Massive Kritik am Spahn-Rettungsschirm für Krankenhäuser
Was unsere Gesellschaft jetzt braucht sind funktionierende Krankenhäuser. Die Verantwortlichen in den Gesundheitseinrichtungen tun ebenso wie die Pfleger und Ärzte Übermenschliches, um der Pandemie so wirkungsvoll wie möglich zu begegnen und möglichst jedes Menschenleben zu retten. Die Bundesregierung hatte einen Rettungsschirm zugesagt, um den Gesundheitseinrichtungen in der Corona-Krise zu helfen.
Dierdorf. Am Montag will das Bundeskabinett ein Krankenhausentlastungsgesetz verabschieden. Das Ergebnis einer Telefonkonferenz der Gesundheitsminister/innen der Länder sieht vor, den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mögliche Verdienstausfälle zu erstatten und sich an den Mehrkosten zur Pandemiebekämpfung zu beteiligen, etwa für zusätzliche Intensivbetten.
Gesetzentwurf ist eine Katastrophe
Der Gesetzentwurf stößt bei Klinikverantwortlichen auf vollkommenes Unverständnis und massive Kritik. „Der Gesetzentwurf ist eine Katastrophe. Der zentrale Kritikpunkt liegt darin, dass der Gesetzgeber nach der aktuellen Finanzierungsregel nur variabel bezahlen würde. Aufgrund der aktuellen Situation ist daher jede Kalkulation unmöglich und das Risiko liegt komplett bei der Klinik. Das bricht das Versprechen der Politik zu einem umfassenden Schutzschirm für die Krankenhäuser“, sagt Guido Wernert, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Dierdorf/Selters (KHDS) und in Personalunion Geschäftsführer der St.-Vincenz-Krankenhausgesellschaft, Limburg und somit verantwortlich für vier Krankenhausstandorte (über vier Landkreise) mit einem Umsatzvolumen von rund 200 Millionen Euro und 2.400 Mitarbeiter/innen. Behandelt werden in den vier Standorten jährlich 37.000 stationäre Patienten sowie 90.000 ambulante Patienten.
Dass der Gesetzentwurf an der Realität vorbei läuft, zeigt auch die geplante Regelung zur Tagespauschale. Der Entwurf sieht 560 Euro/Tag vor. Aktuelle Zahlen aus dem Klinikalltag belegen Werte zwischen 650 und 1.000 Euro/Tag – außerhalb der Krise. Bei Spezialversorgern, wie beispielsweise BG-Kliniken liegt der Wert noch deutlich höher. Für den Mehraufwand pro Fall während der Krise will man sage und schreibe begrenzt für zwei Monate und nur 50 Euro vom Gesetzgeber für zum Beispiel sehr wichtige Schutzausrüstung her geben - so viel sind die Mitarbeiter der Kliniken dem Gesetzgeber wert.
Die Gesamtproblematik ergibt sich aus der wichtigen Verpflichtung der Kliniken, planbare Operationen abzusagen, um notwendige Betten und Personal für Covid-19-Patieten freizumachen. Darüber hinaus sind Krankenhäuser gehalten, die Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsgeräten auf fast 60.000 zu verdoppeln. Ein Intensivbett verursacht Kosten von circa 85.000 Euro. Bei einem geplanten Zuschuss von 50.000 Euro übernehmen die Kliniken auch in diesem Bereich ihre Verantwortung. Kein Klinik-Geschäftsführer hat mit der geplanten Regelung die reelle Chance, dass das Krankenhaus die Krise überlebt, geschweige denn kann er dem notwendigen Wunsch, Menschenleben maximal zu retten im Sinne von uns allen ehrlich nachkommen.
„Die Kliniken, die jetzt gefordert sind, werden im Stich gelassen“, erklärt der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Darüber hinaus wird die aus dem Regelsystem bekannte Dokumentations- und Verhandlungsbürokratie zwischen den Kassen beibehalten und vom Gesetzgeber somit eine unbürokratischere Vereinbarung zwischen Kliniken und Krankenkassen einfach weggewischt.
Appell an Erwin Rüddel: „Gefährden Sie nicht unser Gesundheitssystem“
Die Lösung liegt auf der Hand: Durch eine fixe Einnahmegarantie zuzüglich auskömmlicher Mehraufwandpauschalen (Gesamtbetragslösung), hätten die Kliniken den Handlungsrahmen, der in der momentanen Situation dringend notwendig - da lebensrettend - ist. Darum fordern Klink-Vertreter in dieser Krisensituation den Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag, Erwin Rüddel, öffentlich auf, sein Wort für die Patient/innen in Deutschland sowie die Kliniken und deren Mitarbeiter/innen zu erheben. „Herr Rüddel, wir appellieren an Sie: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und überzeugen Sie Herrn Spahn und die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder davon, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zuzustimmen. Falls dieser Plan Gesetz wird, setzt Deutschland nicht nur eines der besten Gesundheitssysteme der Welt sondern die Aufrechterhaltung der Krankenhausversorgung für die Bevölkerung und Menschenleben aufs Spiel“, so die Klinik-Vertreter.
„Was wir als Krankenhäuser an der Front erwarten ist, dass Sie Ihren Gesundheitsminister auffordern das Versprechen von Frau Merkel zu einem Schutzschirm zu halten. Nur so werden Sie und Ihre Mandatskollegen Ihrem Auftrag gerecht. In diesen Zeiten so wie geplant zu handeln ist fahrlässig - an der Grenze zur Verantwortungslosigkeit. Und vor allem ist dies entgegen dem, was wir in Deutschland derzeit mehr brauchen denn je: Funktionierende Gesundheitssysteme, um diese Krise so gut es geht zu überstehen und danach unser bisheriges Gesundheitssystem zum Wohle der Bevölkerung weiter auszubauen - das braucht Mut sowie Tatenkraft von Ihnen und allen Verantwortlichen!“
(Pressemitteilung)
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