Mit Kleinwagen begann das Wirtschaftswunder
Ideenreichtum und Ingenieurskunst führten zur Motorisierung der Nachkriegsjahre. Fahrzeugbau mit zwei, drei und vier Rädern entwickelte sich zur bedeutendsten Autohersteller-Nation. Ein Blick zurück rief im Landschaftsmuseum Erinnerungen wach. „Kleinwagen Wunderzeit“ – eine Sonderausstellung wird bis zum 26. August gezeigt.
Hachenburg. Die Gründerväter des Landschaftsmuseums in Hachenburg hatten stets ein Ziel vor Augen: Das Landschaftsmuseum soll keine antike Raritätenschau, sondern eine lebendige Bildungsstätte werden. Dieser Aufgabe sind die Verantwortlichen in all den Jahren stets gerecht geworden. Wissenschaftliches Arbeiten, lebendige Vortragsreihen und wechselweise Sonderausstellungen haben Magnetwirkungen bei den Besuchergruppen aller Altersklassen. So ist auch die jüngste Sonderausstellung „Kleinwagen Wunderzeit“ zu verstehen, die in einer eindrucksvollen Schau bis zum 26. August zu bewundern ist und dabei Erinnerungen an die Motorisierung der Nachkriegszeit erinnert.
Landrat Achim Schwickert hieß alle Ehrengäste willkommen, besonders den Vorsitzenden des Förderkreises Tony Alt und nicht zuletzt Helga Gerhardus. Schwickert freute sich über das Interesse der Öffentlichkeit und wünschte sich für die kommenden Monate ein reges Publikumsinteresse an dieser Ausstellung. Ein Blick zurück in die Zeit der Motorisierung folgte und er war erfreut feststellen zu können, dass Dr. Moritz Jungbluth viel Unterstützung erfuhr, um diese Ausstellung zu ermöglichen. Landrat Schwickert zeigte ein anschauliches Bild der Nachkriegsmotorisierung und erinnerte an die Anfänge, als die Deutschen ihre Liebe zum Reisen entdeckten. Diese Ausstellung in neuen Räumen solle nicht als Eröffnungsfeier verstanden werden, sondern als Start in ein erweitertes Landschaftsmuseum.
Museumsleiter Dr. Manfrid Ehrenwerth rief in Erinnerung, wie diese baulichen Vorhaben realisiert werden konnten. „Die Not hat nun ein Ende!“, fasste er zusammen. Viele Pläne, Sitzungen und Beratungen waren erforderlich, bis die vor 15 Jahren gegebenen Versprechen des verstorbenen Landrats Weinert dann endlich umgesetzt werden konnten. „Wenn das Keramik-Museum in Höhr-Grenzhausen fertig ist, dann seid ihr in Hachenburg dran……“, vertröstete er stets die Hachenburger Museumsleitung. 2008 wurde dann endlich ein Raumbedarfsplan erstellt. Von den ursprünglich geplanten drei bis fünf Millionen Euro Kosten blieb dann eine Sparversion übrig, bei der 2011 eine Million Euro nicht überschritten werden sollte. 2016 gab es dann „grünes Licht“ und das Ergebnis dieses Ausstellungsraumes war überzeugend. „Wir sind das Museum, das sagt, woher wir kommen!“, führte Dr. Ehrenwerth weiter aus und verwies auf die angestrebte zielgerechte Museumspädagogik, mit der man sich auf Augenhöhe in Hachenburg gleichstellen könne mit dem Keramik-Museum in Höhr-Grenzhausen. Diese erste Ausstellung in den neuen Räumen sei möglich geworden, weil viele Unterstützer ihre Leihgaben zur Verfügung gestellt haben. Ein großes Lob galt seinem Mitarbeiter Dr. Jungbluth.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter skizzierte Dr. Moritz Jungbluth ein Bild von der Idee bis zur Umsetzung für diese Sonderausstellung. Mit viel Liebe zum Detail und über umfassende Kenntnisse verfügend, wurden nicht nur die Exponate und Leihgaben für diese Sonderausstellung zusammengetragen, sondern es ist auch gelungen, das Gefühl der damaligen Zeit lebendig werden zu lassen. „Das Laufrad war der Anfang von allem“, erläuterte er die Entwicklung der Fahrzeuge. Als Kenner der Materie erinnerte er an die einzelnen Epochen der verschiedenen Entwicklungen von Fortbewegungsfahrzeugen. Dabei vergaß er auch nicht an die behördlichen Anordnungen in den jeweiligen Zeiträumen zu erinnern.
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Für die älteren Besucher wird es eine Reise in die Vergangenheit werden und die Jüngeren und Kinder werden sich die Augen reiben und ungläubig dreinschauen, dass dieses alles Wirklichkeit gewesen sein sollte. Da sind nicht nur Tankstellen und Reparaturwerkstätten im Original aufgebaut, sondern auch jede Art von Utensilien aus den damaligen Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätten zu sehen. Originale Kleinwagen, liebevoll gepflegt, stehen neben einer echten Seifenkiste aus dieser Zeit, mit der sogar auch im Westerwald Rennen gefahren wurden. Nicht zu übersehen eine Fülle von Prospekten und Sachbüchern mit Reparaturanleitungen für die Fahrzeuge, an denen man auch selbst tätig werden konnte.
Die Entwicklungen der Nachkriegsjahre, als der Bau von Autos in Deutschland sogar verboten war, sorgten für den Wunsch nach mehr Mobilität. Arbeitsplätze im Siegerland und anderswo konnten ohne Motorräder gar nicht erreicht werden, weil es kein öffentliches Nahverkehrssystem gab.
Dann folgte in den Fünfzigern das große Motorradsterben und die Zeit der Kleinwagen war gekommen. Ganz egal wie diese Vehikel aussahen, die Hauptsache: ein Dach über dem Kopf. Ein weiteres Handicap: „Wer besaß schon einen Führerschein Klasse 3, der das Autofahren erlaubte?“ Somit begnügten sich viele Menschen der damaligen Zeit mit Fahrzeugen bis zu 250 Kubikzentimeter, weil mit dem Motorradführerschein auch ein Goggomobil oder ein Messerschmitt Kabinenroller gefahren werden durfte. Der Ideenreichtum der damaligen Ingenieure kannte keine Grenzen und führte dazu, dass kuriose Vehikel auf die Straße gelangten. Heute sind bei Oldtimer-Liebhabern diese Raritäten beliebt und werden – so wie in dieser Sonderausstellung zu bewundern – gut gepflegt der Nachwelt erhalten.
Die Ausstellung in der erst vor vier Wochen fertiggestellten Halle wäre aber nicht so eindrucksvoll in dem Gedächtnis der begeisterten Besucher haften geblieben, wenn nicht ein virtuoser Akkordeon-Spieler seinen musikalischen Beitrag dazu geleistet hätte. Walter Siefert sorgte nicht nur für einen musikalischen Rahmen, sondern er verstand es wie kein zweiter, die in den Fachvorträgen erläuterten Epochen der Herstellerjahre der ausgestellten Kleinwagen auch mit seinem entsprechenden Repertoire musikalisch einzubinden. „Der dritte Mann“, ein Klassiker der Filmmusik wurde sofort in Verbindung gebracht mit den passenden Kleinwagen aus dieser Zeit. Schlager der Vergangenheit animierten zum nostalgischen Schwärmen. So manche Erinnerung wurde dabei im begeisterten Publikum wach und lockte ein Schmunzeln auf die Gesichter. Erst danach schauten sich die Gäste beim Rundgang durch die Ausstellung um, die alle Wünsche erfüllt. repa
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