Kirburg: 30 Gläubige feiern ungewöhnlichen Gottesdienst
Vor acht Wochen hätte die Szene skurril gewirkt. Heute fühlt es sich normal an, dass es nicht nach Kerzenwachs, sondern nach Desinfektionsmitteln riecht. Oder dass man auf beschlagene Brillen und maskierte Münder blickt. Den liebgewonnenen Händedruck oder die Umarmung gibt’s heute auch nicht; stattdessen muss am Eingang der Evangelischen Kirche Kirburg jeder Gottesdienstbesucher seine Kontaktdaten hinterlassen.
Kirburg. Es ist der erste Gottesdienst in Kirburg seit Wochen – und einer der ersten im Westerwald, nachdem Land und Landeskirche grünes Licht für religiöse Zusammenkünfte gegeben haben. Eine Feier unter strengen Auflagen. Aber eine, die die rund 30 Gäste in der Kirche schmerzlich vermisst haben.
Kirburg hat sich ins Zeug gelegt: Per Umlaufbeschluss einigt sich der Kirchenvorstand auf ein „Schutzkonzept“. Darin ist zum Beispiel vom Mindestabstand, von einer Dokumentationspflicht und von Hygienemaßnahmen die Rede. In Kirburg setzt die Gemeinde das Konzept in die Praxis um: Am Eingang steht eine Flasche mit Desinfektionsmitteln; Gemeindesekretärin Sabine Richter notiert sich Name und Anschrift jedes Besuchers; farbige Bänder zeigen, wo sich die Leute hinsetzen dürfen und wo nicht.
„Wir müssen nun einmal mit dem Virus leben“, sagt Pfarrer Rüdiger Stein in seinen blauen Mundschutz hinein. „Der Gottesdienst soll helfen, dass wieder ein Stück Normalität ins Leben kommt. Klar – es ist ein Testlauf, und wir haben noch nicht großartig für diesen ersten Gottesdienst geworben. Aber wir wollen zeigen, dass sowas auch in Zeiten von Corona möglich ist und anderen Kirchengemeinden damit Mut machen.“
Normal statt skurril: Die Kirburger lassen sich auf den Gottesdienst unter besonderen Bedingungen gerne ein - und nehmen es mit Humor. „Mit der Maske hast Du ganz schöne Segelohren“, sagt der eine, und der andere kontert augenzwinkernd: „Sei bloß froh, dass wir Abstand halten müssen!“
Das Abstandhalten ist in der großen Kirburger Kirche wirklich kein Problem: Paare sitzen beisammen, ansonsten ist zwischen den Besuchern ordentlich Luft. Auch Pfarrer Stein kann in sicherer Distanz zur Gemeinde predigen und legt deswegen seinen Mundschutz ab. „Heute ist der Sonntag ,Jubilate‘: Singen dürfen wir zwar nicht, aber lassen Sie uns Gott im Herzen zujubeln. Denn er hält keinen Abstand, sondern ist uns in Jesus ganz nah geworden.“
Der musikalische Jubel kommt an diesem Sonntagmorgen freilich nur von Felix Flemming. Der Organist spielt „Amazing Grace“ oder „Ich singe Dir mit Herz und Mund“ als Instrumentalstücke. Und die Gemeinde summt im Herzen mit.
Gottesdienste in Corona-Zeiten sind anders. Der Kirburger „Testlauf“ zeigt, dass sie trotzdem funktionieren können. Und dass sie guttun: „Nicht nur das, was wir im Supermarkt bekommen, gibt uns Kraft“, sagt Pfarrer Rüdiger Stein während seiner Predigt. „Gottes Wort ist Nahrung und stärkt unser Innerstes. Deshalb ist es schön, dass wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern können.“ Die Kirburger sind offenbar der gleichen Meinung: Am Ende bedanken sie sich mit Applaus. „So schön die Gottesdienste per Whatsapp und Youtube auch sind: Das hier ist schon was anderes, als zuhause zu sitzen“, meint Besucherin Manuela Groß und spricht damit den anderen aus der Seele. „Die Gemeinschaft ist eben viel wert.“ (bon)
In den kommenden Sonntagen laden auch die anderen Evangelischen Kirchengemeinden des Westerwalds wieder zu Gottesdiensten in Kirchen ein. Weitere Infos gibt es auf der Homepage des Evangelischen Dekanats Westerwald www.evangelischimwesterwald.de sowie bei den Kirchengemeinden vor Ort.
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