Klara trotzt Corona, XIV. Folge
GASTBEITRAG | Die Autoren der Limburg-Krimis, Christiane Fuckert und Christoph Kloft möchten Ihnen mit täglich neuen Episoden, mit denen Sie in dieser schweren Zeit am Alltag von Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof teilhaben können, etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln schenken, wenn Sie sehen, wie Klara und van Kerkhof ihren Alltag bewältigen, denn die Limburger Pfarrhausermittler lassen sich nicht unterkriegen.
Kölbingen. Klara trotzt Corona, Folge 14 vom 15. April
Klara wirkte nach dem Frühstück seltsam unruhig. Sie lief durchs Wohnzimmer, öffnete die Terrassentür, schloss sie wieder, eilte an die Haustür, streckte ihre Nase ins Freie, schloss auch diese Tür wieder und wühlte dann an der Garderobe herum.
„Da hängt er ja!“, rief sie voller Freude. „Von wem sprechen Sie?“, fragte der Pfarrer amüsiert. „Na, von meinem dünnen Mantel. Jetzt legen Sie mal Ihre Zeitung weg und ziehen sich die Jacke an. Ich will jetzt einen Ausflug machen, wenigstens einen ganz kurzen. Sehen Sie doch mal, das schöne Wetter da draußen. Und immer sind wir hier im Pfarrhaus. Überall fängt es an zu blühen, wir kriegen gar nichts davon mit.“
Erstaunt hatte van Kerkhof ihr zugehört. „Sie meinen, so richtig? Mit dem Auto?“ „So richtig, genau. Jetzt gucken Sie nicht wie ein Auto, holen Sie unseres lieber mal aus der Garage. So ein altes Ding, das muss doch mal bewegt werden. Ob es überhaupt noch anspringt?“
Augenblicklich geriet der Pfarrer in einen Zwiespalt. Wie gern würde er seiner Haushälterin diesen Wunsch erfüllen, zumal es auch ihn aus diesen vier Wänden zog, in denen sie sich nun schon seit Wochen gemeinsam aufhielten. „Sie wissen aber, dass solche Spazierfahrten zur Zeit nicht sein sollen?“, gab er zu bedenken.
„Ach, bitte, Herr Pfarrer, wir steigen doch gar nicht aus, nur mal ein bisschen an der Lahn entlang, einfach nur aus dem Fenster sehen. Irgendjemand muss doch die Natur auch mal bewundern“, flehte Klara, wurde jedoch sogleich wieder fordernd. „Aber zuerst will ich noch durch Limburg fahren. So ganz glaube ich nämlich nicht, dass alles menschenleer ist wie im Fernsehen. Bestimmt sind doch ganz schön viele Leute in der Stadt unterwegs.“
„Das denke ich zwar nicht, aber wir überzeugen uns selbst“, sagte van Kerkhof. Sein Entschluss stand fest: Er wollte Klara und auch sich selbst dieses kleine Vergehen genehmigen. Kurz darauf war er in der Tat erleichtert, dass der alte Kastenwagen beim zweiten Versuch ansprang und eine zufrieden nickende Klara in Mantel und schräg sitzendem Hütchen vor dem Haus einsteigen konnte.
„Was haben Sie denn da mitgenommen?“, fragte er gleich darauf mit einem Blick auf das dunkelrote Gerät, das Klara in ihren Schoß gebettet hatte.
„Das ist doch unser alter Kassettenrecorder. Bevor da im Radio wieder nur die schlimmen Nachrichten laufen, dachte ich mir, wir hören beim Fahren doch besser die Matthäus-Passion. Kassette steckt schon drin.“ Sogleich klapperten ihre Finger unkoordiniert auf den Tasten des Apparates herum. „Aber liebe Klara, wir haben die Passion doch über die Ostertage schon mehrmals gehört. Außerdem klingt unser CD-Spieler viel besser als dieses alte Gerät. Sie können daheim gerne heute Abend noch einmal ...“
„Seien Sie jetzt mal still, ich muss mich konzentrieren.“ Wahrhaftig gelang es Klara, den Recorder in Gang zu setzen. Leider war sie selbst über den scheppernden Klang enttäuscht. Mit der flachen Hand schlug sie auf den Lautsprecher ein.
„Da wird Staub im Gehäuse hängen“, kommentierte der Pfarrer die eiernden, unscharfen Geräusche, die das Auto ausfüllten. „Erzählen Sie mir nicht, ich würde keinen Staub wischen!“, schimpfte Klara mit bösem Blick von der Seite.
„Jetzt lassen Sie Ihren Ärger nicht an mir aus, Klara. Warten Sie, ich suche uns schöne klassische Musik.“ Während er am Radio drehte, hatte seine Haushälterin die Klappe am Recorder geöffnet und die Kassette entnommen, die sie nun ein paar Mal gegen das Armaturenbrett schlug. „Da sehen Sie, es lag nicht am Staub!“, triumphierte sie gleich darauf, als die so vertrauten Klänge des großen Werkes von Bach erklangen. Der Pfarrer seufzte in sich hinein, war aber umgehend versöhnt, als Klara neben ihm die Lautstärke auf ein erträgliches Volumen zurücknahm.
„Wir müssen noch tanken“, stellte er fest. „Haben Sie Geld mitgenommen?“, forschte Klara hektisch nach. „Fünfzehn Euro“, konnte van Kerkhof bestätigen. „Für eine kleine Sprittour genügt das.“
„Ha, Sie meinen Spritztour!“, warf Klara ein. „Ist mir schon klar, dass Sie Holländer vom Spritgeld auf Spritztour kommen und Sprittour sagen, weil Sie s weit noch lange nicht sind mit Ihrem Deutsch. - Aber sehen Sie, die Straßen sind ja wirklich fast menschenleer. Und so wenig Autos fahren …“
Je weiter sie sich dem Stadtkern näherten, umso ungläubiger gebärdete sich Klara auf dem Beifahrersitz. „Das sieht hier aus wie im Fernsehen!“, stieß sie fassungslos aus.
„Ja, alle Leute nehmen die Aufforderungen ernst“, bestätigte van Kerkhof leise. Wie traurig doch all das war. Wenn er an den Ostergottesdienst des Bischofs im leeren Dom zurückdachte, den sie zusammen mit zahllosen anderen Zuschauern von daheim aus übers Internet verfolgt hatten … Klara hatte im Büro vor dem Computer zwei Stühle nebeneinander aufgestellt und war im guten Kostüm und mit Gesangbuch erschienen und hatte sogar ein wenig geweint …
„Ah, da können wir tanken!“, unterbrach er seine wehmütigen Gedanken. Er fuhr in die Einfahrt der Tankstelle, hielt vor einer Zapfsäule und stieg aus. Noch bevor er den Zapfhahn in der Hand hatte, sprang ein junger Mann im Overall auf ihn zu und bot ihm an: „Darf ich Ihnen helfen?“
„Aber gern“, sagte van Kerkhof und ging ein Stück zur Seite. Klara kurbelte die Scheibe herunter und streckte den Kopf hinaus. „Geben Sie genau acht, dass das nicht teurer wird als fünfzehn Euro. Wir haben nicht mehr dabei“, befahl sie im gewohnten Kommandoton. Der Junge nickte ihr gehorsam zu und drehte am Tankdeckel. „Mehr Benzin brauchen wir jetzt ja auch nicht“, erklärte Klara lautstark durchs Fenster. „Wir haben zurzeit schließlich Corona!“
Der Pfarrer sog die Luft ein, ahnte er doch, was jetzt folgte. Denn obwohl seine Haushälterin das letzte Wort so selbstverständlich anwandte, als handelte es sich dabei um eine Jahreszeit, drückte der junge Mann dem Pfarrer den Zapfhahn in die Hand und eilte davon, indem er rief: „Da tanken Sie mal besser selbst! Einfach unverschämt, in dem Zustand durch die Gegend zu gondeln … Immer noch nix kapiert!“
„So ein frecher Lümmel!“, hörte van Kerkhof Klara murren, während sie ihre Scheibe wieder hochdrehte. „Nur weil unser Auto alt ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht in einem guten Zustand ist!“
Der Pfarrer seufzte, und während er den Zapfhahn bediente, überlegte er, wie er beim Bezahlen dieses peinliche Missverständnis aufklären konnte. (www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, XIII. Folge
Klara trotzt Corona, XII. Folge
Klara trotzt Corona, XI. Folge
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
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