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Nachricht vom 04.04.2019    

Absage des Jugendforums an der BBS Westerburg

Am Dienstag, 2. April, sollte das Jugendforum in der BBS Westerburg stattfinden. Dieses Forum ist ein Format, in dem sich junge interessierte Menschen zu aktuellen politischen Fragen austauschen. Zu diesem Format, welches im Westerwald bereits mehrfach stattgefunden hat, werden junge Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen. Der Bundespräsident hat das Projekt des Jugendforums ausdrücklich gelobt und die Bertelsmann Stiftung vergab 2018 den Sonderpreis „Demokratie stärken - Toleranz leben" im Wettbewerb „Mein gutes Beispiel 2018“.

BBS Westerburg. Foto: Homepage

Westerburg. Da zwei Parteien ihre Teilnahme absagten und in sozialen Netzwerken die Organisatoren des Jugendforums beschimpft wurden, wurde – nachdem auf dem Schulhof ein Lack-Schriftzug gegen die AfD aufgetaucht war - die gesamte Veranstaltung abgesagt. Von AfD-Vertretern wurden Beschuldigungen gegen linke Gruppierungen ausgesprochen.

Michael Niess, geschäftsführender Schulleiter BBS Westerburg, veröffentlichte auf der facebook-Seite der BBS seine persönliche Stellungnahme, die wir in Gänze wiedergeben: „Für das Jugendforum in Westerburg hat sich das Team der Junior-Botschafter für das Europäische Parlament der BBS Westerburg stark gemacht und es mit enormem Einsatz inhaltlich und organisatorisch vorbereitet. Auch die Gruppe um das Projekt „Schule ohne Rassismus“ war an der Vorbereitung des Jungendforums beteiligt. „Schule ohne Rassismus“ ist eine Auszeichnung, die die BBS Westerburg im vergangenen Jahr aufgrund entsprechender schulweiter Projekte und dem Commitment der gesamten Schulgemeinschaft gegen jedwede Form von Intoleranz und Rassismus erhalten hat. Ebenfalls wurde der BBS Westerburg im vergangenen Jahr der Titel „Botschafterschule des Europäischen Parlaments“ aufgrund der vielfältigen Projekte unserer engagierten Junior-Botschafter verliehen.

Im Planungsverlauf zum JuFo (Jugendforum) haben die beiden Teams sehr kontrovers diskutiert, ob die AfD zu diesem Format eingeladen werden soll. Im Westerwald sind einige Vertreter dieser Partei an Aktionen beteiligt gewesen, die der sogenannten „Identitären Bewegung“ zugeschrieben wurden, die wiederum vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Da die Veranstaltung in den Räumen der Berufsbildenden Schule stattfinden sollte, war in diesen Diskussionen auch die Schulleitung eingebunden. Hier haben wir von Seiten der Schulleitung die Auffassung vertreten, dass wir während des Schulbetriebs keine Vertreter der AfD in die Schule einladen möchten, da wir viele Schüler haben, gegen die sich die AfD beziehungsweise Teile der AfD in der öffentlichen Diskussion aussprechen. Mit einer „Schule ohne Rassismus“ ist diese Grundhaltung der AfD nicht vereinbar und zudem haben wir als Bildungseinrichtung die Aufgabe, unseren Schülerinnen und Schülern ein Umfeld zu bieten, in denen sie ihre beruflichen Ziele erreichen können, ohne dass sie durch fremdenfeindliche Parolen oder durch Ängste, die daraus entstehen, beeinträchtigt werden.

Beim geplanten Jugendforum handelt es sich allerdings um eine Abendveranstaltung, zu der politisch interessierte Menschen eingeladen sind, die frei entscheiden können, ob und wie sie sich in die Diskussion einbringen. Hier war auch für uns als Schule das Argument vordergründig, dass der AfD nur durch eine argumentative Auseinandersetzung mit deren Vorstellungen und Zielen effektiv die Stirn geboten werden kann. Durch Tabuisierung, Wegschauen oder, wie nachrichtlich angekündigt, durch Skandalisierung wird unserer Auffassung nach genau das Gegenteil erreicht: Es werden zunehmend Wähler „in die Arme“ der AfD getrieben – eben solche Wähler, die den etablierten Parteien Konzeptlosigkeit vorwerfen und bei ihnen für sich keine Perspektive für die Gestaltung der Zukunft finden.

Mit diesen Überlegungen und mit dieser Haltung sind wir in die Planung der Veranstaltung gegangen und waren zuversichtlich, dass die anderen an der Veranstaltung teilnehmenden Parteien dies ebenso sehen und bewerten. Leider haben im Vorfeld zwei Parteien ihre Teilnahme am Forum abgesagt.

Nach unzähligen Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken, angedeuteten und sogar offenen Anfeindungen gegen unsere Schülerinnen und Schüler aus den Organisationsteams wurde am vergangenen Freitag in den frühen Morgenstunden auf unserem Schulgelände mit Lack ein Schriftzug auf den Schulhof gesprüht, der sich offenbar gegen die geplante Veranstaltung richtete und unter anderem den Slogan „Keine Bühne für die AfD“ beinhaltete. Diese Sachbeschädigung wurde von Seiten der Schule zur Anzeige gebracht und stellt somit eine strafbare Handlung dar. Glücklicherweise ist es Mitarbeitern der Schule gelungen, den Schriftzug mit viel Mühe wieder zu entfernen. Da am Samstag unser „Tag der offenen Tür“ stattfinden sollte und wir für diesen und den Veranstaltungstag mit weiteren Sachbeschädigungen rechnen mussten, sind wir im Planungsteam nochmals zusammengekommen. Zudem haben die unsachlichen Äußerungen und Anfeindungen in den sozialen Netzwerken noch weiter zugenommen, so dass unsere Schülerinnen und Schüler sogar Angst hatten, persönlich angegangen oder angegriffen zu werden.



Vor diesem Hintergrund haben wir uns dann am Freitagnachmittag gemeinsam entschlossen, das geplante Jugendforum abzusagen. Unser Hauptaugenmerk lag dabei darauf, unsere Schülerinnen und Schüler zu schützen, den Schulbetrieb aufrechterhalten sowie den „Tag der offenen Tür“ mit all unseren Partnern reibungslos und ohne Gefahr durchführen zu können. Hierbei ging es keinesfalls darum, irgendeinem Druck nachzugeben, sondern die Schule und deren Schülerinnen und Schüler vor weiterem Schaden zu bewahren.

Ich bin als Verantwortlicher für die Organisation BBS Westerburg und für die Schülerinnen und Schüler zu tiefst betroffen, wie in einer Demokratie mit den oben genannten Mitteln derartig Angst und Schrecken verbreitet wird, dass eine Veranstaltung wie das Jugendforum abgesagt werden muss. Sowohl die Beschimpfungen und Beleidigungen als auch die Sachbeschädigung auf dem Schulgelände lassen sich auf eine bestimmte politische Bewegung zurückführen. Mir ist es mehr als unverständlich, wie hochrangige politische Vertreter einer Partei im Westerwald, die Sachbeschädigung auf unserem Schulgelände ohne jedwede Form der Distanzierung in den sozialen Netzwerken verbreiten und gutheißen können. Zudem verzeichnen sie die Absage des Jugendforums als Erfolg für sich mit den Worten „Widerstand lohnt sich“ (diese Bemerkung wurde heute wieder aus dem Beitrag entfernt). Sind das nun die Wege, die eingeschlagen werden, um sich beispielsweise der AfD zu erwehren? Was haben wohl unsere politisch sehr engagierten und interessierten Schülerinnen und Schüler aus diesem Vorgehen gelernt? Stärkt das alles das Vertrauen in die Politik bei den jungen Wählerinnen und Wählern?

Offenbar sind mit der Absage des Jugendforums nun auch alle weiteren Möglichkeiten der demokratischen Auseinandersetzung im Keim erstickt. Wie können wir als Schule denn künftig noch Diskussionen mit den politisch Verantwortlichen initiieren oder fördern, wenn wir in die eine oder andere Richtung mit Drohungen oder Gewalt rechnen müssen? Wie kann ich als Verantwortlicher für die Schule Vertreter von Parteien in die Schule einladen, wenn von manchen keine demokratische Auseinandersetzung gewünscht wird oder Straftaten zur Verhinderung von solchen Diskussionen gutgeheißen und unterstützt werden?

Widerstand lohnt sich – ja. Man soll und muss für seine demokratischen Überzeugungen eintreten. Das Ausüben von Straftaten oder Versuche der Einflussnahme durch Bedrohungen gehören mit Sicherheit nicht dazu. Die mit der Organisation des Jugendforums in den vergangenen Wochen beschäftigten Schülerinnen und Schüler sind sehr enttäuscht, dass ein Format, das sie inhaltlich mit viel Engagement und Herzblut vorbereitet haben und mit dem sie allen Teilnehmern demonstrieren wollten, dass nicht-demokratische Meinungen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, nun nicht stattfinden kann – und dies nicht aufgrund einer argumentativen Auseinandersetzung, sondern durch zumindest fragwürdige und nicht demokratische „Aktionen“.

Wir hoffen alle, dass wir wieder zu einem gemeinsamen Dialog kommen können und solche für die Demokratie und die politische Bildung von jungen Menschen unerlässlichen Veranstaltungen in Zukunft wieder nach demokratischen Regeln stattfinden können. Mit dieser Stellungnahme möchte ich nochmals die Beweggründe für die Absage der Veranstaltung verdeutlichen und damit auch meine Hoffnung auf einen künftig konstruktiven Dialog verbinden.“


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