Grandiose Künstler bei Westerwälder Kabarettnacht in Oberelbert
„Kein schöner Land in dieser Zeit“, lautete die finale Zugabe des brillanten bayrischen Quartetts „Gankino Circus“. Damit erklärte sich der Kabarettist Philip Simon einverstanden, nicht aber mit der Einstellung vieler Mitbürger zu diesem schönen, liberalen Rechtsstaat. Die Bibel haben die meisten Menschen im Kopf präsent, das Grundgesetz dagegen gar nicht. Stattdessen hat sich in den Oberstübchen schräger und brauner Vögel viel Mist angesammelt.
Oberelbert. Simons aktuelles Programm heißt folgerichtig „Meisenhorst“. Er kultiviert seine Meise und füttert sie täglich mit Nachrichten, die aber immer häufiger gar keinen Nährwert haben, weil zum Beispiel „die beiden Einzeller (Trump und UN) wieder zu keinem Konsens gekommen sind“ oder Ursula von der Leyen für über 600 Millionen Euro das eigene Denken an Berater ausgesourct und Spahn Start-ups für dumme Ideen gegründet hat. „Der Meisenhorst ist der einzige Horst, der keine Obergrenze kennt.“
Damit die Chefmeise direkt erkennbar ist, trägt Simon Uniform, die gibt ihm in Deutschland grundsätzlich Recht. Diktatur wird immer im Kopf errichtet. Und die christliche Prägung ist wesentlich stärker als das Wissen über das Grundgesetz. Die Bibel enthält auch spannendere Geschichten: Zum Beispiel die von Moses, der die zehn Gebote empfangen hat ohne W-Lan, der erste Download in der Menschheitsgeschichte. Dieser Moses wäre heute ein krimineller Schlepper.
Mit Blick auf die deutsche Geschichte gibt es Grund, warum die Verfassung Grundgesetz heißt. Es wurde 1949 von allen Ländern angenommen außer von Bayern. Dieser bis heute grundgesetzfreie Raum akzeptiert nur das Reinheitsgebot.
Artikel 7 des Grundgesetzes betrifft das Schulwesen, das Religion als ordentliches Lehrfach vorsieht, das Grundgesetz jedoch nicht. Artikel 5 sichert die Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft: „In diesem Land darf jeder sagen und schreiben, was er denkt, selbst wenn er das Denken überspringt.“ Motor für Äußerungen durchgeknallter AfD-Meisen „ist wieder der Hass“.
Bei seinen Überlegungen zu Merkels Regierungspolitik fällt dem Kabarettisten immer wieder Nietzsche ein, der Philosoph, der ein Leben lang den Sinn des Lebens suchend, am Ende dement war. Angesichts Nietzsches Zitat: „Auch die hohlste Nuss will mal geknackt sein“, stellt sich die Frage: Woher wusste der, dass Trump einmal Präsident der USA sein wird?
Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis regelt Artikel 10 des Grundgesetzes. Verwunderlich ist, wieviel Möglichkeiten der unsozialen Kommunikation der Mensch erfunden hat. Und mit der Vorratsdatenspeicherung wird das Grundrecht auf Privatsphäre immer häufiger vom Staat ausgehebelt. Bundesnachrichtendienst, Berliner Flughafen und Stuttgart 21 sind Beispiele für systematisches Versagen. Das führt zu Vorratsdatenspeicherung ohne Widerstand.
Philip Simon will mit seinem Programm zum Widerstand aufrufen und zur Beschäftigung mit dem Grundgesetz, denn wenn wir um unsere Werte und Kultur kämpfen wollen, sollten wir wissen, was darin steht.
Die Zuschauer waren ob der brillanten und wortgewaltigen Analysen des Kabarettisten voll des Lobes. Der Kleinkunstbühne Mons Tabor gelang es am Freitag wieder einmal, Spitzenkräfte auf die Bühne der Stelzenbachhalle zu holen. Der Halle, die nach Meinung des Sprechers Uli Schmidt, vor 25 Jahren extra für diese Veranstaltung gebaut wurde. Die zweite Hälfte des Programms gestaltete musikalisch die Gruppe „Gankino Circus“ mit Gesang, Klarinette, Saxophon, Akkordeon, Schlagzeug und verschiedenen Gitarren. Diesen Instrumenten entlockten die vier virtuosen Musiker aus dem fränkischen Dietenhofen mit zwei harten „d“ ungewöhnliche und mitreißende Klänge.
„Die Letzten ihrer Art“ heißt ihr Programm, in dem sie rückblickend ihre Jugend in der Provinz, genauer im örtlichen Wirtshaus „Zur heiligen Gans“ Revue passieren lassen. Eine zentrale Rolle spielt in der schwarzen Geschichte der Wirt „Weizen-Charly“, der für die schrägen Volksmusiker ein Vorbild darstellte und der die Angewohnheit hatte, mit der Stirn auf dem Weizenglas einzuschlafen. Aus dem Schlaf wurde er von den Gästen regelmäßig gesanglich geweckt zum Weiterzapfen. Als der Weizen-Charly einmal die falsche Schlafposition erwischte, endete das für ihn tödlich: erstickt am eigene Bier – ein schöner Tod für ihn!
Nach dem Tod des Wirts mussten sich die jugendlichen Musikanten eine neue Bleibe suchen, die sie beim Griechen fanden. Bei Costas stiegen die Musiker nicht nur auf Uso um, sie lernten auch die Geheimnisse von Sirtaki und Bouzouki kennen und spielen. Wie Weizen-Charly zum Heiligen und in Form eines Bonophons unsterblich wurde, ist eine völlig irre Geschichte, die in einem wunderschönen Requiem mit dem Text „Es kommt ein dunkel Wolke herein“, kulminiert.
Fränkischer Rock `n ´roll, eine Kreation des Großvaters, riss die Zuschauer von den Stühlen. Vehement wurden am Ende Zugaben gefordert.
Die Supertruppe „Gankino Circus“ werden die Besucher der samstäglichen Kabarettnacht (16. März) wieder erleben. Fatih Cevikkollu wird zudem „Fatihmorgana – analog aber sexy“ auf die Bühne zaubern. Diese Veranstaltung ist genau wie die am Freitag längst ausverkauft. Wer keine Karten bekommen hat, muss sich die 27. Ausgabe der Westerwälder Kabarettnacht am 20. und 21. März 2020 vormerken. htv
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