Heritage im Kulturwerk: Die Rückkehr der Rocklegenden
Unter dem Projektnamen Heritage versammelten sich 2017 namhafte regionale Musiker, um das musikalische Erbe der im Jahr zuvor verstorbenen Helden zu interpretieren und auf die Bühne zu bringen. Jetzt haben sie nachgelegt: Im Wissener Kulturwerk spielten sie Tom Petty, Chuck Berry, Gregg Allman (Allman Brothers), Malcom Young (AC/DC), Chris Cornell (Soundgarden), Goldy McJohn (Steppenwolf), Ray Thomas (Moody Blues), Chester Bennington (Linkin‘ Park) und andere. Und das Kulturwerk bebte.
Wissen. Wie kommt eine bunt zusammengewürfelte musikalische Formation bloß auf den Gedanken, ihr Projekt Heritage zu nennen? Heritage kommt aus dem Englischen und heißt eigentlich Erbe oder Nachlass. Hier ging es einmal nicht um den schnöden Mammon, sondern um das musikalische Vermächtnis, welches begnadete Musikerinnen und Musiker, die in den Jahren 2017 und 2018 verstorben sind, der Nachwelt hinterlassen haben. Alles, was im Bereich der Rockmusik im Westerwald und des Siegerlandes Rang und Namen hat, fand sich in diesem Projekt wieder: Lothar Jung, Bernd Gudernatsch, Dominik Weitershagen, Joi Dreisbach, Jojo Weber, Armin Lübcke, Tim Zimmermann, Nadine und Stefan Altmann, Sebastian Weide, Andreas Pfeiffer, Simone Bröhl und Steffi Preußer. Sie alle sind in der Region und darüber hinaus in verschiedenen Bands unterwegs: Pink Pulse, Jaxx, „@coustic“s, zion und „Juke & the Blue Joints“.
Für Fans handgemachter Musik
Auf der Bühne im Wissener Kulturwerk bot sich ein imposantes Bild: Gitarren, Percussion, Keyboard und sogar drei Schlagzeuge schufen den optischen Rahmen zu einem großartigen Abend. Im proppenvollen Kulturtempel von Wissen fand sich ein Publikum ein, wie es sich die Musiker nicht besser hätten wünschen kennen. Wohl kaum einer, der nicht einen Grauton in den Haaren hatte, lässig gekleidet oder „obercool“ in Jeans und Lederjacke, quer durch alle Gesellschaftsschichten, viele Kinder der 68er Revolution. Kurzum: Zeitzeugen, die mit den Legenden der Rockmusik groß geworden sind, die den Rock verehren, der noch ehrlich und „handmade“ entstanden ist, mit Gefühl und Herz, aber ohne Computer und Synthesizer. Es war also alles angerichtet, um den Ausflug „Back tot he roots“ zu genießen.
Ehe sie ihren Instrumenten den ersten Ton entlocken konnten, wurden die Musiker beim Betreten der Bühne mit jubelndem Beifall begrüßt. Die Moderation des Abends übernahm „Mastermind“ Bernd Gudernatsch, der das Publikum zu jedem Song der Legenden mit Facts und Stories einstimmte. Dem ganzen setzte die Video-Projektion von Thomas Klimisch die Krone auf, der in wochenlanger Vorbereitung die jeweiligen Songs mit Videosequenzen zu den jeweiligen Künstlern auf eine überdimensionierte Videoleinwand projizierte.
Gänsehaut und Kulturwerks-Beben
Und jetzt endlich befassen wir uns mit dem Ereignis, welches die Besucher von Anfang an in seinen Bann zog. Das Schöne an dieser Veranstaltung war die Tatsache, dass das Publikum die Songs andächtig in sich aufsog, genoss und träumte. Die ganze Anspannung und Freude über das Gebotene entlud sich jeweils nach Ende der Songs in einem wahren Jubelorkan. Als Intro und Warm up begann das Konzert im Gedenken an Gregg Allman mit „Jessica“ von den Allman Brothers. „Friday on my mind“ von den „Easy Beats“ ehrte das 2017 verstorbene Bandmitglied George Young, gefolgt von „Steppenwolf“ mit dem Monsterhit „Born to be wild“, womit Goldy McJohn in Erinnerung gerufen wurde. Frank Dostal, Mitglied der deutschen Band „Wonderland“, erlebte seine Wiederauferstehung mit dem Superhit „Moscow“. Chuck Berry, der Urvater des Gitarrenrocks und Erfinder des Rock ’n' Rolls, durfte natürlich nicht im Reigen der Großen fehlen. An ihn haben sich fast alle Bands, wie die Beatles und die Stones, orientiert, als sie ihre Karrieren begannen. Eine sagenhafte Version von „Johnny B. Goode“, meisterhaft vorgetragen von Heritage brachte das Kulturwerk zum Beben, einige ließen die Etikette fallen, was aber nicht weiter auffiel, weil sich das ganze alte Weißblechwerk bzw. dessen vormalige Werkstatthalle im Feiermodus befand. Als nächster Star kam Chris Cornell zum Zuge, der Welthit seiner Gruppe „Soundgarden“, „Black Hole Sun“, wurde von Jojo Weber gänsehauterzeugend interpretiert.
John Wetton hatte eine musikalische Rundreise mit mehreren weltberühmten Bands hinter sich gebracht, so spielte er bei Asia, King Crimson, Uriah Heep und Roxy Music. Mit „Virginia Plain“ und „Heat of the moment“ wurde das ihm gebührende musikalische Denkmal gesetzt. Zum Tode von Dolores O’Riordan, der Frontfrau von den „Cranberries“, betrat Steffi Preußer die Bühne, berührte und verzauberte das Publikum mit „Zombie“, dem Antikriegslied zum Nordirlandkrieg. Es gab wohl keine im weiten Saal, der nicht vom Stimmvolumen der Sängerin fasziniert war. Bei einem Rockkonzert dürfen selbstverständlich nicht „Motörhead“ fehlen. Nach dem Tod von Lemmy Kilmister verstarb 2017 auch „Fast“ Eddie Clarke. Ihnen zu Ehren rockten Heritage den Knaller „Hellraiser“, der Jojo Weber bis an die Grenze seiner Stimme brachte. Die wohlverdiente Pause gönnten die Besucher Heritage von Herzen, denn die verausgabten sich im wahrsten Sinne des Wortes bei jedem Song.
Drei Konzertstunden wirkten nach
Nach der Pause schlug Heritage zunächst romantische, besinnliche Töne an. Wer kennt ihn nicht, einen der größten Schmusesongs aus den 60ern: „Nights in white satin“ von den Moody Blues. Bei diesem Song, göttlich begleitet von Simone Bröhl auf ihrer Querflöte, bekamen viele im Publikum feuchte Augen. Wohl dem, der 1967 tolerante Eltern, einen Schallplattenspieler und eine sturmfreie Bude hatte. Angeblich soll 1968 ja ein geburtenstarker Jahrgang gewesen sein. Doch zurück zur harten Realität, denn nun ließen Heritage Chester Bennington von „Linkin‘ Park“, Al Jarreau bei dessen „Morning“, Malcolm Young von „AC/DC“ mit „Hells Bells“ und „Highway to Hell“, Walter Becker von „Steely Dan“ und Tom Petty mit ihren Supersongs, die auch zu regelrechten Ohrwürmern mutierten, wieder auferstehen. Bei den Zugaben stand das Publikum, sang mit, tanzte, feierte nicht nur Heritage, sondern auch sich selbst ein bisschen. Als Bernd Gudernatsch am Ende, nach dreistündigem Konzert, die einzelnen Musikerinnen und Musiker vorstellte, sich überschwänglich bei den Technikern, die für Sound, LED-Video und Mix verantwortlich waren, bedankte, kannte der Jubel im Kulturwerk keine Grenzen. Diesen Genuss, den die Liebhaber der Genres Rock und Hard Rock erleben durften, wirkte lange nach. Der Saal leerte sich nur zögerlich, viele blieben noch zusammen stehen, schwelgten mit verklärtem Blick in der Vergangenheit und sogen die Atmosphäre regelrecht auf.
Heritage kommt nach Ransbach-Baumbach
Wer diesen ganz speziellen Gig versäumt hat, der hat am 19. Januar 2019 in Ransbach-Baumbach, in der dortigen Stadthalle, nochmals die Chance, sich Heritage einzuverleiben. (wear)
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