm Preisgau bei der Explosion seines Schiffes im Linzer Hafen. Das Schiff transportierte Waren für den reichen und einflussreichen Kaufmann Maximilian Fassbein aus Montabaur. Seinen Willen setzte er stets handfest durch, so zum Beispiel bei einem vierzehnjährigen Ziegenhirten, der Milch verschüttet hatte und für dieses Vergehen kopfüber ans Gebälk gebunden und mit einer Reisigrute malträtiert wurde. Rebellion gegen Willkür lag in der Luft, denn es war die Zeit der Bauernkriege, die Aufbruchszeit der Lutheraner und des dritten Standes, die die mittelalterliche Ständeordnung und die Einstellung des Klerus und der Besitzenden, das sei die heilige gottgegebene Ordnung, nicht länger hinnahmen. „Armut ist ein göttliche Los und zumal eine von der Kirche vorgegebene Tugend. Die Armen sollen ob ihrer Umstände zufrieden sein.“
Es war eine „Welt, in der vieles käuflich war – Titel, Land, Menschen, Ablässe und eigentlich alles, auf das die Heilige Mutter Kirche ihre Hand hielt.“ Macht und Methodik des reichen Kaufmanns schienen grenzenlos: „Die, die er fürchten müsste, kaufte er, die, die ihm gefährlich werden könnten, bedrohte er, jene, die ihm nützlich sind, umgarnte er wie eine hungrige Katze.“
Hellsichtig erkannte Maximilian Fassbein, für den das Menschengeschlecht „in jene mit und jene ohne einen scharfen Säbel am Gürtelbund“ zerfiel, die Gefahr eines Aufstandes: „Sie leben von Gerstenbrei und Hafergrütze, während wir uns die Bäuche mit Dingen vollschlagen, die sie nie kennenlernen werden….Die Furcht hält sie im Zaum, nichts anderes. Es ist die Furcht vor einem halben Dutzend ebenso fetter, träger Herrschergeschlechter, die uns die Stange halten werden, weil sie genauso viele wertlose Habenichtse im Nacken sitzen haben, die sich alle ein Stück Brot erhoffen.“
Ewig aktuell an dem Historienroman ist, dass die Verquickung von machthungriger Politik und Religion Unheil über die Menschen bringt.
Macht, Intrigen und Rebellion spielen auch in Teil II, „Schieflagen im Kloster Marienstatt“ aus der Feder des Montabaurer Theologen und Naturwissenschaftlers Dr. Hermann Josef Roth, eines profunden Marienstatt-Experten, die Schlüsselrollen. Roth nimmt bei seiner Suche nach der Bedeutung von Zinken im Mönchschor den Leser auf eine Zeitreise mit, die in das 15. Jahrhundert zurückführt, als die Grafen von Sayn-Sayn auf Schloss Hachenburg regierten und „nun einmal die geistlichen Kurfürsten das letzte Wort haben.“
Die Zisterzienser im Kloster Marienstatt erwiesen sich als besonders papsttreu und widersetzten sich den Reformideen, die kirchliche Missstände beheben sollten: „Ja, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Und das schon sehr lange. Doctor Martinus in Wittenberg ist nur eines der Gewächse, die aus dem schlechten Samen sprossen, der vor Zeiten ausgestreut worden ist.“
Doch auch im Westerwald hörten die Bauern vom „Aufbegehren der rheingauischen Bauern und Winzer“, was sie biermutig zu einem Marsch nach Marienstatt veranlasste. Gefährlicher für das Kloster waren dagegen die Konflikte zwischen den Herrschern und dem Papst. Als sich durch dessen Suspendierung des Grafen Hermann zu Wied, Kurfürst und Erzbischof von Köln, die Grafschaft Wied zur Neuen Lehre bekannte, „wurde der Ring um Marienstatt immer enger“.
Graf Johann von Hachenburg stellte fest, „Zwei Verwaltungen für eine Grafschaft (Hachenburg und Freusburg) gehen ins Geld…Ihr beiden Jüngeren müsst also nach einträglichen Stellungen Ausschau halten. Und die findet man im geistlichen Stande: unkündbar und krisenfest.“ Doch nicht alle Söhne folgten den Wünschen des Familienoberhaupts.
Finanzschwäche und Heiratstaktik sowie Reformbereitschaft des Nachfolgers hatten konfessionelle Konsequenzen für die Bewohner der Region Hachenburg und Montabaur. Selbst im Kloster Marienstatt fanden „konspirative Treffen“ hinter dem Bienenhaus statt.
Chronischer Geldmangel weckte Begehrlichkeiten des Grafen von Sayn nach den Besitztümern der Zisterzienser in Marienstatt. Trotz verzögernder Taktik der Äbte stand schließlich die Abtei „gegen geltendes Recht unter der Gewalt von Graf Adolf. Der Konvent war ihm untertan.“ Doch der standhafte Pater Petrus kam im Kerker der Hachenburg zu Tode…
Das Buch ist im Gardez! Verlag Michael Itschert erschienen, ISBN 978-3-89796-271-2. htv
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