Reizdarm macht selten Probleme
INFORMATION | Im Westerwaldkreis erhalten die Menschen selten die Diagnose „Reizdarm“. Das zeigen Auswertungen für den Arztreport der BARMER. „Menschen mit einem Reizdarm sind oft in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Der Weg zur Arbeit, ein Treffen mit Freunden oder ein Kinobesuch kann mit Reizdarm zur quälenden Belastung werden“, sagt Orhan Ilhan, Regionalgeschäftsführer der BARMER in Montabaur. Das Reizdarmsyndrom äußere sich durch häufige und lange anhaltende Beschwerden wie Bauschmerzen, Durchfall, Verstopfung und Blähungen, ohne dass die Ursache dafür bekannt sei.
Westerwaldkreis. Laut Arztreport der Krankenkasse erhielten im Jahr 2017 0,97 Prozent der Bevölkerung im Westerwaldkreis die Diagnose Reizdarm (Bund: 1,34 Prozent). Im Vergleich aller 36 rheinland-pfälzischen Landkreise und kreisfreien Städte ergibt dies Platz 33. „Befragungsstudien legen nahe, dass in Deutschland 17 Prozent der Bevölkerung an einem Reizdarm leiden. Viele Betroffene meiden aus Scham den Arztbesuch“, berichtet Ilhan. Das Reizdarmsyndrom sei gemessen an der Zahl der Betroffenen ein Volksleiden.
Computertomografien bei Diagnose nur zurückhaltend einsetzen
Laut Ilhan stellen sich Reizdarm-Patienten oft bei vielen Ärzten vor, bis sie die richtige Diagnose erhalten: „Die Anzeichen der Erkrankung sind sehr unspezifisch. Zudem ist das Reizdarmsyndrom eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, es müssen erst andere Ursachen ausgeschlossen werden, die die Beschwerden ebenso auslösen können.“ Bei der Diagnose würden zu oft bildgebende Verfahren wie Computer- und Magnetresonanztomografien eingesetzt, obwohl sie in der Regel nicht zur Abklärung eines Reizdarmsyndroms vorgesehen seien. Gerade Computertomografien sollten aufgrund der hohen Strahlenbelastung zurückhaltend eingesetzt werden.
Der Arztreport liefert nicht nur Hinweise für Verbesserungspotenzial auf dem Weg zur Diagnose. Auch manche Ansätze zur Therapie von Reizdärmen müssen kritisch hinterfragt werden. „Laut Arztreport werden bei einem Reizdarm oft Magensäureblocker verordnet, obwohl ihr Nutzen bei der Behandlung umstritten ist. Magensäureblocker werden bei einer Langzeitanwendung mit einem erhöhten Risiko für Brüche, Magen-Darm-Infektionen sowie Lungenentzündungen in Verbindung gebracht“, erklärt Ilhan. Auch opioidhaltige Schmerzmittel würden zum Einsatz kommen. Hier sei nicht nur die Wirkung fraglich. Es drohe auch eine Abhängigkeit.
Reizdarm-Therapie erfordert ganzheitlichen Ansatz
„Zu einer guten Therapie des Reizdarmsyndroms gehört ein ganzheitlicher Blick auf den Körper, der die Psyche ebenso einbezieht wie die Ernährung und Bewegung. Die reine Gabe von Medikamenten ist der falsche Ansatz“, bemängelt Ilhan. Die Versorgung von Reizdarm-Patienten müsse deutlich besser werden. Hausärzte oder Internisten sollten am besten eng mit Schmerztherapeuten sowie zertifizierten Ernährungswissenschaftlern zusammenarbeiten und dabei die Psychosomatik im Blick behalten.
Nach den Worten von Ilhan können Betroffene selbst viel machen, um eine Linderung der Beschwerden zu erreichen: „Dazu gehört, sich mit seiner Ernährung und seinem Essverhalten gezielt auseinanderzusetzen. Auch Sport wie zum Beispiel Nordic Walking kann helfen.“ Meditieren und Achtsamkeitstraining könnten Betroffenen dabei helfen, mit psychosozialen Stressfaktoren umzugehen. (PM)
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