Den emsigen 450-Volt-Fräuleins auf der Spur
Nach einer Bienen- und Wildkräuterwanderung sieht eine Wiese gleich anders aus. Das können wohl alle Teilnehmer der informativen Exkursion bezeugen, die kürzlich am Wiesensee startete. Schon seit zehn Jahren vermittelt Kräuterexperte Klaus-Dieter Stahl interessierten Menschen im Wäller Land Wissenswertes über essbare Pflanzen am Wegesrand. Nun wurde bei einer Exkursion der Schwerpunkt erweitert – und es ging auch um bienenfreundliche Kost, um das Insekt an sich, ja um seinen ganzen Staat. Diesen Part übernahm Imkerin Gabriele Held-Habermann.
Stahlhofen a.W. Das Thema „Bienen“ spricht alle Altersstufen an, das war beim Treffpunkt an der Tourist-Information WällerLand am Wiesensee (TiWi) gleich zu sehen. Bevor es nach draußen ging, erklärte Gabriele Held wie ein Bienenstock von innen aussieht sowie die Waben samt Arbeiterinnen, Drohnen und Königinnen und gab einen kurzen Abriss über ein Bienenjahr. Kompetent, engagiert und mit Liebe zum Thema vermittelte die Diplom-Verwaltungswirtin aus Hergenroth, die bereits seit zehn Jahren imkert, ihr Wissen. Ihr Sohn Finn (12) begleitete sie. Auch er ist bereits mit der Materie bestens vertraut und verbringt viel Zeit mit der Imkerei.
Die Bedeutung von Bienen im Ökosystem ist in aller Munde, doch wie komplex das Leben dieser Insekten ist und wie viel Wissen darüber existiert, ist faszinierend. Und dazu kommen unterschiedliche „Philosophien“ der Imker, die ihrerseits beobachten, ausprobieren, auf Probleme wie Krankheiten, Witterung et cetera immer flexibel reagieren müssen.
Das Interesse der Teilnehmer war groß, viele Fragen kamen aus der Runde: So erfuhr man, dass Bienen ab zehn Grad Celsius ausfliegen. Ab Mitte Juli wird kein Honig mehr aus den Waben entnommen, sagte Gabriele Held-Habermann. Nach der letzten Honigernte wird mit Zuckerlösung aufgefüttert, damit die Bienen in der kalten Jahreszeit gut versorgt sind. Doch das bedeute nicht, dass die Winterbienen nur auf faulen Haut liegen dürfen – sie müssen zittern, was das Zeug hält. Denn auf diese Weise erzeugen sie Wärme für die Königin. Etwa 35 Grad Celsius sind notwendig.
Es war zu erfahren, dass sich Bienen beim Flug durch die Reibung mit der Luft elektrostatisch aufladen – auf bis zu 450 Volt. Wie kleine Magnete ziehen sie so den Pollen an, wenn sie auf einem Blümchen landen…
Zurzeit ist die Varroamilbe mit entsprechendem Einsatz gut im Griff zu halten, doch ein neuer Schädling ist im Anmarsch: der Kleine Beutenkäfer. Er stammt eigentlich aus dem südlichen Afrika, tritt aber, aufgrund des Klimawandels, schon in Italien auf. Das kann keinem gleichgültig sein, denn Bienen stellen auch einen großen Wirtschaftswert dar – der Bestäubungs- und Honigwert geht in die Abermilliarden.
Auf dem Weg zum Bienenstock, wo die Teilnehmer dann, mit einem Imkerschleier bekleidet, den fleißigen Tieren einen Besuch abstatten, wies Klaus-Dieter Stahl auf Kräuter am Wegesrand hin. Dort wächst Dost (Origanum vulgare) und Beifuß ebenso wie ein absolutes Superfood: die Brennessel. Ihre Samen sind voller Vitamine und Protein und schmecken nussig und knackig. Viel Spaß gab es mit einem Kräutchen, das zunächst wie ein modriger, feuchter Lappen riecht. „Gekocht wird Ziest zu einem guten Pilzgewürz“, war zu erfahren.
Rainfarn wiederum ist gut, um Ungeziefer fernzuhalten. Auch von den Imkern wird er gerne in getrocknetem Zustand für den Smoker benutzt, der ab und an für Arbeiten am Bienenvolk unerlässlich ist. Darüber hinaus sind seine Blüten eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen im Spätsommer. Denn auf den Wiesen fehlt es an Klee als Insektennahrung, das kann man auch als Laie sehen. Die häufigen Silageernten und die gut gedüngten Weiden verhindern das Wachstum vieler Blumen und Kräuter, die eher auf magere Böden angewiesen sind. Einige wenige Blühstreifen hier und dort können das nicht ausgleichen. So erlangt das indische Springkraut, das bis Oktober noch blüht, für die Insekten eine große Bedeutung. Garten- und Terrassenbesitzern empfahl Klaus-Dieter Stahl, Sedum (Fette Henne) und Ziest als Bienenweide zu pflanzen.
Die vielen Details über ihre großen Taten ließen einem Blümchen und Bienchen ans Herz wachsen. Sie gehören zu uns, ernähren und bereichern uns. Dafür haben sie etwas Solidarität verdient.
Im neuen Jahr darf man auf eine weitere Bienen-Kräuter-Wanderung hoffen. (Tatjana Steindorf)
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