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Nachricht vom 01.10.2017    

Podiumsdiskussion zwischen Kirchenpräsident und Bischof

500 Jahre Reformation, 70 Jahre Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, und seit rund einem Jahr ist Dr. Georg Bätzing Bischof des Bistums Limburg. Eigentlich könnten Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und Georg Bätzing gemeinsam einen erfolgreichen Herbst 2017 feiern. Aber die beiden höchsten Vertreter der Kirche in der Region bleiben sachlich. Sie wissen, dass sich die Gesellschaft grundlegend verändert.

Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard (blauer Anzug), Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (mittlerer Stuhl) und den Limburger Bischof Georg Bätzing. Fotos: Peter Bongard

Montabaur. Dass die Kirchen Mitglieder verlieren. Dass sich viele fragen, welche gesellschaftliche Relevanz Kirche heute noch hat. Und dass Christen immer noch nicht gemeinsam das Abendmahl feiern. Bei der Podiumsdiskussion in Montabaur sprechen sie nicht nur über das, was gelingt. Sondern auch über diejenigen Dinge, die noch immer nicht rund laufen. Die Besucher in der voll besetzten Stadthalle erleben ein offenes, selbstkritisches Gespräch – und einige handfeste Überraschungen.

2017 ist ein eigenartiges Jahr. Auf der einen Seite: Das große Reformationsjubiläum mit seinen rund 10.000 zusätzlichen Veranstaltungen in den evangelischen Kirchengemeinden und neuem Schwung für die Ökumene. Auf der anderen: Eine Gesellschaft, die immer mehr nach rechts driftet. Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard möchte gleich zu Beginn wissen, wie die Kirchen mit dieser Spannung aus frischen Impulsen und alten Ressentiments umgehen – und mit Christen, die sich offen zur AFD bekennen. „Kirche ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Deshalb wundert es mich nicht, dass auch bei uns Menschen rechte Parteien wählen“, sagt Volker Jung. Zwar sei es nicht hilfreich, solche Männer und Frauen als Rechtsradikale abzustempeln: „Aber ich kann die inhaltlichen Aussagen einer solchen Partei beim besten Willen nicht mit meinen moralischen Vorstellungen vereinbaren. Für mich gilt als Grundsatz die Frage des Theologen Martin Niemöllers: Was würde Jesus dazu sagen?“

Auch Bischof Bätzing weiß, dass viele Katholiken die AFD wählen und nennt die Quoten „erschreckend“. Einschüchtern lässt er sich davon aber nicht: „Wenn ich mich für Flüchtlinge einsetze, bekomme ich aggressive Mails. Trotzdem werde ich mich auch weiterhin laut und deutlich gegen Rassismus stark machen und klare Kante zeigen.“

Streitbar, fromm, politisch. Diese protestantischen Grundsätze finden offenbar auch die Katholiken sympathisch. Überhaupt ist das Zusammentreffen von einer großen gegenseitigen Wertschätzung geprägt: Jung verrät, dass er die katholischen Gottesdienste sehr mag und sich gerne in deren Liturgie und die beeindruckende Inszenierung fallen lässt. Bätzing schwärmt wiederum von der protestantischen Diskussionskultur.

Also alles gut? Nicht ganz. Denn so viel Anerkennung sich der Kirchenpräsident und der Bischof in Montabaur auch entgegenbringen: Es gibt nach wie vor Trennendes zwischen den beiden großen Kirchen. Zum Beispiel in moralischen Fragen, etwa dem Thema Homosexualität. Der Bischof erklärt das Dilemma der katholischen Kirche: „Wir dürfen diese Menschen weder abstempeln noch ausschließen. Sie sollen ihren Platz in der Kirche haben, und wir müssen ihnen Möglichkeiten geben, an ihr teilzunehmen. Aber wir sind in einer hilflosen Situation. Denn für uns ist die Ehe zwischen Mann und Frau ein Sakrament.“ Und deswegen, sagt Bätzing, kann die Kirche auch keine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare anbieten. „Zumal es keine Entscheidung ist, die auf regionaler Ebene getroffen werden kann. Denn wir befinden uns in einer Weltkirche.“

Die Protestanten gehen indes freier mit dem Thema um – auch wenn Volker Jung Verständnis für die Zwickmühle der Katholiken hat: „Wir tun uns mit diesem Thema leichter, weil es bei uns das Sakrament der Ehe nicht gibt. Ich habe aber großes Verständnis dafür, wenn man mit diesem Thema theologisch ringt.“

Gerungen wird auch um das gemeinsame Abendmahl. In Montabaur sprechen Jung, Bätzing, Meinhard Schmidt-Degenhard und die Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum oft und lange darüber. Und leidenschaftlich. Denn die Kluft zwischen evangelischem und katholischem Abendmahlsverständnis ist für viele immer noch unüberwindbar groß. Umso überraschender ist da diese eine Aussage des Bischofs: „Wer ganz zur Kirche gehört, hat das Recht, zur Eucharistiefeier zu gehen. Ich habe niemanden ein- oder auszuladen. Wer seinem Gewissen folgt, dem habe ich das Abendmahl nicht zu verwehren.“ Ein Raunen geht durch den Saal. Für viele in der Stadthalle klingt das wie ein klares Bekenntnis zu einem gemeinsamen Abendmahl, zumal der Bischof schon vorher betont, wie sehr ihm die Einheit der Christen am Herzen liegt: „Es war Jesu sehnsuchtsvolles Gebet, dass wir vereint sind. Und wir haben’s versaut. Aber ich hoffe, dass ich das gemeinsame Abendmahl noch erlebe. Das wäre wunderbar.“ Allerdings relativiert er die Aussage später etwas, indem er sich gegen Alleingänge der Pfarrer ausspricht: Das verbiete die Verantwortung und der Gehorsam gegenüber der Kirche, sagt der Bischof.



Volker Jung teilt Bätzings Wunsch nach dem gemeinsamen Abendmahl. „Es schmerzt, wenn man daran nicht teilnehmen darf. Aber es ist unangebracht, übergriffig zu werden und es als Protestant von einem katholischen Pfarrer einzufordern. So etwas ist respektlos.“

Bei allen Unterschieden: Jung und Bätzing sprechen in Montabaur dieselbe Sprache. Und sie wissen, dass das Reformationsjubiläum nicht nur der evangelischen Kirche guttut. „Ich erlebe ein Neu-Entdecken Gottes, nicht die ,letzte Party des Protestantismus’, wie manche die Feierlichkeiten nennen. Und ich erlebe eine neue ökumenische Offenheit, an der wir auch künftig von Herzen festhalten müssen.“ Für Bischof Bätzing ist der neue, wertschätzende Umgang zwischen den Konfessionen gar ein Geschenk des Himmels: „Während des Jubiläumsjahres gab es keine polemischen Stimmen gegen die Ökumene. Das ist doch ein Wunder; da ist doch Gott am Werk!“

Nun hoffen beide, dass das Reformationsjahr nicht mit einem Ausrufezeichen, sondern einem Doppelpunkt endet – und dass das Motto „Gott neu entdecken“ jeden einzelnen Menschen zum Nachdenken bringt. Auch wenn dabei alte Glaubensbilder über Bord gehen. „Sind wir überhaupt noch nah an den Menschen?“, frag ein Mann aus dem Publikum am Ende – und stellt damit die vielleicht wichtigste Frage für eine Kirche in einer unruhigen Zeit. Eine letztgültige Antwort darauf liefert die Veranstaltung in Montabaur nicht. Das kann sie auch gar nicht. Aber sie macht Hoffnung, dass die Kirchen – bei allen Unterschieden – wieder mutig zu ihrem Kerngeschäft stehen: zur Verkündigung des Glaubens. „Wozu braucht dieses Land die Kirche? Ich finde diese Frage seltsam. Denn sie unterstellt, dass wir als Kirche der Gesellschaft diktieren, wo es langzugehen hat. Das ist nicht unsere Aufgabe“, sagt Volker Jung. „Wir leben unseren und sprechen über unseren Glauben. Das ist unser Beitrag zum Diskurs in unserem Staat.“ Bischof Bätzing ist mit Volker Jung einer Meinung und davon überzeugt, dass Kirche auch 500 Jahre nach der Reformation gesellschaftlich relevant ist: „Wir Christen können Überzeugungsarbeit leisten, Werte bilden und so mit unserem Glauben den Staat prägen.“ (bon)

Die Podiumsdiskussion zwischen Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, und dem Limburger Bischof Georg Bätzing wurde veranstaltet vom Evangelischen Dekanat Selters und dem Katholischen Bezirk Westerwald, der Evangelischen Erwachsenenbildung im Dekanat Selters und der Katholischen Erwachsenenbildung Westerwald-Rhein-Lahn, der Evangelischen Kirchengemeinde Montabaur und der Katholischen Pfarrei St. Peter Montabaur-Stelzenbachgemeinden. Für den musikalischen Rahmen sorgte das Ensemble Trio-Flex unter Leitung des Dekanatskantors Jens Schawaller.


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