Klara trotzt Corona, X. Folge
GASTBEITRAG | Die Limburger Pfarrhausermittler lassen sich nicht unterkriegen, denn die Autoren Christiane Fuckert und Christoph Kloft schreiben täglich eine neue Episode, mit der Sie in dieser schweren Zeit am Alltag der schrulligen Haushälterin Klara Schrupp und ihres gutmütigen Chefs Pfarrer van Kerkhof teilhaben können. Damit wird Ihnen etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln geschenkt.
Kölbingen. Folge X vom 7. März
Seit zwei Stunden hatte der Pfarrer Klara nicht gesehen. Weit konnte sie nicht sein, sie ging höchstens noch in den Garten, denn ihre Angst vor dem Virus war einfach zu groß.
Van Kerkhof kam ein Gedanke: Warum sollte er die Gunst des Augenblicks nicht nutzen und nach langer Zeit wieder einmal nebenan im angebauten Schuppen seinem Laster nachgehen? Für Klara war seine Zigarettensucht, wie sie es nannte, ein rotes Tuch, und er wusste selbst, dass dies nicht gut war.
„Wenn Sie jetzt in dieser Zeit auch noch rauchen, dann ist es gleich vorbei mit Ihnen, wenn das Corona Sie erwischt!“ Natürlich hatte seine Haushälterin da nicht unrecht, und er hatte seine Besuche im Schuppen schon vor Monaten auf höchstens zwei oder drei in der Woche reduziert. In letzter Zeit war er gar nicht mehr dort gewesen. Aber jetzt? Warum nicht?
Van Kerkhof ging leise durch die Terrassentür und horchte noch einmal ins Haus: Kein Laut. Klara blieb verschwunden. Er würde später nach ihr suchen.
Nach ein paar Schritten stand er vor dem Schuppen. Da! War da nicht eben ein Geräusch gewesen? Es konnte nur Willi, der Kater, sein. Das Tierchen stöberte überall herum. Noch einmal ein leises Geräusch, das er nicht einordnen konnte. Der Pfarrer öffnete vorsichtig die Tür und dann sah er … Klara! Seine Haushälterin stand über die alte Werkbank gebeugt und fuhr jetzt erschrocken hoch.
„Herr Pfarrer, was machen Sie denn hier?“ Klara stellte sich vor die Arbeitsplatte und versuchte mit ihrem Körper einen großen Bogen Papier zu verbergen. „Das kann ich Sie auch fragen“, antwortete van Kerkhof. „Nun, ich mache was!“, antwortete Klara überrumpelt. „Das denke ich mir! Und was?“ „Ich bin noch nicht ganz fertig.“ Hastig schlug sie den Deckel eines Farbkastens zu. „Sie malen neuerdings?“ „Nicht ganz.“ „Wollen Sie mir nicht mal zeigen, was Sie da gemalt haben?“ „Na gut, warum nicht? Auch wenn Sie sowieso wieder sagen, dass das nichts ist.“ „Wieso sollte ich das?“ Klara holte tief Luft. „Meine Idee mit der Telefonseelsorge fanden Sie auch nicht gut!“
„Doch Klara, ich fand es sehr gut, dass wir uns am Telefon um Menschen kümmern sollen, die niemanden haben, mit dem sie über ihre Sorgen sprechen können. Ich fand nur, dass das nicht die Haushälterin allein machen soll, sondern der Pfarrer ihr helfen muss.“ „Das hat sich neulich aber anders angehört!“ „Sie sagen doch selbst, dass ich mich als Holländer nicht so gut ausdrücken kann.“
Ungeduldig trat van Kerkhof einen Schritt nach vorn. „Aber jetzt zeigen Sie schon her!“ „Wenn Sie unbedingt möchten. Aber bloß nicht lachen!“ Klara rückte zögernd zur Seite und gab schließlich den Blick auf ihr Werk frei.
„Frohe Ostern! Und ganz herzlichen Dank an euch Helfer da draußen!“, stand da in großen Buchstaben geschrieben, drumherum waren bunte Eier und Blumen gemalt.
Van Kerkhof verstand nicht sofort. „Was ist das? Für wen ist das?“ „Das ist für die ganzen Leute, die uns allen im Moment jeden Tag helfen, für die Leute, die sich für andere aufopfern und die den Laden am Laufen halten. Für die Ärzte, Krankenschwestern, für die Pfleger in Altenheimen, für die Sanitäter, Feuerwehrleute, für die Verkäuferinnen … für die alle ist das. Das Plakat stellen wir in unser Küchenfenster, und wenn einer von denen vorbeigeht, dann freut er sich und sieht, dass seine Arbeit von seinen Mitmenschen geschätzt wird!“
Van Kerkhof fuhr sich gerührt über die Augen. „Was für eine … wundervolle Idee!“, konnte er nur ergriffen stammeln. „Finden Sie? … Ehrlich?“ „Aber so was von ehrlich! Genau diese Leute haben jetzt unsere Ankerkennung verdient.“
„Das denke ich auch“, nickte Klara eifrig, „und vielleicht machen das andere Leute uns nach, und dann stehen plötzlich überall in den Fenstern solche Schilder, nicht nur bei uns in Limburg, sondern auch in anderen Orten, und immer, wenn dann so ein Held vorbeikommt, dann wird er sich freuen, weil er weiß, dass die Leute alle hinter ihm stehen!“ Sie redete sich richtig in Rage. „In jedem Haus so ein Schild, das ist nicht viel Arbeit, aber es macht den Leuten, die für uns den Kopf hinhalten, einfach nur ein bisschen Freude!“
„Wie schön das wäre!“, entfuhr es dem Pfarrer. Er besah sich das Plakat genau. „Und was für eine Arbeit Sie sich gemacht haben.“ „Ich habe schließlich mal einen Malkurs bei der Limburger Volkshochschule besucht“, antwortete Klara stolz. „Aber jetzt kann ich auch auf der Terrasse weitermalen. Sie sind mir ja sowieso dahinter gekommen.“ „Warum hätte ich das auch nicht sehen dürfen? Eine schönere Idee gibt es in diesen Tagen fast nicht!“
Klara nahm ihr Plakat vorsichtig auf und ging an van Kerkhof vorbei. Als sie draußen war, rief sie ihm im altgewohnten Tonfall zu: „Sie müssen übrigens Ihre Zigaretten nicht suchen. Die sind nicht mehr in Ihrem Gummistiefel, sondern in der Mülltonne. Rausholen hat keinen Sinn, denn ich habe jede einzeln kaputt gemacht.“ Dann war sie auch schon weg.
Van Kerkhof wollte erst böse werden, doch schon im nächsten Moment überwog die Heiterkeit und er musste lachen. Sie hatte ja so recht, die Gute, auch wenn sie schon etwas diplomatischer hätte vorgehen können. Aber so war Klara nun einmal, und das würde er ganz gewiss nicht mehr ändern. Der Pfarrer nahm sich jedenfalls vor, den Schuppen künftig nicht mehr aufzusuchen, jedenfalls nicht aus dem einen Grund, der ihn in den letzten Jahrzehnten so manches Mal hierher geführt hatte.
Er verschloss die Tür und ging ebenfalls zurück zum Haus. Auf der Terrasse blieb er kurz stehen und betrachtete noch einmal das Plakat, das Klara gerade am Ausschmücken war. „Was für eine herrliche Idee, diesen wunderbaren Menschen auf diese Weise zu danken, meine Liebe“, sagte er. „Dafür könnte ich Sie jetzt wirklich glatt einmal ...“ „Bloß nicht!“ Klara ging sofort in Abwehrstellung. „Ein Pfarrer drückt seine Haushälterin nicht. Das gehört sich nicht!“
Van Kerkhof lächelte einsichtig und wandte seinen Blick wieder auf das Plakat. „Frohe Ostern!“, las er laut. „Und ganz herzlichen Dank an euch Helfer da draußen!“ Tief bewegt wandte er sich Klara zu: „Dann kann ich jetzt nur noch sagen: Frohe Ostern, meine liebe Klara! Was wird das für ein schönes Fest – und das trotz Corona!“ (http://www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
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