Klara trotzt Corona, XI. Folge
GASTBEITRAG | Die Limburger Pfarrhausermittler lassen sich nicht unterkriegen, denn die Autoren Christiane Fuckert und Christoph Kloft schreiben täglich eine neue Episode, mit der Sie in dieser schweren Zeit am Alltag der schrulligen Haushälterin Klara Schrupp und ihres gutmütigen Chefs Pfarrer van Kerkhof teilhaben können. Damit wird Ihnen etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln geschenkt.
Folge XI vom 8. April
Kölbingen. „Herr Pfarrer, wer war das denn gerade am Telefon?“, rief Klara ihrem Chef durch den Hausflur zu. Als sie nicht sofort eine Antwort erhielt, lief sie ihm entgegen.
Van Kerkhof wusste, wie wichtig der Kontakt zur Außenwelt momentan für seine Haushälterin war und dass jede Neuigkeit sie brennend interessierte. Doch besonders diese hätte er ihr gerne erspart.
„Wie gucken Sie denn aus der Wäsche?“, fragte Klara mit vorwurfsvollem Unterton. „Da hat der Mann sein Lieblingsessen im Bauch und läuft mit einer Miene herum wie ein Sauertopf! Sind Ihnen die Heringe nicht bekommen?“ Gleich vor ihm betrachtete sie sein Gesicht genauer. „Jetzt sagen Sie bloß nicht, dass Sie sich krank fühlen. Haben Sie Fieber? Kratzt es Ihnen im Hals? Müssen Sie husten? Sie haben doch nicht etwa ...“ Mit großen Augen sprang Klara ein Stück zurück.
„Nichts von alldem“, beruhigte der Pfarrer sie. „Leider besteht dieser Verdacht aber bei jemand anderem. Unser Siggi hat angerufen, er muss in Quarantäne ...“
„Oh nein!“, stieß Klara entsetzt aus. „War der Dummkopf etwa bei seinem kranken Sohn in Berlin? Da konnte er sich das aber doch im Voraus ausrechnen, dass er sich ansteck...“ „Er war nicht in Berlin, meine Liebe, und er ist auch nicht krank. Als Sozialarbeiter hat er nur eben viele Kontakte und einer davon war fraglich. Deshalb muss Siggi zur Sicherheit ein paar Tage zu Hause bleiben, so lange, bis feststeht, ob ...“
„Ja, ja, ich weiß schon, bis der andere sein Ergebnis hat. Und was, wenn der infiziert ist? Dann dauert das wieder und wieder, bis Siggi auch getestet wurde.“ „So läuft das nun einmal, Klara. Genau darin liegt der Sinn für unsere Sicherheit.“
„Aber wer kauft dann für uns ein? Ich wollte gleich die Liste machen, was wir alles brauchen … Einen Hefezopf wollte ich uns endlich mal backen, der gehört doch in die Osterzeit. Die Hefe ist ja im Moment das neue Klopapier. Immer ausverkauft und mit jedem Tag teurer. Da sollte Siggi mal gucken, ob er welche für uns irgendwo günstiger bekommt. Ach, und Margarine haben wir nicht mehr und Kamillentee und Zahnpasta und was weiß ich alles. - Nein, so was brauchten wir jetzt aber wirklich nicht, einen Coronafall im Bekanntenkreis!“ Auf van Kerkhof wirkte die aufgebrachte Klara regelrecht beleidigt, und sie unterstrich diesen Trotz, indem sie feste mit dem Fuß aufstampfte. Jetzt musste der Pfarrer beinahe laut auflachen.
„Nun reißen Sie sich aber bitte mal zusammen, liebe Klara. Uns geht es doch noch gut hier, und jemanden, der für uns einkauft, finden wir auch noch. Zur Not lassen wir uns die Einkäufe bringen, das machen doch genügend Geschäfte zurzeit.“ „Dann kommen aber fremde Leute zu uns ans Haus, und die haben vielleicht schon viele andere Türklingeln angefasst bei wer weiß wem ...“
„Haben Sie doch ein bisschen Vertrauen in andere, die wissen schon, wie man sich verhält. Im Moment ist doch ohnehin jeder auf jeden angewiesen. Es geht gerade einmal nicht mehr um Wollen und Haben und Luxus und Hektik, es geht nur noch um Menschenleben, um Gesundheit und Hilfsbereitschaft und Geduld, rund um unseren ganzen Weltball.“
„Wenn Sie schon so rührselig daherpredigen, dann sagen Sie es wenigstens richtig: Das heißt Erdball“, lautete Klaras Reaktion, deren Blick im Hausflur verzweifelt hin und her huschte. „Hach, das Corona macht mich ganz verrückt“, sagte sie und ließ ihren Chef stehen, um sich ins Wohnzimmer zu verziehen.
„Es wird sich schon alles finden“, sprach van Kerkhof leise vor sich hin. Er betrat die Küche und kippte einen Fensterflügel. Dann zog er einen Stuhl heran und erfreute sich an der frischen, warmen Luft, die augenblicklich hereinströmte. Seine Augenlider wurden schwer und schon bald sackte sein Kopf zur Seite.
Geweckt wurde er durch die Haustürklingel und Klaras schnelle Schritte, begleitet von ungläubigem Geschimpfe. „Wer besitzt denn im Moment die Unverschämtheit und läutet bei anderen an der Tür?!“
Gleich darauf hielt er sich beide Hände vors Gesicht, ihm schwante nichts Gutes.
Die Stimme, die da vor der Haustür einen guten Tag wünschte, hatte er sofort erkannt. Wenn Klara jemanden nicht mochte, dann war das die Nachbarin von gegenüber. Am liebsten hätte der Pfarrer das Fenster geschlossen und sich in den hinteren Wohnbereich verzogen, damit ihm der Austausch, der unweigerlich folgen würde, erspart blieb, zumal seine Haushälterin ohnehin nervlich angeschlagen war.
„Was gibt es denn?“, vernahm er Klaras Stimme so nah, dass er auch ihre Miene blind hätte beschreiben können. Als Nächstes würde sie wohl kommandieren: „Treten Sie gefälligst etwas zurück!“ Doch da hatte er sich getäuscht. Die Stimme seiner Haushälterin klang ungewohnt freundlich. „Ja, was bringen Sie uns denn da? Einen Hefezopf! Wie kommen wir denn zu dieser Ehre?“ Nur ein winziger skeptischer Unterton schwang da mit, doch auch der verschwand mit den nächsten Worten. „Genau da habe ich heute Lust drauf. Als hätten Sie's geahnt. Ich würde Ihnen ja gern eine Tasse Kaffee anbieten, aber wir lassen keinen ins Haus. Wir gehören nämlich zur Risikogruppe, das wissen Sie ja bestimmt.“
„Natürlich. Genau deshalb bin ich gekommen“, hörte van Kerkhof die Nachbarin sagen. „Sie haben sich bestimmt schon gewundert, dass sich von uns so lange niemand draußen hat blicken lassen. Und Sie können sich denken, warum.“
„Ach, Sie hatten das wohl?“ Das war Klara, die jetzt unter Garantie einen Meter zurückgewichen war. „Ja, leider und gleichzeitig auch Gott sei Dank. Denn nach einem letzten Test wissen wir genau: Wir sind nicht nur wieder gesund, sondern stecken auch niemanden mehr an. Mein Mann und ich wollten gleich zum Einkaufen fahren, und da dachte ich, ich frage mal bei Ihnen nach, ob wir etwas für Sie mitbringen können. Sie werden ja selbst bestimmt nicht reinfahren nach Limburg?“
Van Kerkhof hinter seinem gekippten Fensterflügel hatte die Hände vom Gesicht genommen und saß jetzt gespannt und kerzengerade auf seinem Stuhl. „Das ist ja großartig!“, hörte er Klaras aufrichtige Freude. „Ich mache rasch einen Zettel. Kommen Sie doch in einer Viertelstunde nochmal wieder.“
Klara kam so strahlend in die Küche geweht wie eine frische Sommerbrise und stellte eine Platte mit einem Hefezopf, umringt von bunten Schokoladeneiern, auf den Tisch. „Schauen Sie, raten Sie mal, von wem der ist? Sie werden es nicht glauben … Und ich habe erst neulich noch so über sie geschimpft, weil sie in der Kirche so falsch singt und ich sie nicht leiden kann. Hach, wie tut mir das so leid! Wie man sich doch in den Menschen täuschen kann …“
Ihr Blick glitt über den geöffneten Fensterspalt und dann über das zuckende Gesicht ihres Chefs. „Sie lassen mich hier erzählen und bereuen, und dabei haben Sie uns die ganze Zeit belauscht!“
„Sehen Sie, meine Liebe, es wird sich alles finden“, sagte der Pfarrer gut gelaunt. (www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
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