Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Verwundert stellte Pfarrer van Kerkhof fest, dass die Wohnzimmertür geschlossen war. Eine Tür, die immer offenstand, solange er und seine Haushälterin nicht gemeinsam dahinter saßen und fernsahen oder er sein gepflogenes Mittagsschläfchen auf dem Sofa hielt.
Kölbingen. Die Geräusche aus dem Innern waren leicht einzuordnen – durch Klaras leichte Schwerhörigkeit war der Fernsehapparat recht laut eingestellt. Aber dass sie am Vormittag alleine dort drinnen saß und noch dazu die Tür zugemacht hatte, war schon recht merkwürdig. Der Pfarrer hob die Schultern. Stören wollte er jedenfalls nicht, dazu gab es keinen Anlass.
Als er eine halbe Stunde später aus seinem Büro in die Küche wechselte, saß Klara dort am Tisch, mit gefalteten Händen, jedoch nicht zum Innehalten, sondern sie ließ die Daumen umeinander kreisen, mal rechts, mal links herum. „Sie haben ferngesehen, meine Liebe?“, fragte er wie nebenbei und goss sich ein Glas Wasser ein. „Jetzt wollen Sie wohl wissen, was ich geguckt habe!“, erhielt er beinahe keck zur Antwort. „Und warum ich die Tür zugemacht habe, richtig?“
„Wenn Sie mich so fragen, ja, das würde mich interessieren.“ „Ich wollte mich einfach mal ohne Ihre Kommentare informieren, was überall los ist. Wir zwei sitzen ja nun pausenlos hier im Haus fest, da darf man sich ruhig mal aus dem Weg gehen. Außerdem hätten Sie mir wie meistens die Fernbedienung wieder weggenommen.“
Der Pfarrer drehte sich zur Seite und schmunzelte. Wer hier die eigentliche Herrschaft über die Fernbedienung hatte, stand außer Frage. Doch das spielte im Augenblick keine Rolle. „Und? Wollen Sie mir denn erzählen, was Sie sich angeschaut haben, Klara?“, fragte er freundlich. Trotz Klaras entnervter Miene ahnte er, dass er in wenigen Minuten alles wissen würde, was seine Haushälterin an Eindrücken mit aus dem Wohnzimmer gebracht hatte. Und er hatte Recht damit.
„Sie sind aber auch so was von neugierig, Herr Pfarrer, das haben Sie sich bis ins Alter nicht abgewöhnt. Aber na gut! - Also, der Prinz Charles hat jetzt auch Corona. Der sitzt deshalb in seinem Schloss in Schottland. Und Prinz Albert hat sich auch angesteckt. Bei wem, das haben sie nicht gesagt. Die Queen ist im Schloss Windsor und telefoniert von dort laufend mit dem englischen … wie heißt der noch mal, Sie wissen doch, der gelbhaarige, der sich nie kämmt ...“
„Sie meinen Boris Johnson“, sagte der Pfarrer und nahm ganz langsam und unauffällig auch am Tisch Platz, um Klara in ihrem Redefluss nicht abzulenken. „Genau der. Auch sein … hach, na, sein … Premierminister ist positiv getestet. Die arbeiten jetzt alle von daheim. Ob die Maxima und ihr Willem noch gesund sind, weiß ich nicht, Sie wissen doch, die netten Holländer ...“
„Aber sicher weiß ich, von wem Sie sprechen. Immerhin ist der junge König mein Namensvetter.“ „So ganz ja nun doch nicht. Er heißt … diese vielen Namen aber auch immer, mein Gedächtnis lässt doch ganz schön nach“, klagte Klara und schüttelte resigniert den Kopf. „Sie, meine Liebe, haben immer noch ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Glauben Sie mir das.“ Der Pfarrer warf einen raschen Blick auf den kleinen Stapel von Zeitschriften gleich neben ihnen auf der Fensterbank. Klaras 'Goldblätter', nannte er die Journale um Prominenz und Adel, Personen, denen sie auch in dieser Krisenzeit innerlich nahebleiben wollte.
„Um Ihnen aber kurz auf die Sprünge zu helfen: Sie sprechen von Willem-Alexander. - Was wollten Sie über ihn und seine Gemahlin berichten?“ „Ach so, ja, die haben ihr Schloss renovieren lassen, für zig Millionen. Ich meine, ich gönne ihnen das ja wirklich, wenn ich mir aber vorstelle, wie lange wir hier gebettelt haben, bis man uns mal die zwei morschen Stufen im Flur repariert hat ...“
„Ja, das hält alles keinen Vergleichen stand“, nickte van Kerkhof, dem jetzt klar war, warum seine Haushälterin den Fernseher einmal für sich alleine hatte beanspruchen wollen: Inmitten all der schlimmen Nachrichten hatte sie einfach ein wenig Abwechslung gebraucht.
Als Klara den offenen, interessierten Blick ihres Chefs wahrnahm, fügte sie eilig hinzu: „Der Plácido Domingo ist auch erkrankt. Und den Eiffelturm haben sie von oben bis unten glitzern lassen, als ein Dankeschön an all die Pflege- und Hilfskräfte.“ „Das war doch ein schönes Zeichen. Die Franzosen hat es mittlerweile ja auch ganz schlimm getroffen“, warf van Kerkhof ein.
„Ja, Frankreich und auch Spanien“, wiederholte Klara, „von den armen Italienern wollen wir erst gar nicht sprechen. Wir haben ja im Fernsehen erfahren, wie schlimm es um alle steht. Sonst hätte unser Papst das Urbi et Orbi nicht außer der Reihe erteilt. Wie einsam er da vor dem großen leeren Petersplatz gesessen hat ...“ Klara zog ein Taschentuch aus ihrem Kittel, schnäuzte sich und ließ den Kopf hängen. „Jetzt spüren wir, dass wir alle nur Menschen sind. Jeden kann es morgen schon treffen.“
Van Kerkhof hatte das Bedürfnis, seine gute Klara ein wenig zu ermutigen. „Ach, das wollte ich Ihnen noch sagen: In Diez kann man sich jetzt in einem umfunktionierten Parkhaus auf das Virus testen lassen. Da braucht man nur mit dem Auto hinzufahren und sich anzustellen.“ „Aber das ist ja mal ein gute Nachricht. Sollen wir das machen?“ Diese Information schien Klara in der Tat aufzumuntern.
„Allerdings müsste man dafür schon Symptome haben. Haben Sie denn welche?“, fragte der Pfarrer mit prüfendem Blick. Schon im nächsten Moment sprang Klara von ihrem Stuhl und van Kerkhof verfolgte, wie sie zuerst an der Garderobe an ihrer Handtasche nestelte und anschließend in der Speisekammer verschwand. „Eigentlich nicht“, rief sie ihm zu, „die haben gesagt, am Anfang könnte man Geruchsprobleme haben. Aber mein Kölnisch Wasser und das Maggi kann ich noch gut riechen.“ „Na, dann ist es ja gut“, sagte van Kerkhof mit einem zufriedenen Lächeln.
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
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