Spanisches Temperament bricht Wäller Zurückhaltung
Spanisches Temperament trifft auf Westerwälder Zurückhaltung? Denkste: Von Zurückhaltung war bei den vielen Gästen beim Konzert der Gruppe „Las Migas“ aus Spanien in der Evangelischen Kirche in Selters wenig zu spüren! Vielmehr ging das südländische Temperament der Musikerinnen in dem bis auf den allerletzten Platz besetzten Gotteshaus schnell auf das Publikum über. Die weltweit gefragte Flamenco- und Weltmusikband gastierte in der Reihe „Musik in alten Dorfkirchen“ im Kultursommer Rheinland-Pfalz.
Selters. Die Kleinkunstbühne Mons Tabor als Veranstalter wunderte sich beim geplanten Konzertbeginn mit dem Kulturkreis der VG Selters als Kooperationspartner, als noch etwa 50 Leute vor der Kirche ausharrten, die keine Eintrittskarten mehr bekommen hatten. Irgendwie passten dann aber doch noch alle auf die dreiseitige Empore, auch wenn für diese Gäste der Konzertgenuss mangels Sicht auf die Bühne doch sehr eingeschränkt war. “Es ist eben eine alte Dorfkirche und kein Konzertsaal“, meinte einer der betroffenen Zuhörer in der Pause. Er versprach, sich beim nächsten Mal früher um Karten zu kümmern.
Gekommen waren Musikbegeisterte aus Selters und dem gesamten Westerwald, aber wie an den Autokennzeichen und den gesprochen Dialekten leicht festzustellen war, auch aus angrenzenden Kreisen oder anderen Bundesländern. Alle wollten sich die vier hochmusikalischen und virtuosen Spanierinnen nicht entgehen lassen. Egal woher sie auch kamen, sie ließen sich in dem stimmungsvollen Gotteshaus nicht lange bitten, immer wieder mitzusingen und mitzuklatschen. Die ansatzweise in der Muttersprache der Musikerinnen versuchte, meist aber in Englisch vorgetragene Kommunikation, bereitete den meisten Besuchern wenig Probleme, hörbar an einzelnen Olé-Rufen.
Die vier Damen von „Las Migas“ machten in Selters Station auf einer längeren World-Tour mit insgesamt fast 50 Konzerten und stellten überwiegend Lieder ihrer neuen CD „Quatro“ vor. Die vier in Barcelona lebenden Musikerinnen offerierten spanische Melodien und Urlaubsfeeling, gepaart mit Rhythmus, Temperament und Emotionen. In ihrer Musik vermischt sich der Flamenco, bestehend aus Gesang, Gitarren- und Geigenspiel, Händeklatschen und Tanzbewegungen, mit lateinamerikanischen Elementen, folkloristischen Klängen - angereichert auch mal mit einer jazzigen Note – unnachahmlich zu einem neuartigen, wohlklingenden Ganzen.
In diesem schimmert unterschwellig die unterschiedliche musikalische Herkunft der Künstlerinnen durch: Zwei kommen vom Flamenco und der klassischen Gitarre, die Leadsängerin vom portugiesischen Fado, vom Jazz und Habanera kubanischen Ursprungs. „Las Migas“ – das sind die beiden leidenschaftlichen Rhythmus- und Leadgitarristinnen Marta aus Sevilla und Alicia aus Córdoba, die Violinistin Roser, die ihre Geige geschickt mit dem Bogen zum Staccato oder Legato streicht, und die neue Sängerin Carolina mit ihrer außergewöhnlichen, mal rauchig-heiseren, mal klar akzentuierten und dominanten Stimme.
Eröffnet wurde das Konzert mit dem melancholischen „Con toda palabra“ (Mit ganzem Wort), gefolgt vom temperamentvollen „Vente con migo“ (Komm mit mir) und „Allí te esperaré“ (Dort erwarte ich dich) mit innigem Sologesang, klagender Geige und aufgelösten Gitarrenakkorden. Bei „Tangos de la repompa“ animierten die Musikerinnen die Besucher erstmals, einen Rhythmusbaustein mitzuklatschen. In „Larga vida al loco“ (Langes Leben dem Verrückten) wechselten bei flehendem Gesang langsame mit aufmunternden Klängen, ehe Sängerin Carolina mit „Soñé“ mit ausdrucksstarken Bewegungen träumte. Beim Gitarrenduett „La zarzamora“ (Der Maulbeerstrauch), arrangiert von Paco de Lucia, dem Großmeister des Flamencos, imponierten die grandiosen Tonfolgen und die rhythmische Umsetzung. Natürlich beklatschte sich das bis zum Schluss begeistert mitgehende Publikum noch eine ausgedehnte Zugabe.
Als Geschäftsführerin des VG-Kulturkreises freute sich Marion Meuer über die große Resonanz auch dieser Veranstaltung in der Reihe „Musik in alten Dorfkirchen“. Uli Schmidt, Vorsitzender der Kleinkunstbühne, dankte der Kirchengemeinde für die Überlassung des Gotteshauses und allen Sponsoren für deren Engagement. „Wir können durchschnittlich nur etwas über 50 Prozent der Gesamtkosten eines solchen Konzertes durch den Verkauf der Eintrittskarten decken, den Rest müssen andere beisteuern“, so Schmidt. Er bat um Verständnis, dass die Atmosphäre in dieser und anderen genutzten Kirchen zwar außergewöhnlich sei und von fast allen Künstlern aus aller Welt immer wieder gelobt werde, aber Klang-, Sicht- und Sitzqualität seien nun mal nicht mit einem dafür gebauten Konzertsaal zu vergleichen. Der Kulturschaffende versprach jedoch für das nächste Konzert am 1. September in Westerburg mit dem einzigartigen „Gjermund Larsen Trio“ freie Sicht und eine gute Tonqualität. Und genug Sitzplätze für alle an hochklassiger Musik aus dem Norden Europas Interessierten. (PM)
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