Vaterbuch zum Thema Demenz in Montabaur vorgestellt
Erst kann der Vater noch allein leben, dann muss er ins Heim. David Wagner beschreibt in seinem autobiografisch geprägten Roman „Der vergessliche Riese“ wie es ist, wenn einem ein naher Mensch wegen einer Demenzerkrankung entgleitet. Jetzt hat der Schriftsteller sein Buch erstmals im Westerwald vorgestellt.
Montabaur. In der Geschäftsstelle der Nassauischen Sparkasse in Montabaur begrüßte Finanzcenterleiter Joachim Neu die vielen Gäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Tagungsraum. „Wir unterstützen diese Veranstaltung zu einem gesellschaftlich wichtigen Thema sehr gerne“, so Neu. Für das Forum Soziale Gerechtigkeit als Veranstalter stellte dann dessen Sprecher Uli Schmidt den unter anderem bereits mit dem Leipziger Buchpreis geehrten Autor David Wagner vor. Dieser lebt schon lange in Berlin, stammt aber aus Andernach. „Das Buch beschreibt eindrucksvoll und unterhaltsam, wie Demenz eine Familie leise und ohne großen Schrecken verändert“, so Schmidt.
David Wagner zeigte sich erfreut über die Einladung nach Montabaur (das im Buch auch erwähnt wird) und die große Resonanz: „Eigentlich geht es um eine Vater-Sohn-Beziehung, aber wegen der Krankheit des Vaters wächst nach und nach die ganze Familie wieder zusammen“. Er schildert, wie der Vater trotz Erkrankung noch eine Zeit allein in seinem Haus unweit von Bonn mit wechselnden Betreuerinnen leben kann. Dann sei der Umzug in ein Heim, eine großzügige „Pflegevilla“ direkt am Rhein, unvermeidlich gewesen. Der Umzug wird in dem Buch als heikle Angelegenheit geschildert: „Ich habe mit dem Vater einen Ausflug unternommen, der nicht in seinem Haus, sondern im neuen Pflegeheim endete“.
Auch nach dem Umzug besucht Sohn David den „Riesen“ regelmäßig. Einfühlsam hört der Sohn, den der Vater beständig „Freund“ nennt, dem alten Mann zu, auch wenn dieser in ständigen Wiederholungsschleifen stecken bleibt. Und immer wieder zwischendurch ein Refrain des Buches „Im Alter werden sie alle blöd“. So das Verdikt einer Tante über ihre Familie.
An die Lesung schloss sich eine Fragerunde an, die damit begann, ob der Vater denn Angst gehabt habe. „Wohl eher nicht, denn er hat immer vergessen was er vergessen hat“, so Wagner. Auf die Frage, wieso er den Vater denn im Titel als „Riese“ bezeichnet habe, findet sich die Antwort am Schluss des Buches: Früher in Kindertagen sei der Vater wirklich ein Riese gewesen – einer der alles wusste, auf den der Sohn klettern konnte, als sei der Vater eine Festung.
Anja Müller von der Buchhandlung „Erlesenes“ in Montabaur, die einen Büchertisch mit Werken von David Wagner anbot, zeigt sich erfreut über das rege Interesse an dem „vergesslichen Riesen“. Eine Angehörige einer ebenfalls demenzkranken Mutter meinte hinterher beim Imbiss, zu dem die Naspa eingeladen hatte: „Ein lehrreiches Buch aus dem Kinder von pflegebedürftigen Eltern etwas Kraft schöpfen können“.
(Uli Schmidt, Forum Soziale Gerechtigkeit)
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