Klagewelle der Krankenkassen gegen Krankenhäuser gefährdet Versorgungslage
Zwei Beschlüsse könnten kleine Krankenhäuser in finanzielle Schieflage bringen.
Zum einen das Urteil des Bundessozialgerichts zur neu definierten Transportzeit bei Schlaganfallpatienten, zum anderen die Verkürzung der Verjährungsfristen im Pflegepersonalstärkungsgesetz. Thomas Schulz, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses in Dierdorf und Selters, möchte die Öffentlichkeit auf diese Entscheidungen und deren Folgen für Krankenhäuser aufmerksam machen.
Dierdorf/Selters. Die Verkürzung der Verjährungsfrist hatte zur Folge, dass die meisten Krankenkassen sämtliche strittigen Abrechnungsfälle, insbesondere aus den Jahren 2014 und 2015, bis zum 9. November bei Gericht geltend gemacht haben. Zusätzlich führte der Beschluss des Bundessozialgerichts zur geänderten Interpretation der Transportzeit zu der Fülle an Klagen. Da einzelne Krankenkassen der Auffassung sind, dass nun bei jeder Abrechnung einer Schlaganfallbehandlung die sogenannte Komplexpauschale rückwirkend bis 2014 zurückgefordert werden kann.
Das Evangelische Krankenhaus Dierdorf/Selters hält eine zertifizierte regionale Schlaganfalleinheit in Selters vor, in der jährlich mehr als 500 Schlaganfallpatienten behandelt werden. Das Haus arbeitet mit den Abteilungen Interventionelle Radiologie und Neurochirurgie des Stiftungsklinikums Mittelrhein in Koblenz zusammen. Eine reine Transportzeit von 30 Minuten wird bei erforderlichen Verlegungen eingehalten. Nach der Interpretation des Bundessozialgerichts ist nun in den genannten 30 Minuten nicht mehr nur die reine Fahrzeit, sondern auch die komplette Organisation der Verlegung enthalten. „Diese Interpretation ist jedoch praxisfern und auch nicht aus den seit Jahren geltenden Abrechnungsbestimmungen zu entnehmen“, berichtet Thomas Schulz. „Wie schnell beispielsweise das für die Verlegung erforderliche Transportmittel (zum Beispiel Rettungswagen) zur Verfügung gestellt werden kann, entzieht sich der Einflussnahme des Krankenhauses“. Der Geschäftsführer begrüßt es, dass nun seitens des Sozialministeriums ein Runder Tisch ins Leben gerufen wird, um die Situation für alle Beteiligten zu entschärfen. Schließlich könnten die Rückforderungen - insbesondere für kleinere Krankenhäuser - sonst existenzgefährdend sein.
„Unser Haus ist nicht in seiner Existenz gefährdet.“, betont Schulz. Durch gutes wirtschaftliches Handeln in den letzten Jahren sei das Haus voraussichtlich in der Lage, die Rückforderungen abzufangen. Jedoch stünde das Geld dann nicht mehr für andere geplante Projekte zur Verfügung. „Es muss wieder darum gehen, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung in unserem Einzugsgebiet in den Mittelpunkt aller Anstrengungen gestellt wird. Dazu gehört selbstverständlich auch eine adäquate Finanzierung der erbrachten Leistungen.“, stellt Schulz klar.
Das Team der Schlaganfalleinheit in Selters setzt sich aus rund 40 Ärzten, Pflegekräften, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, MTAs, MTRAs und einer Neuropsychologin zusammen. Pro Patient stellen im Schnitt vier Personen eine spezialisierte Schlaganfall-Versorgung sicher - tagtäglich und rund um die Uhr.
„Diese Vorhaltung von Fachkräften ist mit hohen Personalkosten verbunden. Wir wollen auch weiterhin die Schlaganfallbehandlung in dieser Qualität sicherstellen. Daher ist die Wiederherstellung der bisherigen Abrechnungsvoraussetzungen sowie eine Lösung für die nun eingeklagten Fälle unabdingbar“, so Schulz´ Appell. (PM)
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