IHK-Beirat: Das Härteste kommt noch
Es war diesmal keine normale Frühjahrssitzung zu der der Beirat des IHK-Regionalgeschäftsstelle Montabaur vor wenigen Tagen zusammenkam. Nicht nur inhaltlich wurde das Zusammentreffen des Unternehmergremiums vom Corona-Thema dominiert. Wie in diesen Tagen fast schon Routine, fand die Sitzung der Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Rhein-Lahn-Kreis und dem Westerwaldkreis als Video-Konferenz online statt.
Montabaur. Berichtet wurde von Zwölf-Stunden-Tagen, in denen versucht wird, die Unternehmen am Laufen zu halten. In den Belegschaften herrsche viel Angst und Unsicherheit darüber, ob der eigene Betrieb die Kraft habe, diese Zeit zu überstehen. Zugleich werde in den mittelständischen Unternehmen der Region die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Lage sehr gut einzuschätzen wüssten und sich ausgesprochen loyal zu ihren Betrieben verhielten.
Der Beirat warnt davor, in dieser Situation aus parteitaktischen Erwägungen heraus Zwietracht zu säen. Nun sei die Zeit des Zusammenhaltens. Durchweg seien mittlerweile alle Betriebe in beiden Landkreisen von den Folgen des örtlichen wie internationalen Shut-down in der einen oder anderen Weise betroffen – ganz gleich ob Industriebetrieb, Handelsgeschäft, Dienstleister, Gastronomiebetrieb, Handwerker, Solo-Unternehmen oder Start-up.
Wer nicht komplett schließen musste, wie zum Beispiel im Facheinzelhandel oder in der Gastronomie, der kämpft mit Auftragsrückgängen zwischen mindestens 50 bis sogar 100 Prozent. Teilweise seien die Lieferketten erheblich gestört – insbesondere bei international ausgerichteten Industriebetrieben der Region. „Selbst wenn dies unter Einsatz der staatlichen Hilfsmittel wie Kurzarbeit und der Stundung von Steuer- und Tilgungszahlungen gelingen sollte, so bedeutet das längst nicht, dass nach dem Ende des Shut-down noch genügend Kraft vorhanden ist, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Systeme wieder hochzufahren, Lieferketten in Stand zu setzen und Eigenkapital aufzubauen wird eine große Herausforderung sein. Das Härteste kommt noch!“, so die Beiräte in der Video-Schalte. Start-ups bzw. Gründer befänden sich per se in einer sehr volatilen Phase ihres Unternehmens ohne ausreichendes Eigenkapital. Diese seien nun ebenfalls extrem betroffen. Das Abschmelzen der gegebenenfalls vorhandenen finanziellen Reserven beschleunige sich. Betriebe berichteten jetzt schon von ersten Insolvenzmeldungen in ihren Lieferketten.
Viel Diskussionsraum nahm die Bewilligungspraxis der verschiedenen Hilfsprogramme in Rheinland-Pfalz ein. Alle Beiräte berichteten von teilweise empörten bis verzweifelten Kontaktaufnahmen durch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Unternehmen. Diese Erfahrung mache vor allem aber die Corona-Hotline der IHK Koblenz. Viele Anrufer warteten schon seit fast drei Wochen auf die beantragten Gelder aus dem Corona-Hilfspaket oder zumindest eine Eingangsbestätigung, gleichwohl ihnen von der Politik Hilfe innerhalb weniger Tage nach Antragstellung versichert worden sei. „Wir verstehen, dass dies auch für die Ministerien, Verwaltungen und Förderbanken eine Extremsituation ohne Beispiel darstellt. Es ist aber ein No-go, wenn man im digitalen Zeitalter auch hinsichtlich der Informationspolitik gegenüber den Antragstellern diese so alleine lässt – gerade in dieser Situation.“, so der Beirat der IHK-Geschäftsstelle Montabaur. Die Unternehmen erwarteten ein unbürokratisches, zeitnahes Fördermittel-Handling auf allen Ebenen der hierin involvierten Finanzwirtschaft.
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Zudem habe man in dieser Situation mit Sorge für die Zukunft grundsätzlich erfahren müssen, dass die Politik auf Bundes- und Landesebene es zwar mit den finanziellen Hilfsmaßnahmen für die kleinen und mittelständischen Unternehmen gut meine und sich sehr bemühe, doch faktisch ganz weit weg von der operativen Wirtschaftspraxis sei. Dies gelte ganz besonders mit Blick auf die Berücksichtigung der Finanzierungsrahmenbedingungen bei der Ausgestaltung der Corona-Hilfsmaßnahmen. Gleiches gelte für die anstehenden Lockerungen im Einzelhandel gemessen an der Größe der Verkaufsfläche. „Die Gesundheit hat Priorität. Deshalb wäre es auch besser, die Möglichkeit der Wiedereröffnung an das Vorhandensein von Hygienekonzepten im jeweiligen Geschäft zu koppeln. So würden auch Wettbewerbsverzerrungen vermieden.“, meinen die IHK-Beiräte.
Kleine Lichtblicke gibt es aber offenbar auch: Man stelle eine sehr ausgeprägte Flexibilität und großen Ideenreichtum in Unternehmen fest, um diese am Laufen zu halten. So halte zum Beispiel bei manchen Betrieben im Anlagen- und Maschinenbau die Online-Inbetriebnahme bei Kunden verstärkt Einzug, ohne dass Montageteams vor Ort beim Kunden sein müssten. (PM)
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