Ein aufregendes Konzert – nicht nur für Barockfreunde
Eine Probe mit Jens Schawaller ist ein Erlebnis: Unablässig feuert der Dekanatskantor die Vokalisten der Montabaurer Kantorei an; gestikuliert, singt mit, macht Dampf. „Das ist gut so! Bleibt wach! Ich möchte, dass es knistert!“, ruft er dem Chor zu. Die Sängerinnen und Sänger lassen sich das nicht zweimal sagen: Obwohl es schon nach 21 Uhr ist, segeln sie frisch und souverän durch Bachs stürmische Choralbearbeitung von Luthers „Ein feste Burg“.
Westerwaldkreis. Jens Schawaller ist zufrieden: „Jetzt swingt’s“, sagt er und lächelt. Er spürt: Die Kantorei ist für das Großkonzert des Dekanats Selters am 24. September um 17 Uhr in Montabaur gut gerüstet.
Es ist das dritte Musikereignis dieser Art, das Jens Schawaller und seine Mitstreiter auf die Beine stellen. Und dieses Mal steht der Abend in der Evangelischen Lutherkirche Montabaur – natürlich! – im Zeichen der Reformation. „Ein feste Burg ist unser Gott“ (BWV 80) ist das Herzstück des Konzerts – ein virtuoses Stück Musik, das als Meisterwerk innerhalb der Bachschen Choralbearbeitungen gilt. Und das den Sängerinnen und Sängern einiges abverlangt: Flirrende Ketten aus Achtelnoten, waghalsige Melodiesprünge, ein flottes Tempo. „Die Stimmen laufen verrückt gegeneinander. Die Sänger müssen also nicht nur ihre eigenen Passagen beherrschen, sondern auch auf die anderen hören, um die Orientierung zu behalten – und das ist ziemlich schwierig“, erklärt Schawaller. Aber die Mühe lohnt sich, glaubt er: „Das Stück ist ein Riesen-Ding innerhalb des Bachschen Kantatenschaffens und hat einen extrovertierten, prächtigen Charakter.“
Ein anderes Bach-Werk des Abends, „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“, ist so etwas wie die inhaltliche Weiterführung des Reformations-Superhits, obwohl es einen ganz anderen Duktus hat. „Es klingt introvertierter, fragender, intimer. Ein beeindruckender Kontrast zu ,Ein feste Burg’“, sagt Schawaller.
Schließlich widmen sich die Musiker einem weiteren großen Komponisten des Barock: Georg Philipp Telemann, dessen 250. Todestag wir in diesem Jahr gedenken. Das Besondere: Dessen Ouvertüre B-Dur (ohne Opuszahl) für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Basso Continuo ist bislang noch nicht verlegt worden. „Telemann hat enorm viel geschrieben, von dem ein großer Teil noch nicht in den Verlagen gelandet, sondern noch in seiner ursprünglichen Form in Bibliotheken archiviert ist“, erläutert der Dekanatskantor. Die Musiker spielen es daher von Faksimiles des (schwer lesbaren) Originalmanuskripts ab.
Apropos Musiker: Auch dieses Mal wird die Montabaurer Kantorei wieder von handverlesenen Könnern verstärkt. Das Frankfurter Barockensemble Il Quadro Animato interpretiert die barocken Werke auf historischen Instrumenten, und die Vokalsolisten Hannah Gries (Sopran), Franziska Ernst (Alt), Daniel Jeremy Tilch (Tenor) und Johannes Schwarz (Bass) sind ebenfalls Experten für Alte Musik. „Barocker Gesang und die Instrumente jener Zeit klingen für unsere Ohren anders“, sagt Jens Schawaller. „Sie wirken strahlender, farbenfroher und verleihen der Musik einen spritzigen, aufregenden Klang.“
Aufregend – vielleicht fasst dieses Adjektiv das Konzert am besten zusammen: die anspruchsvollen Proben, den ungewohnten Sound, das kontrast- und facettenreiche Programm. Langweilig wird das dritte Großkonzert am 24. September also sicher nicht – weder für die Musiker noch für die Zuhörer. (bon)
Karten gibt es für 15 Euro (ermäßigt: 10 Euro) bei Dekanatskantor Jens Schawaller: 02602/994810 und bei Monika Schlößer: 02602/8814.
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