Höchstenbach feiert Kirmes der besonderen Art
Von Helmi Tischler-Venter
Am Pfingstwochenende wäre eigentlich Kirmes in Höchstenbach gewesen, die aber wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden kann. Schweren Herzens entschloss man sich zur Absage der diesjährigen Kirmesfeier. Nichtsdestotrotz hat sich der sehr kreative Vorstand der Kirmesgesellschaft einige Dinge einfallen lassen, um trotzdem im Dorf ein wenig Kirmesstimmung zu verbreiten. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Videos, die in verschiedenen sozialen Medien (hauptsächlich Instagram: @kghoechstenbach) veröffentlicht werden oder auch der unterhaltsam-informative „Kirmes-Kurier“.
Höchstenbach. Das ist eine Zeitung, die eigens für diese „Corona"-Kirmes erstellt und bei einer Auflage von 500 Stück verteilt wurde. Drei Ausgaben sind konzipiert, die 3.Ausgabe erscheint zum Kirmestermin am Pfingstwochenende.
Im ersten Kirmes-Kurier wird deutlich, dass die Kirmesgesellschaft neben der Lust am Feiern sehr viel Gemeinsinn besitzt. Den Einkaufsservice der Kirmesgesellschaft #fuereinanderda können alle Bürgerinnen und Bürger in und um Höchstenbach nutzen. Die Kirmesmädchen und –jungen helfen gern bei der Besorgung alltäglicher Dinge und fahren dafür in den Supermarkt, die Apotheke, die Drogerie oder zur Post. Ein Anruf bei den Organisatoren Nina Stoffels, Lukas Wilzek oder Nils Euteneuer genügt.
Mit einer beigefügten Portion Wildblumensamen will die KG ihren Mitbürgern eine kleine Freude bereiten: Diese wurden eingeladen, die Blumensamen auszusäen, dass diese vielleicht schon bis Pfingsten in den Vorgärten erblühen. Außerdem werden die Bewohner, die eine Flagge von Höchstenbach haben, gebeten, diese auch am Kirmeswochenende zu hissen. „Auch wenn wir nicht gemeinsam feiern können, können wir mit den Flaggen zeigen, dass wir auch in dieser Corona-Zeit als Gemeinschaft zusammenhalten und uns nicht unterkriegen lassen. #fuereinanderda“.
Gute Stimmung verbreitet mit Sicherheit der Kirmeskurier mit seiner modernen Darstellung traditioneller Bräuche. In der ersten Ausgabe geht es um die herausfordernde Aufgabe, den richtigen Kirmesbaum zu schlagen und aus dem Wald zu holen. Das wichtige Gehölz wird mit geballter Manneskraft an jedem Kirmes-Samstag gestellt. Das klingt einfach, ist es aber ganz und gar nicht, wie die Do it yourself-Anleitung in zehn Schritten anschaulich zeigt:
„1. Geht im Wald auf die Suche nach dem richtigen Baum. Nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu dick, nicht krumm. Er muss die richtige Kirmesbaum-Ausstrahlung haben.
2. Einer von euch fällt mit der Kettensäge den Baum, nachdem ihr für circa 30 Minuten miteinander darüber diskutiert habt, ob er sich als Kirmesbaum eignet.
3. Bestaunt euren Baum und stoßt darauf an, dass ihr die ersten Schritte erfolgreich gemeistert habt.
4. Während sich die Mehrheit von euch weiter mit dem Biertrinken beschäftigt, beginnt einer, den Baum zu entasten.
5. Einer nimmt sich ein Schäleisen und befreit den Baum von der Rinde. Er wird dabei später von dem Entastenden unterstützt. Die anderen trinken.
6. Wiederholt Schritt 3.
7. Befestigt das untere Ende des Baumes an der Ackerschiene eures Traktors und zieht den Baum – ohne größeren Schaden anzurichten – aus dem Wald.
8. Versucht mit einem zweiten Traktor den Baum in der Spur zu halten.
9. Lagert den Baum an einer sicheren Stelle, an der er nicht von möglichen Übeltätern gesehen werden kann.
10. Wiederholt Schritt 3 so oft, wie ihr wollt.“
Zum besseren Verständnis sind die zehn Schritte zusätzlich mit Piktogrammen symbolisiert, sodass auch Kirmesbaum-Anfänger vollumfänglich aufgeklärt sind.
Da einen Baum zu fällen nicht damit zu vergleichen ist, einen Kirmesbaum zu fällen, befragt das KG-Reporterteam Carla Corona vier „Baumhol-Experten“. Das geschieht natürlich immer mit dem nötigen Abstand. „Aber wer einen Baum fällen kann, hat eh immer den nötigen Abstandsmesser in Form eines Zollstocks in der Tasche.“ Die Experten sind Bastian „Euti“ Euteneuer, der seit Jahren für die Vernunft und Bodenständigkeit in der Kirmesgesellschaft steht und somit der perfekte Mann ist, wenn es um die richtige Auswahl eines Kirmesbaumes geht. Er gibt den heißen Tipp: „Um die 20 Meter wären vernünftig, alleine schon um mit dem Kreuz die Laterne an der Halle nicht zu streifen“.
Karlheinz „Ribi“ Röhrig gibt als zweiter seine Expertise ab in Sachen „Transport“. Denn einen 20-Meter-Baum zu fällen ist die eine Sache; ihn in einem Stück ins Dorf zu bekommen, aber schon eine ganz andere. Simon, der dritte Experte, ist nicht nur Ribis ältester Sohn, sondern auch über Höchstenbachs Grenzen hinaus als Koryphäe auf dem Gebiet des „Kirmesbaum verstecken“ bekannt. Klar ist: Ein gutes Versteck zu finden, ist bei einem 20-Meter-Baum nicht leicht. Zudem muss der Baum auf jeden Fall grade liegen.
Der vierte Experte im Bereich „Ausrüstung“ braucht zum Fällen eines perfekten Kirmesbaums „Eine Horde Männer mittleren Alters, die absolut keine Ahnung, aber zu allem eine Meinung hat. Damit das auch richtig flutscht, sind einige „Stubbis“ immer eine gute Grundlage für Gespräche auf Augenhöhe. Ist das Zwischenmenschliche geklärt, sind möglichst viele Leute, die ganz dicht um den Baum herum stehen sehr wichtig. Gedankenverloren in die Baumwipfel schauen hilft sehr, wenn irgendwo ein „Baum fällt!!!“… Spätestens beim Transport zahlen sich die vielen gut gekleideten Helfer aus. Wie könnte man auch besser einen schweren Baum durch den Wald bewegen als in Jeans und den dünnsten Turnschuhen, die man Schrank finden konnte.“
Die zweite Ausgabe des Kirmes-Kuriers hat zum Thema „Kirmesausrufen – ein ganz besonderes Erlebnis“. Zwei Wochen vor Pfingsten begeben sich die Blaukittel mit Traktor und Wagen auf Tour, um der Region das bevorstehende Großereignis zu verkünden. Auch diese Tradition hat ihre Tücken. Vor allem das Singen des Schlachtrufs „Dass wir die Höchstenbacher sind...“ erweist sich im Lauf des Tages und Bieres als Zungenbrecher. Und die in diesem Jahr arbeitslosen Gastwirte können sich mit der digitalen Kirmes gar nicht anfreunden. Mehr unter www.kghoechstenbach.de.
Kirmesgefühle mit Blumen und Flaggen, entspannte Lektüre des Kirmes-Kuriers bei einem erfrischenden Getränk und die spannende Erkenntnis, mit welch vielköpfiger und intensiver Arbeit das „Baumholen“ jährlich abläuft, auch das ist eine Möglichkeit, gemeinsam und sorglos zu feiern. Verbunden mit der Hoffnung, dass die Kirmes bald wieder wie gewohnt stattfinden kann und vielleicht sogar im nächsten Jahr eine All-Star-Truppe beim Baumholen zusammen kommt... Der engagierten KG Höchstenbach und allen Kirmesbesuchern ist das sehr zu gönnen. htv
Kommentar von Helmi Tischler-Venter
Kuriere lesen lohnt sich offensichtlich. Wir wünschen den Höchstenbachern ein schönes Pfingstfest und stimmen deren Wünschen zu: „Bleibt bitte alle gesund und passt weiterhin gut auf euch auf, sodass wir hoffentlich bald wieder gemeinsam und sorglos feiern können! Hui Wäller?! Allemol!“
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