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Nachricht vom 21.05.2020    

Klara trotzt Corona, XXIX. Folge

GASTBEITRAG | Mit wöchentlich neuen Episoden möchten Ihnen die Autoren der Limburg-Krimis, Christiane Fuckert und Christoph Kloft, den Leserinnen und Lesern etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln schenken, wenn Sie sehen, wie die schrullige Haushälterin Klara Schrupp und ihr gutmütiger Chef Pfarrer van Kerkhof ihren Alltag bewältigen.

Symbolfoto

Kölbingen. Klara trotzt Corona, 29. Folge vom 21. Mai
Ein lautes, polterndes Geräusch ließ Klara aus dem Schlaf schrecken. Sofort saß sie kerzengerade im Bett. Sie reckte den Hals vor und kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich darauf, ob noch etwas zu hören war oder ob sie vielmehr den Eindrücken eines Traumes erlegen war. Doch in der Tat war da wieder etwas. Es kam aus dem Erdgeschoss. Einbrecher!

Mechanisch griff sie nach dem ausrangierten Kartoffelstampfer gleich neben ihrem Bett, mit dem sie sich in Ernstfällen an der Zwischenwand zum Zimmer ihres Chefs hin bemerkbar machen konnte. Bemüht leise stand sie auf und schlüpfte in ihren Steppmantel und die Wollpantoffel. Ihr Herz schlug bis hinauf in ihren Hals. War sie auch ansonsten mit Eifer und Mut dabei, wenn es um kriminalistische Geschehen ging, die andere betrafen, so brauchte sie solche Herausforderungen im Privatbereich auf gar keinen Fall. Vorsichtig öffnete sie ihre Schlafzimmertür, horchte noch einmal angestrengt in die Dunkelheit, bevor sie sich überzeugte, dass die Tür des Pfarrers geschlossen war. Ihn jetzt zu wecken, wäre nicht hilfreich, im Gegenteil: Aus dem Schlaf gerissen, war ihr Chef stets laut und tollpatschig und erst einmal für nichts zu gebrauchen.

Am Treppengeländer blieb Klara stehen, mit erhobener Küchenwaffe zur Verteidigung. Sie beschloss, sich langsam und möglichst geräuschlos nach unten zu bewegen – zum Glück waren die alten knarrenden Holzstufen ausgewechselt worden. Aber ob sie mit einem, wenn nicht gar mehreren Räubern alleine fertig wurde? Die Säure stieg ihr in den Mund und sie musste heftig aufstoßen.

„Klara?“ „Haaaaach! Sie turnen da unten rum! Was hab ich jetzt einen Schrecken gekriegt! Du meine Güte, Herr Pfarrer, was machen Sie denn da für einen Krach mitten in der Nacht?“ „Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Klara. Ich habe fürchterliche Zahnschmerzen und kann einfach nicht schlafen. Im Dunkeln ist mir Willi dann noch vor die Füße gelaufen und ich bin gefallen. Der Stuhl ist umgekippt ...“

„Haben Sie unserem Kater weh getan?!“ „Ich denke nicht, er steht hier und schaut mich an. - Aber mein Zahn unten links ...“ „Bringen Sie Willi wieder in sein Körbchen und holen Sie sich aus dem Gewürzschrank zwei Nelken, die packen Sie bei den Zahn, dann gibt er Ruhe. Und jetzt leise und gute Nacht!“

Van Kerkhof hatte trotz des Ratschlags seiner Haushälterin keinen Schlaf mehr gefunden. Nachlässig angekleidet und mit einem nassen Waschlappen, den er gegen seine Wange drückte, begab er sich am Morgen nach unten, wo Klara schon das Frühstück zubereitete. „Es tut mir leid, aber ich kann nichts essen“, sagte er und stöhnte, als er sich auf seinem Stuhl niederließ. „Ich melde mich jetzt beim Zahnarzt an und fahre gleich dort hin.“

„So ein Unsinn!“, tat Klara sein Vorhaben ab. „Wir haben Corona-Zeiten, da hat bestimmt keiner geöffnet. Überlegen Sie doch mal: Ein Zahnarzt müsste mit seinem Gesicht ganz nah vor ihrem Mund hantieren, wer will so was denn momentan machen? Außerdem haben die Ärzte doch zur Zeit gar nichts Richtiges anzuziehen. Wir haben im Fernsehen doch all die halbnackten Leute vor der Kamera gesehen, nicht wahr?“

Van Kerkhof stöhnte auf und hielt sich die Wange. „Was ist?“ „Aaah, es pocht ...“ „Das hört bestimmt gleich auf. Trinken Sie mal einen Schluck Kaffee. Sie haben aber meine Frage nicht beantwortet. Diese Ärzte in Unterwäsche, da können Sie sich doch auch dran erinnern?“ Der Pfarrer drückte nun beide Hände auf die schmerzende Gesichtshälfte. „Dat was een demonstratie“, seufzte er entnervt.

„Weil Sie Zahnweh haben, kann Ihr Kopf jetzt also nur noch Holländisch. Von mir aus, ich habe es trotzdem verstanden. Außerdem weiß ich, wofür die demonstriert haben. Es gab nicht genügend Schutzkleidung. Und ich habe nicht mitbekommen, dass sie jetzt welche haben. Also kann es sein, dass keine Zahnarztpraxis ...“ Sie unterbrach sich, weil sie wahrnahm, dass ihr Chef ihr gar nicht zuhörte. Ratlos hob sie die Schultern, goss sich eine Tasse Kaffee ein und schlürfte zwei Mal geräuschvoll und sichtbar genüsslich, sodass van Kerkhof sie für den Augenblick heftig beneidete und ausnahmsweise gerne einmal in ihrer Haut gesteckt hätte.

„Es gibt Notdienste, schon von Anfang an, Klara. Mein Zahn klopft bis in die Ohren. Das ist kaum mehr auszuhalten.“

Klara erhob sich und murmelte gleich darauf mit dem Kopf im Kühlschrank: „Wenn Männer mal was haben ...“ Dann drehte sie sich zu ihm um und wies ihren Chef mit veränderter Stimme an: „Wie Sie meinen, Herr Pfarrer. Suchen Sie sich einen Notdienst, und dann fahren wir von mir aus dahin. Aber mit Mundschutz, und darin am besten noch ein Taschentuch.“ Sie eilte zur Garderobe und kam mit zwei ihrer selbstgenähten karierten Stoffteile zurück, legte eines davon dem Pfarrer vor die Nase und holte anschließend das Telefonbuch dazu. „Da, bitte, versuchen Sie Ihr Glück. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel.“

Gegen Mittag parkte van Kerkhof den alten Kastenwagen vor der Praxis, die ihm ohne Umstände einen kurzfristigen Termin für eine Behandlung gegeben hatte. Klara warf ihm einen scheelen Blick vom Beifahrersitz zu. „Na ja, dick ist Ihre Backe ja, da scheint schon was dran zu sein an Ihrem Gejammer. - Den Mundschutz!“



Trotz seiner Schmerzen amüsierte es van Kerkhof, wie groß Klaras Augen waren, als er einen eigenen medizinischen Mund-Nasenschutz aus dem Seitenfach im Auto zog.

„Wo haben Sie den denn her?! Den habe ich noch nie gesehen!“ „Damit hat uns der Pfarrgemeinderat gleich zu Beginn alle versorgt. In Ihrer Seite steckt auch einer ...“

Klara sog die Luft ein. „Das war einfach hinterhältig von Ihnen, Herr Pfarrer!“, entrüstete sie sich. „Lässt mich da stundenlang nähen, obwohl wir längst so was haben. - Jetzt tun Sie mir überhaupt nicht mehr leid, selbst wenn die da drinnen mit ein paar Leuten an der Zange hängen müssen, bis das Ding draußen ist!“ Schon war die resolute Haushälterin ausgestiegen und hatte die Autotür zugeschlagen.

„Lassen Sie mich mal vorgehen.“ Zögernd streckte Klara den Kopf in den Praxisraum. „Ei, hier ist ja gar niemand außer uns. Dann machen Sie mal, Herr Pfarrer, aber mit Abstand! Und seien Sie nicht so empfindlich.“

Van Kerkhof wies seine Begleiterin mit strengem Blick und einer überdeutlichen Handbewegung an, sich jetzt zurückzuhalten. Glücklicherweise zog sie sogleich den Kopf ein und trat einen Schritt nach hinten. Während sie gebeten wurde, im leeren Wartezimmer Platz zu nehmen, konnte er bereits einen Behandlungsraum betreten.

Der Zahnarzt mit Brille und einem Plexiglasvisier vor dem Gesicht arbeitete konzentriert und einfühlsam. Er unterbrach seine Arbeit nur bei den gelegentlichen Geräuschen, die aus dem Wartezimmer drangen. „Da scheint aber jemand besondere Nöte zu haben“, meinte er mit verschmitzter Miene, „oder ein ausgeprägtes Temperament.“

Van Kerkhof rollte mit den Augen, dann schloss er sie und hoffte inbrünstig, dass seine Haushälterin dort draußen nicht die Gemüter überstrapazierte.

Bis sie eine Weile später wieder im Auto saßen, tauschten sie sich nicht großartig aus. Erst als beide Türen geschlossen waren, fragte Klara: „Und? Was war denn mit Ihrem Zahn? Ich nehme an, den mussten sie dalassen?“

Van Kerkhof schüttelte den Kopf. „Nerv gezogen“, nuschelte er. „Wie, so krank war das Ding? Aber Sie wissen doch, dass tote Zähne nur Zeitbomben für den Körper sind! Waren Sie mal wieder zu ängstlich, was? Oder zu eitel? In Ihrem Alter kommt es doch nicht mehr auf einen Zahn mehr oder weniger ...“

„Der Arzt hat so entschieden. Wir werden später eine gemeinsame Lösung suchen.“ Der Pfarrer deutete auf seine noch taube Lippe, wollte Klara verständlich machen, dass er keine Lust hatte, jetzt viel zu erklären. Das wiederum schien diese zu begrüßen, denn ohne Einwand übernahm sie das Wort.

„Das hat mal wieder so richtig gutgetan, mal raus zu kommen unter die Leute, was? - Ich wollte damit jetzt nicht sagen, dass ich froh bin über Ihre Zahnschmerzen. Aber die in der Praxis waren gut … also, wie sagt man … gut organisiert. Ja, das waren sie! Außer uns niemand da, bis auf das Personal. Nur die Stühle im Wartezimmer standen zu nah beieinander. Es hat schon ein paar Sätze gebraucht, bis ich einen Zollstock hatte, aber jetzt stehen sie richtig! - Hach, Herr Pfarrer, ich hatte ganz vergessen, wie schön und spannend das Leben sein kann. Endlich wieder einmal mitreden! Und warten Sie ab, sehr bald wird sich auch unser Freund, der Kommissar, wieder melden, damit wir ihm helfen zu ermitteln. Die Menschen werden mutiger und gehen wieder aus den Häusern. Ob das nun gut ist, kann ich nicht beurteilen, jedenfalls wird so manch einer dann auch schnell mal kriminell. Sogar hier in Limburg. – Wenn Sie gleich noch nicht kauen können, mache ich am besten ein Kartoffel-Gemüse-Püree, das rutscht einfach durch, wie bei den zahnlosen Kleinkindern. Und danach können Sie gerne das Sofa im Wohnzimmer für sich haben. Bisschen Corona im Fernsehen gucken. Heute Abend wäre aber mal wieder ein Krimi was Feines. Ob es bald Corona-Krimis gibt?“

Van Kerkhof konzentrierte sich schweigend auf den Straßenverkehr und ließ seine aufgewühlte Haushälterin plappern. Hauptsache, die bohrenden Zahnschmerzen würden sich nicht mehr melden, wenn die Wirkung der Spritze nachgelassen hatte. (www.christoph-kloft.de)

Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, XXVIII. Folge
Klara trotzt Corona, XXVII. Folge
Klara trotzt Corona, XXVI. Folge
Klara trotzt Corona, XXV. Folge
Klara trotzt Corona, XXIV. Folge
Klara trotzt Corona, XXIII. Folge
Klara trotzt Corona, XXII. Folge
Klara trotzt Corona, XXI. Folge
Klara trotzt Corona, XX. Folge
Klara trotzt Corona, XIX. Folge
Klara trotzt Corona, XVIII. Folge
Klara trotzt Corona, XVII. Folge
Klara trotzt Corona, XVI. Folge
Klara trotzt Corona, XV. Folge
Klara trotzt Corona, XIV. Folge
Klara trotzt Corona, XIII. Folge
Klara trotzt Corona, XII. Folge
Klara trotzt Corona, XI. Folge
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise




Mehr dazu:   Coronavirus  
Lokales: Westerburg & Umgebung

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