Dutzende Kinder lernten Luther als echten Typen kennen
Nein – ein Heiliger war Martin Luther bestimmt nicht. Eher ein Typ mit Ecken und vielen Kanten. Der zweite Kinderkirchentag des Dekanats Selters hat sich deshalb auf Spurensuchen nach dem Menschen Luther gemacht, und mehr als 60 Jungs und Mädchen sind in Roßbach in die Zeit und das Leben des Reformators eingetaucht – derbe Sprüche, süße Versuchungen und jede Menge Spaß inklusive.
Roßbach. Dass dieser Luther uns heute noch interessiert, hängt sicher mit einem Gewitter bei Erfurt zusammen. Mit einem Theaterstück zeigt das 20-köpfige Kinderkirchentags-Team, wie sehr dieses Unwetter den Lauf der Geschichte veränderte: Mitten im Donnerwetter legt Luther ein Gelübde ab, wird Mönch – und verändert die Welt. Seine Erkenntnis eines gnädigen Gottes, dessen Güte sich nicht durch Ablassbriefe erkaufen lässt, ist damals für viele revolutionär.
Der Kinderkirchentag gibt Einblicke in Luthers Wirken. Natürlich nicht mit staubtrockenen Vorträgen, sondern pfiffigen Workshops. Einer widmet sich natürlich dem legendären Thesenanschlag des Jahres 1517, den die Kinder 500 Jahre später nachstellen. In Roßbach bringen sie ihre eigenen Thesen zu Papier und nageln die Zettel an eine alte Holztür. Die Sätze, die dort stehen, sind zeitlos: „Gottes Liebe ist nicht käuflich, sondern ein Geschenk“ hätte sicher auch Luther aus dem Herzen gesprochen. Ein Herz basteln die jungen Gäste anschließend übrigens auch noch und verzieren es mit bunten Schnüren – oder mit Metalldraht. So wie Jakob, der mit seinem glänzenden Herzbrettchen insgeheim noch etwas vorhat: „Das würde ich gerne mal unter Strom setzen“, sagt er grinsend.
Auch Johannes Gutenberg hätte sich über etwas Elektrizität gefreut. Denn dass der klassische Buchdruck mit Lettern und Pressen eine schöne, aber ausgesprochen anstrengende Angelegenheit ist, erleben die Teilnehmer des zweiten Workshops: Dort schaffen sie mit einer alten Presse und Holzlettern aus dem Mainzer Gutenberg-Museum ganz persönliche Kunstwerke und erfahren zudem Wissenswertes zur Übersetzung der Lutherbibel. Nebenbei lernen sie wichtige Luthersprüche kennen. Seine rustikale Weisheit, dass aus einem traurigen Allerwertesten kein fröhliches Lüftchen entweicht, werden sie zur Freude der Eltern sicher noch oft zitieren.
Handarbeit ist auch in Workshop Nummer drei angesagt: In ihm basteln die jungen Tüftler mit Akkuschraubern, Ästen und Joghurtdosen Musikinstrumente. Ganz konzentriert hämmern sie Nägelchen in Röhren oder schnüren Kronkorken an Fäden auf. Am Ende entstehen daraus ziemlich gut klingelnde Perkussionsinstrumente: „Wenn man den langsam umdreht, klingt das wie Regen“, sagt Bud und hält seinen selbstgebastelten Rainmaker stolz in den Händen.
Auch der vierte Workshop ist ein Fest für die Sinne. Die Kinder lernen den Alltag der Familie Luther kennen. Auch den von dessen Gattin Katharina von Bora. Sie musste fast täglich Dutzende Leute bekochen, erzählt Pfarrerin Heike Meissner und begibt sich mit Kindern und Mitarbeitern anschließend selbst an den Ofen, um leckere Plätzchen in Lutherrosen- und Herzchenform zu backen. Das hat offenbar so gut geklappt, dass die kleinen Schleckermäuler sie gleich selbst essen. „Die sind eben genau richtig: süß, aber nicht zu süß“, lobt Naschkatze Anna das Gebäck.
Jeder kann eben irgendetwas – und jeder ist etwas ganz Besonderes. Das haben auch die Teilnehmer des letzten Workshops mit Angelika Schepp und ihrem Team erfahren. Mit kurzen Anspielen und Pantomimen entdecken die Jungs und Mädchen, was in ihnen steckt – aber auch wie schwierig die Zeit im Kloster für Martin Luther war.
Nach so viel Kreativität und Handarbeit gibt’s für die Jungs und Mädchen am Mittag herzhafte Pizza. Danach haben sie ausgiebig Zeit, sich auf dem großen Spieleparcours auszutoben, bevor der Abschlussgottesdienst in der Roßbacher Kirche beginnt. In ihm stellen die Kinder all das vor, was sie in den Workshops gebastelt, eingeübt und gelernt haben: Mit den selbstgebastelten Instrumenten begleiten sie die Lieder; erklären, warum es Gottes Liebe gratis gibt; zeigen ihre Drucke und den kargen Rest der selbstgebackenen Plätzchen. Und sie erzählen, dass Luther vor lauter Freude über Gottes Liebe die Treppe heruntergehüpft ist.
Am Ende nehmen die Kinder viel von Martin Luther mit nach Hause – nicht nur ihre selbst gestalteten Kunst- und Bastelarbeiten. Sondern auch das Wissen, das er kein Heiliger auf einem Sockel ist. Sondern ein Typ mit einem spannenden Leben, das beileibe nicht immer geradeaus verlaufen ist. (bon)
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