Hachenburger Grundschüler weiter für Hausaufgaben
Im Mainzer Landtag debattierten die „Anti-Hausaufgaben“-Partei (AH) und die „Für die Hausaufgaben“-Partei (FDH), beide mit Sitz in Hachenburg. Das Ganze fand statt im Rahmen des Grundschul-Besuchsprogramms des rheinland-pfälzischen Landtages. Landtagspräsident Hendrik Hering betonte, dass man mit dem Verinnerlichen demokratischer Werte nicht früh genug beginnen könne.
Hachenburg/Mainz. „Ich freue mich am meisten auf den Plenarsaal, dort auf den Stühlen zu sitzen und zu diskutieren“, sagt der zehnjährige Julian. Gemeinsam mit seiner Klasse ist der Grundschüler gerade im Landtag angekommen. In der Lobby warten 27 Kinder neugierig und gespannt darauf, dass sie endlich hinein in den großen Plenarsaal dürfen. Gleich beginnt hier „ihre Landtagssitzung“, bei dem die Jungen und Mädchen der 4a und 4c der Grundschule am Schloss Hachenburg für einen Vormittag in die Rolle eines Abgeordneten schlüpfen dürfen. Die Schule wurde als eine von zehn landesweit ausgewählt, um am neuen Besuchsprogramm des Landtags für Grundschulen in Rheinland-Pfalz teilzunehmen. Von diesen Schulen sind insgesamt 20 Klassen in der Pilotphase des Projektes dabei, das von der Universität Gießen wissenschaftlich begleitet wird.
Bevor es so richtig losgehen kann, erklärt Andreas Jaeger, der beim Landtag das Projekt leitet und verantwortet, jedoch erst einmal die Spielregeln einer Plenarsitzung, an die sich schließlich nicht nur die Kinder, sondern auch die echten Abgeordneten halten müssen. Auch die Rechte und Pflichten des Landtagspräsidenten spielen dabei eine Rolle. „Ich wusste gar nicht, dass man als Präsident andere Politiker ermahnen kann“, staunt dabei etwa Benedykt nicht schlecht.
Eni wird „Ministerpräsidentin“
Endlich im Plenarsaal angekommen, geht es auch gleich mit den Wahlen für die wichtigsten Ämter los: Emilia wird Landtagspräsidentin, Benedykt ihr Schriftführer und als Ministerpräsidentin wählen die Kinder ihre Mitschülerin Eni. Doch das Wichtigste fehlt noch: Ein interessantes Thema zum Debattieren. Die Grundschüler entscheiden sich schließlich, einen Antrag zur Abschaffung von Hausaufgaben auf die Tagesordnung zu setzen. In zwei Fraktionen, der „Anti-Hausaufgaben“-Partei (AH) und der „Für die Hausaufgaben“-Partei (FDH), können die Kinder jetzt mit der Debatte loslegen.
Hoher Zeitdruck durch Hausaufgaben
Zunächst hat Colin von der „AH“-Fraktion das Wort: „Wir haben Ganztagsschule, kommen also erst nachmittags um 16:30 Uhr nach Hause. Selbst wenn wir dann gleich mit den Hausaufgaben loslegen, ist es oft so spät, dass wir nur noch zu Abend essen können und auch schon wieder ins Bett müssen“, beschwert sich der Zehnjährige. „Ministerpräsidentin“ Eni pflichtet bei, dass der Zeitdruck wirklich hoch sei. Problematisch sei außerdem die Bestrafung im Falle nicht erledigter Hausaufgaben. „Wer einmal die Hausaufgaben vergisst oder nicht geschafft hat - oft muss man sie ja bis zum nächsten Tag gemacht haben - bekommt gleich einen Strich und bei vier Strichen kriegt man schon eine 6“, sagt Eni.
Durch Hausaufgaben lernen
Nun hat Fenja von der „FDH“-Fraktion das Wort und erläutert, weshalb der Antrag abgelehnt werden sollte. „Hausaufgaben sind sehr wichtig. Wenn wir nur den Unterricht besuchen und daheim nichts mehr für die Schule machen, dann reicht das einfach nicht“, so die Fraktionsvorsitzende. Kinder lernten bei den Hausaufgaben schließlich noch etwas. Eine hitzige Debatte entbrennt, Argumente rund um das Für und Wider einer Abschaffung von Hausaufgaben werden ausgetauscht. Nach einer guten Dreiviertelstunde erklärt Landtagspräsidentin Emilia die Diskussion für beendet. Es ist an der Zeit für die entscheidende Abstimmung, die zu einem denkbar knappen Ergebnis führt: Elf Kinder stimmen für die Abschaffung der Hausaufgaben, zwölf dagegen, der Rest enthält sich. Mit einer denkbar knappen Mehrheit wird der Antrag somit abgelehnt, was bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler weiterhin ihre Aufgaben nach Schulschluss erledigen müssen – oder je nach Blickwinkel: dürfen.
Berufswunsch Politiker?
Klassenlehrerin Melanie Schneider zeigt sich am Ende der Veranstaltung begeistert vom großen Engagement der Viertklässler. Und auch Andreas Jaeger lobt die tolle und rege Beteiligung der Viertklässler: „Die meisten von euch sind jetzt zehn Jahre alt, was bedeutet, dass ihr in acht Jahren volljährig seid und somit auch Politiker werden könnt. Wer von euch kann sich das denn vorstellen?“ Offenbar sehr viele, denn fast alle Kinder heben ihre Hände. Dies sah vor dem Rollenspiel im Landtag noch ganz anders aus.
Landtagspräsident: Begeistert von der Begeisterung
„Mit unserem neuen Grundschul-Besuchsprogramm wollen wir bereits den Jüngsten ein Gespür für demokratische Regeln, Werte und Prozesse vermitteln“, sagt Landtagspräsident Hendrik Hering. Und dies nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch, indem die Grundschüler sich am „Originalschauplatz Landtag“ spielerisch in die Rolle von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern hineinversetzten. „Es ist dabei imponierend, mit welcher Leidenschaft und Begeisterung die Grundschüler sich dort ihrer Rolle annehmen“, ist Hendrik Hering begeistert. Und es sei beeindruckend, mit welcher Fairness sie diskutierten und auf welche Argumente, Ideen sowie Lösungsansätze sie kämen und dabei die unterschiedlichsten Aspekte berücksichtigten. Gespannt ist der Landtagspräsident, welche Ergebnisse am Ende die wissenschaftliche Evaluation aufweisen wird, die sich insbesondere mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss das Programm auf das politische Wissen und Verständnis von Grundschülern haben wird. Landtagspräsident Hendrik Hering betont: „Uns sollte immer bewusst sein: Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Zu allen Zeiten - und insbesondere in Zeiten wie diesen - müssen unsere demokratischen Werte verinnerlicht und jeden Tags aufs Neue verteidigt werden. Damit kann man nie früh genug anfangen“. (PM)
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