Jung, musikalisch, ökumenisch: Erlösergemeinde feiert Geburtstag
Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende: In und um Neuhäusel suchen viele Flüchtlinge und Vertriebene eine neue Heimat. Familien, die ihren evangelischen Glauben mit in eine katholische Region bringen. Um ihn lebendig zu halten, besuchen die Neu-Neuhäuseler die umliegenden Kirchengemeinden in Höhr-Grenzhausen, Montabaur, Bad Ems. Denn eine eigene Kirchengemeinde haben sie noch nicht. Das ändert sich erst 1969 – das Jahr, in dem die Evangelische Erlöser-Kirchengemeinde Neuhäusel offiziell aus der Taufe gehoben wird. Heute, ein halbes Jahrhundert später, feiert die Gemeinde Geburtstag und erinnert mit einem Fest am Sonntag, 1. September, ab 11 Uhr an ihre noch junge Geschichte.
Neuhäusel. Eine Geschichte, die schon Ende der 1950er-Jahre beginnt. 1957 mietet die Evangelische Kirchengemeinde Bad Ems das katholische Gotteshaus in Neuhäusel an, damit sich die protestantischen Familien vor Ort treffen können. Erst 1969 wird aus der Filial- eine eigenständige Kirchengemeinde. Im Gründungsjahr besteht sie aus 1350 Evangelischen Christen, die in den Orten Neuhäusel, Arzbach, Eitelborn, Hillscheid, Kadenbach und Simmern leben.
Wenige Wochen später tritt der erste Pfarrer seinen Dienst in Neuhäusel an: Hans-Georg Burkhardt wird im Januar 1970 ins Amt eingeführt. Unter dessen Nachfolger Karl-Helmut Pack kauft die Gemeinde 1973 den Katholiken schließlich die Kirche für fast 70.000 Mark ab und renoviert sie umfangreich. Im März 1979 wird Eugen Senk Pfarrer, und er prägt die Gemeinde über die nächsten Jahre besonders deutlich. Margrit Schröder gehört damals zum Kirchenvorstand und erinnert sich noch gut an den geradlinigen Theologen: „Er war ein strenger, aber beliebter Prediger, und die Zeit unter ihm war eine sehr aktive. Wir waren ein zusammengewürfelter Haufen mit ganz viel Elan“, erzählt sie, während sie mit der heutigen Pfarrerin Lisa Tumma sowie den Kirchenvorstandsmitgliedern Brigitte Kopold und Götz Riedel Fotoalben und Aktenordner mit alten Zeitungsausschnitten wälzt. „Es war eine Zeit des Aufbruchs: Unser Kirchenvorstand hat damals Elemente ins Gemeindeleben und den Gottesdienst eingeführt, die es wohl nur bei uns gab – etwa Neuerungen bei der Konfirmation oder spezielle Abendmahlslieder.“
Was der „zusammengewürfelten“ Mannschaft in den späten 1970er-Jahren aber besonders wichtig ist: Neuhäusel soll eine einladende Gemeinde sein, in der sich niemand abgehängt fühlen soll. Vor allem nicht diejenigen, die in den umliegenden Orten wohnen. „Die meisten Protestanten in der Augst sind Zugezogene und waren vor der Gemeindegründung in unterschiedlichen Kirchengemeinden aktiv“, erinnert sich Margrit Schröder. „Wir mussten anfangs also regelrecht um die Gemeinschaft kämpfen.“
Um das neue Miteinander zu pflegen, besuchen der damalige Kirchenvorstand und der noch recht junge Posaunenchor regelmäßig die umliegenden Ortschaften. „Außerdem unternahmen wir viele gemeinsame Ausflüge und gründeten Gebetskreise. Es war für uns alle eine bewegte und bewegende Zeit“, erinnert sich Margrit Schröder. Vielleicht ist es die Emotionalität dieser frühen Jahre, die dazu führt, dass sich die Christen 1979 für den Namen „Erlösergemeinde“ und nicht für die Alternativen „Paulusgemeinde“ oder „Johannesgemeinde“ entscheiden.
1986 bekommen die Protestanten endlich ein Gemeindehaus, das direkt an die Kirche angeschlossen ist und sich flexibel einteilen lässt. Eine weitere wichtige Wegmarke in der Gemeindehistorie ist das Jahr 1991: Als Reaktion auf den Golfkrieg lädt die Erlösergemeinde jeden Montag Menschen dazu ein, für den Frieden zu beten.
Auch das ökumenische Miteinander ist den Neuhäuselern von Anfang an ein großes Anliegen, sagt Pfarrerin Lisa Tumma. „Anders würde es auch nicht gehen. Denn die evangelischen Christen sind in Neuhäusel immer noch in der Unterzahl.“ Deshalb hat sie als neue Pfarrerin dieses Thema besonders im Blick. Schon jetzt feiern evangelische und katholische Christen gemeinsame Gottesdienste, ökumenische Kreuzwege und Bibliologe, und im September startet unter dem Motto „Atem holen“ eine ökumenische Andachtsreihe.
Neben der Ökumene spielt die Musik in Neuhäusel eine wichtige Rolle. Nicht nur wegen der 1994 eingeweihten, schönen Hardt-Orgel. Sondern vor allem wegen des sehr aktiven Posaunenchores. „Das Ensemble veranstaltet zum Beispiel jeden Ostersonntag um 8 Uhr ein Osterblasen an der Kapelle in der Augst“, sagt Götz Riedel. „Wenn die Musik dann durchs ganze Tal schallt, geht einem das Herz auf.“
Das andere Herzstück der Neuhäuseler Gemeinde ist gleichzeitig ihr Fundament für die Zukunft: die jungen Menschen. Neuhäusel hat eine vorbildliche Jugendarbeit, die nicht nur bei Kirchentagen und Ferienlagern zeigt, wie lebendig sie ist, erzählt Brigitte Kopold.
Das Wir-Gefühl der Protestanten, der Wunsch nach einem ökumenischen Miteinander, getragen von einer starken Jugend, untermalt von himmlischen Klängen. Es sind feste Säulen, auf denen die Kirchengemeinde ruht. Obwohl Ruhen im Falle von Neuhäusel nichts mit Stillstand zu tun hat. Denn in Neuhäusel fühlt es sich anno 2019 wieder nach Aufbruch an, sagt Pfarrerin Lisa Tumma: „Wir schauen nach vorne und überlegen gemeinsam, wo die Reise der Erlösergemeinde hingeht – für die nächsten 50 Jahre und darüber hinaus.“ (bon)
Im Detail: Erlösergemeinde feiert am 1. September ein Fest
Das Kirchenfest zum 50-jährigen Bestehen der Kirchengemeinde feiern die Neuhäuseler am Sonntag, 1. September. Der Tag beginnt um 11 Uhr mit einem Festgottesdienst inklusive Kindergottesdienst. Danach lädt die Erlösergemeinde zum Essen ins Gemeindehaus und einem Konzert des Posaunenchores ein. Schließlich zeigt eine Fotoausstellung beeindruckende Aufnahmen aus der Geschichte der Gemeinde.
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