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Nachricht vom 09.01.2019    

Umgang der Kirche mit Populismus: Klare Kante, klare Botschaft

Nationalismus, Chauvinismus, verrohte Sprache: Die Zeiten sind ruppig, das politische und gesellschaftliche Klima ist rau. Der Umgang mit populistischen Positionen war das Thema der Konferenz des Evangelischen Dekanats Westerwald in Wallmerod. Die Pröpstin der Propstei Nord-Nassau, Annegret Puttkammer, sprach in einem Vortrag über die Predigt in politisch schwierigen Zeiten. Ihr Credo: Kirche soll sich nicht nur gegen populistische Positionen aussprechen, sondern vor allen Dingen deutlich machen, wofür sie eigentlich steht.

Pröpstin Puttkammer während des Vortrags. Fotos: Peter Bongard

Wallmerod.Ihren Zuhörern – der Pfarrer- und Mitarbeiterschaft des Dekanats – zählte die Pröpstin zunächst die drei wichtigsten Aufgaben eines Pfarrers oder einer Pfarrerin auf: Sie sind Verkünder des Evangeliums, Seelsorger und Lehrer. „Sie verkündigen das Evangelium, das für Versöhnung, Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Friedfertigkeit steht. Das sind auch unsere leitenden Werte. Und Gottes Geist ist ein tröstender Geist, der Menschen aufrichtet und zusammenführt.“ Dieser Trost spielt auch in der Seelsorge, der anderen wichtigen Aufgabe eines Pfarrers, eine zentrale Rolle. „Seelsorge bedeutet: Wir müssen Menschen wahrnehmen und dürfen ihre Gefühle und Ängste nicht wegdrücken.“ Darüber hinaus sind Pfarrer aber auch Lehrer, die für und vor der Gemeinde eine Verantwortung haben: Sie sollen ihr geistliche Orientierung geben; sie lehren und wenn nötig ermahnen.

Was diese drei grundsätzlichen Aufgaben im Angesicht des wachsenden Populismus’ bedeuten, führt die Pröpstin im Folgenden aus – auch wenn es nicht immer ein Patentrezept gibt: „Die Kirche hat noch nicht für alle Fälle einen konkreten Plan, was den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien betrifft. Aber es gibt rote Linien“, betont die Pröpstin – und zwar in mehrerlei Hinsicht: Pfarrer dürfen keine Parteipolitik betreiben, sagt Annegret Puttkammer. „Wir kündigen nicht von der Kanzel ab, wer was zu wählen hat. Wir verkündigen keine Gesetzlichkeiten. Wir werden gerettet durch das Kreuz Christi – nicht durch das Wahlkreuz.“ Trotzdem dürfen und sollen Pfarrer ihrer Ansicht nach klare Kante zeigen, wenn es um Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und den Aufruf zur Gewalt geht. „Das sind die Grenzen – und zwar unabhängig von der politischen Gesinnung“, sagt sie. „Rassismus, Antisemitismus und Gewalt gibt es auch in anderen Parteien und bei Menschen, die sich selbst keinem politischen Lager zuordnen.“

Doch was ist mit den nicht ganz so eindeutigen Fällen? Etwa mit dem der hessischen Kirchenvorsteherin, die sich gleichzeitig in der AFD engagiert? Wie geht die Kirche mit solch einem aktuellen Beispiel um? Für Annegret Puttkammer steht fest, dass niemand aus dem Kirchenvorstand ausgeschlossen werden kann, der einer nicht verbotenen Partei angehört. Stattdessen muss der einzelne Fall bewertet werden: Plaudert eine Person beispielsweise Interna aus einer Kirchenvorstandssitzung aus oder macht öffentlich gegen die Kirche Stimmung, wäre das durchaus ein Grund für einen Ausschluss. Die reine Zugehörigkeit zur AFD reicht als Grund nicht aus – und geht auch an der polititschen Realität vorbei, meint Annegret Puttkammer: „Überträgt man die Wahlergebnisse auf die Kirchengemeinden, macht theoretisch jeder zehnte Gottesdienstbesucher sein Kreuz bei der AFD.“ Hinzu kommt, dass die Partei mit ihrer Familienpolitik gerade für evangelische Christen attraktiv zu sein scheint.



Die Herausforderung ist für die Pröpstin in diesem Zusammenhang: Wie können Pfarrerinnen und Pfarrer predigen, damit Gottes Botschaft der Versöhnung alle erreicht – und wie können Menschen zum Nach- und Umdenken gebracht werden? Und was ist mit dem Rest der Gemeinde, der neutral ist, aber Schwierigkeiten hat, sich dem Sog aus Pseudo-Argumenten und Verschwörungstheorien entgegenzustellen? Für sie liegt die Antwort in der Seelsorge: im Hinhören, Aushalten, im Wahrnehmen statt im Wegbügeln von Ängsten. „Nehmen wir die Ängste nicht ernst, kommen sie in verstärkter Form zurück“, glaubt die Pröpstin: „Die Menschen müssen wissen, dass sie ihre Ängste bei uns erst einmal loswerden können. Wir als Pfarrerinnen und Pfarrer müssen Emotionen zulassen, ohne dabei den Verstand auszuschalten. Wir müssen wissen, in welchen Bereichen die Ängste berechtigt sind und wann sie von außen eingeredet werden.“

Um ein Gespür für diese feine Grenze zu bekommen, müssen sich die Pfarrer nicht nur gut auf ihre Predigten vorbereiten, sondern auch auf die Diskussionen, die sie im Anschluss an den Gottesdienst erwarten, empfiehlt Annegret Puttkammer. „Wer eine Veränderung herbeipredigen will, muss wissen, wie er seine Zuhörer erreicht und welche Themen sie wirklich bewegen. Sie als Pfarrerinnen und Pfarrer kennen die Leute, die vor ihnen sitzen. Nutzen Sie das!“ Konkret rät die Pröpstin ihren Kolleginnen und Kollegen, sich mit den Problemen der Menschen vor Ort zu beschäftigen, in den Predigen auf diese Themen einzugehen – und trotzdem den Blick zu erweitern. Denn Dinge wie Barmherzigkeit, und Nächstenliebe gelten für den Senioren, der von Altersarmut bedroht ist ebenso wie für den Flüchtling, der sich auf die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer begibt.

Wichtig ist nach Ansicht der Pröpstin auch, dass auf die Worte Taten folgen. Sie rät den Pfarrerinnen und Pfarrer, es nicht bei der Predigt zu belassen, sondern mit der Gemeinde weiter an Themen wie Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu arbeiten – in Form von Vorträgen, Aktionstagen, Fortbildungen. „Lassen Sie uns unsere Stimme also nicht nur gegen Dinge erheben“, fasst Puttkammer zusammen. „Lassen Sie uns in unseren Predigten vor allem für das Gute werben: für Menschenfreundlichkeit, gegenseitige Verantwortung, für Nächstenliebe.“ (bon)


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