Ausnahmezustand im Stöffel: 300 Trucks
Vor lauter Trucks ist der Stöffel-Park ganz klein geworden, regelrecht geschrumpft. Denn zweieinhalb Tage beherrschen hier Lack, Chrom, Glas, Reifen und ab und an dröhnende Hupen das Gelände. Die Brechergebäude muss man hinter den hoch aufragenden Zugmaschinen regelrecht suchen. Samstagabend geht es partymäßig noch hoch her.
Enspel. An die 300 LKW sind da, die Fahrer, zum Teil ihre Familien und natürlich viele, viele interessierte Besucher. Ganz nebenbei kann man auch einige Stars hier treffen. Freitagabend sind schon Besucher eigens gekommen, um die Anfahrt zu beobachten und das Leuchten der Truckeraugen im Dunkeln zu bewundern. Durchmischt zeigt sich das Wetter am Samstag, was ein Teilnehmer gar nicht bedauert: „Besser, als wenn es staubt“, meint der Fahrer. Letztes Jahr war René Schmidt als Gast hier, jetzt ist er Teilnehmer. Für ihn ist Truck-Fahren „mehr als ein Beruf“. Er gehört dem Trucker-Club Brombachsee e.V. an. Landesweit nehmen sie an Treffen teil. Und seine Lebenspartnerin Wenke Baumann zieht mit. Sie kommt mit der Wochenendbeziehung klar - seit 2003.
Nur wenige auserwählte Trucks dürfen mit Hänger vorfahren, aus Platzgründen. Einige sind mit grandiosen Bildern versehen. So bringt man Kunst auf die Straße. Tommy ist mit dem Pitztal-Motiv-Truck unterwegs, seinem „Lieblingsspielzeug“. Das Fahren ist seine Leidenschaft. Eines aber wünschte er sich: Mehr Verständnis seitens der Autofahrer. „Mehrfach täglich gibt es da Probleme“, sagt der sympathische Trucker. Im Stau etwa, wenn die Autos am Seitenstreifen entlangbrausen wollen, obwohl der Platz zum Bilden der Rettungsgasse vorgesehen ist. „In Österreich klappt das immer, aber nicht in Deutschland.“ Diese „arroganten Ich-Menschen“ nerven ihn, die immer erster sein wollen.
Beim Treffen geht es nicht um die Selbstdarstellung – eher lässt man(n) den Truck für sich sprechen. Die Fahrer bleiben eher im Hintergrund, suchen sich oft ein kleineres Umfeld mit Vertrauten und genießen die Gesamtstimmung.
Die Beziehung des Truckerfahrers zu seiner Chromkutsche ist eine sehr private Angelegenheit. Und wem es gelingt, einen Blick ins Interieur zu werden, der kann ganz individuelle Einrichtungsstile bewundern. Dänischen und holländischen Stil gibt es unter anderem – und einige Inneneinrichtungsgegenstände sehen nach 1970er Jahre aus. Kleine Wandlämpchen mit Troddeln beispielsweise. Wer stundenlang auf Asphalt guckt, scheint etwas Gemütlichkeit und Privatsphäre besonders zu schätzen. So sind Anbieter für Reifen, Hupen, Lämpchen, Kühlergrillverzierungen, guten Sitzkomfort et cetera auch vor Ort.
Und Stars gibt es zu bewundern. Bei der Spedition Höhner ist „Trucker Babe“ Katrin Oschmann, Tinka genannt, zu treffen. Sie ist das Küken der Sendung, die auf Kabel eins zu sehen ist. Katrin, seit zwei Jahren LKW-Fahrerin, hat ihren Traumjob gefunden. Als Kosmetikerin wollte sie nicht länger arbeiten, war auch nicht so gewinnbringend. Dank ihres Bruders – und anderer männlicher Vorbilder aus der Familie – fand sie den Weg zum Brummi. „Von Autos und Technik war ich schon immer begeistert“, berichtet die muntere, natürliche junge Frau, die vom VW Polo im Schnellkurs gleich auf einen LKW umstieg. „Vom Lenken her fährt er sich wie ein Auto“, versichert sie. Die Produktionsfirma wurde auf sie per Facebook aufmerksam. Beim gemütlichen Plaudern auf dem Gelände des Stöffel-Parks kommt plötzlich eine energiegeladene Frau mit blonder Punkfrisur ins Sichtfeld. Begeistert stürmt Katrin Oschmann auf sie zu: Es ist Jana – die Chaos-Queen der „Trucker Babes“. Sie haben sich zuvor noch nicht „livehaftig“ kennengelernt.
An einem Reifenstand heißt es „Beat the Champ“. Chris Marks und Teammitglied Marlin, Weltmeister in diesem Sport, sind vor Ort, um sich den Gegnern zu stellen. Freundlich und gut gelaunt spielen sie mit jedem Herausforderer – gegen sie zu verlieren, kann wohl jeder verkraften. Spiellisten werden geführt, denn es gibt interessante Preise zu gewinnen.
Geduldig und freundlich steht Lina Van de Mars bei dem Stand eines Reifenhauses bereit, um Autogramme zu geben. Sie hat Fans auch unter den LKW-Fahrern, vermutlich weil sie nicht nur hübsch ist, sondern einiges drauf hat. Bei Facebook sind respektvolle Grüße voller Zuneigung an sie zu lesen. Lina schraubt gerne, ist Motorsportlerin und als Moderatorin auf allen möglichen (TV-) Kanälen unterwegs. Außerdem macht sie 1000 andere Sachen. „In Berlin gibt viele Motorradfahrerinnen, die sich in Klubs zusammenschießen“, erzählt sie. „Da passiert jetzt viel.“ Hier mischt sie natürlich auch mit. In einem weiteren Projekt will sie zwei Kawasakis mit Frauen aufbauen. Fahrzeuge und Technik begleiten sie von klein auf. „Als Kind habe ich Radkappen gesammelt.“ Zufälle, kein geradliniges Streben, führten sie zu ihrem heutigen Tun. Viel entwickelte sich durch Menschen, die sie auf dem Weg kennenlernte. Wer ihre Vita googelt, erfährt zudem, dass sie Kunst mag und sich im Tierschutz engagiert. Auch ihre Tattoos gehören zu ihrem Markenzeichen. Sie ist ein sympathischer Tausendsassa. Lina interessiert sich auch für das große, jährliche BMW GS-Treffen im Stöffel-Park – vielleicht gibt es eine Chance, sie wiederzusehen.
Trügt die „Idylle“ im Stöffel? Wie lange gibt es sie noch? Der Beruf des Lkw-Fahrers wird schon totgesagt, weil das autonome Fahren den Mensch überflüssig machen soll. Ich frage Vertreter von der SVG (Straßenverkehrsgenossenschaft Rheinland eG), die, so Jürgen Richter, Schulungen und Seminare für Berufskraftfahrer anbietet. Manfred Klaasen meint: „Das Berufsbild wird sich ändern.“ Aber auf den Menschen werde man nicht verzichten können. Gerade auf kurzen Strecken oder beim Anliefern gehe es nicht ohne Fahrer. Die technischen Neuerungen aber würden immer weiter zunehmen.
Auch am letzten Trucker-Treff-Tag strömen die Besucher nur so herbei. Richtig Spaß haben sie auch daran, dass der Eintritt in den Stöffel-Park an diesem Wochenende frei ist. Das Publikum ist bunt gemischt, viele Familien, aber auch vermehrt Herrengrüppchen – Vater und Sohn oder Opa und Enkel… Zwei Männer aus Frankfurt erzählen, dass sie LKW-Modelle sammeln (1:87 und 1:24 unter anderem) und bei den „echten Trucks“ Details in den Fokus nehmen wollen. Vom Event erfuhren sie über Flyer auf einer Modellbaubörse. In „dieser Richtung“ (Richtung Westerwald) seien sie sonst nicht unterwegs.
Der Stöffelverein als Veranstalter hat alle Hände voll zu tun. Ansprechpartner sind der Vorsitzende Dieter Wisser und Philipp Wisser, der bereits monatelang mit den Anmeldungen beschäftigt war. Wolfgang Knauer und Thorsten Dillenberger, Trucker mit Leib und Seele, engagieren sich sehr für die Großveranstaltung. Trucks beispielsweise aus Flensburg, Cochem, Paderborn, Köln, dem Ruhrgebiet, der Eifel, den Niederlanden, Österreich und dem Westerwald nehmen teil. Es gab viel mehr Interessenten als der Förderverein des Stöffel-Parks zusagen konnte. Einige Besucher visieren daher schon mal die Anmeldung für 2018 an!
(Tatjana Steindorf)
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