Klara trotzt Corona, XXXIII. Folge
GASTBEITRAG | Mit wöchentlich neuen Episoden möchten Ihnen die Autoren der Limburg-Krimis, Christiane Fuckert und Christoph Kloft, den Leserinnen und Lesern etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln schenken, wenn Sie sehen, wie die schrullige Haushälterin Klara Schrupp und ihr gutmütiger Chef Pfarrer van Kerkhof ihren Alltag bewältigen.
Kölbingen. 33. Folge vom 18. Juni
Es war ein arbeitsreicher Tag für van Kerkhof gewesen. Während er sich am Abend sichtbar erschöpft auf dem Sofa ausstreckte, saß Klara Nüsse knabbernd und redselig in ihrem neuen Fernsehsessel und musste ihren Chef wiederholt zu irgendwelchen Antworten und Reaktionen auffordern.
„Jetzt sagen Sie doch auch mal was dazu, Herr Pfarrer! Die erzählen da so interessante Sachen im Fernsehen. Wir müssen unsere T-Zellen stärken, dann kann das Corona viel milder verlaufen. Mit Vitaminen wie A und C, und das steckt in ...“
„Bitte lassen Sie mich mal ein wenig zur Ruhe kommen, Klara, ich kann mich nicht mehr konzentrieren und bin hundemüde.“ Van Kerkhof legte sich auf die andere Seite, das Gesicht von Klara abgewandt.
„So ein alter, langweiliger Mann“, meckerte sie, indem sie das Wohnzimmer verließ.
Obwohl Klara ihn nicht mehr hören konnte, seufzte van Kerkhof laut vor sich hin: „Ach, werte Klara, ich weiß ja, dass ich heute Abend nicht der beste Unterhalter bin, dafür habe ich heute aber auch alle Ihre Wünsche erfüllt.“ Er rieb sich den Nacken und anschließend die schmerzenden Knie.
Dass er daraufhin eingeschlafen sein musste, ging ihm auf, als er im Stockdunklen erwachte. Wie spät mochte es sein? Glücklicherweise fiel ihm sogleich ein, dass er sich nicht in seinem Bett befand, sonst hätte er sich auf der Suche nach seiner Nachttischlampe bestimmt die Hand an der Kante des Wohnzimmertisches gestoßen.
Langsam stand er auf und tastete sich vor bis zur Tür, um dort den Lichtschalter zu drücken. „Halb vier!“, stellte er verwundert fest. Somit hatte seine sonst so besorgte Haushälterin ihn einfach hier liegen gelassen, nicht ohne vorher die Rollläden wie auch die Tür zu schließen. Wie er Klara jedoch kannte, hatte sie zumindest versucht, ihn zu wecken, bevor sie selbst nach oben gegangen war. Er musste tief geschlafen, wahrscheinlich sogar geschnarcht haben, dass sie ihn so rigoros im Dunkeln zurückgelassen hatte.
Doch warum jetzt darüber nachdenken, sagte sich van Kerkhof, spätestens beim Frühstück würde sie ihm all seine Vergehen buchstäblich aufs Brot schmieren, und bis dahin wollte er droben in seinem Bett noch eine Runde schlafen.
Seltsamerweise erwähnte Klara am Küchentisch kein Wort vom gestrigen Abend. Sie blickte nur immer einmal wieder ratlos zu ihrem Chef hinüber und schüttelte kaum merklich den Kopf. Nachdem er ihr aus der Zeitung vorgelesen hatte, räumte sie schweigend den Tisch ab und zog einen Zettel aus ihrer Schürzentasche. Damit begab sie sich hinüber ins Büro, um sich dort mit quietschenden Geräuschen auf dem rollbaren Schreibtischstuhl niederzulassen und eine lange Nummer in die Tastatur des Telefons einzugeben, so energisch, dass van Kerkhof in der Küche jedes einzelne Tippgeräusch hören konnte. Es schien ein langes Telefonat zu sein, während dem Klara jedoch kein einziges Wort sprach. Äußerst seltsam, dachte van Kerkhof, was sie nur wieder im Schilde führte?
Etwas später kehrte sie mit einem langen Zettel zurück und sagte: „Gleich kommt unsere Mareike, sie hat heute keinen Unterricht und kann ein paar Dinge für uns einkaufen. Ich habe ihr gesagt, sie soll gleich hintenrum zur Terrasse gehen, dort bekommt sie meine Liste.“
Klaras Liste wurde diesmal ausnahmsweise nicht mit van Kerkhof durchgesprochen, was dem Pfarrer auch sehr recht war, denn er selbst hatte keine Wünsche und auch nicht das Bedürfnis, sich in den Speiseplan der Woche einzubringen. Lieber ließ er sich vom täglichen Küchenduft am Mittag überraschen, und seine Haushälterin war in seinen Augen nun mal eine ausgesprochen gute Köchin.
So ging er hinüber in sein Büro, um sich mit den notwendigen Telefonaten und Schreibarbeiten zu befassen. Er hörte die Schülerin kommen und wieder gehen, vernahm auch deren Rückkehr mit den Einkäufen und die gedämpfte Unterhaltung zwischen ihr und Klara draußen auf der Terrasse. Kurz darauf drangen gute Gerüche durch den Hausflur, und er freute sich auf den Mittagstisch, für den Klara sich heute offenbar besondere Mühe gab, was er wiederum seinen gestrigen fleißigen Außenarbeiten zuschrieb.
„Herr Pfarrer! Essen!“, schallte es schließlich durchs Haus. „Ich komme sofort!“, rief er gut gelaunt zurück und war schon auf dem Weg zur Küche. „Händewaschen nicht vergessen!“, wurde er aufgefordert, und er erledigte schmunzelnd auch das noch rasch in der kleinen Gästetoilette gegenüber.
Leider sah der gedeckte Tisch so gar nicht nach dem Geruch aus, der zu ihm vorgedrungen war. Sein Teller war bereits gefüllt mit ein paar Sträußchen Brokkoli und Blumenkohl, beides ohne Klaras schmackhafte weiße Mehlsoße, keine Kartoffeln, kein Fleisch, dafür ein paar bunte Teile, die er außer den zwei Karotten keinem ihm bekannten Gemüse zuordnen konnte. Der einzige Trost war, dass Klaras Teller das Gleiche enthielt.
„Ah ja, wir legen wohl einen Gesundheitstag ein?“, fragte er zerknirscht. „Eine Gesundheitswoche“, erfuhr er ohne weiteren Kommentar.
Nach dem Essen deutete Klara auf eine Warmhaltekanne. „Sehen Sie mal zu, dass Sie die heute noch leer trinken. Jede Stunde eine Tasse.“ „Was ist das?“ „Eine Teemischung, extra für Sie.“ „Bin ich denn krank?“, fragte van Kerkhof mit bemüht scherzhaftem Unterton.
„Das sollen Sie auf jeden Fall nicht werden. Sie sehen mir jedenfalls nicht gesund aus. Matt und erschöpft wirken Sie. Als Sie gestern vor sich hin geschnarcht haben, kam im Fernsehen eine Sendung, da haben die erzählt, wie man sich vor Corona schützt und dass man da eine Nummer anrufen kann, wo das alles noch mal wiederholt wird. Die hatte ich mir notiert und heute Morgen da angerufen. Einer muss sich ja hier kümmern, und das sind Sie schon mal nicht! Wichtig sind gesunde Nahrung und frische Luft und Bewegung und guter Schlaf.“
„Genau das hatte ich gestern, liebe Klara!“, entgegnete van Kerkhof leicht brüsk. „Wir hatten ein gutes Essen, dann habe ich das Vorbeet geharkt und den Rasen gemäht und auch noch unser Auto gewaschen. Ganz so, wie Sie es haben wollten. Und geschlafen habe ich auch wunderbar.“
„Aber schon um acht Uhr! Das ist kein gutes Zeichen, weil ...“
„Nach so viel Arbeit darf man aber schon einmal müde sein“, verteidigte sich van Kerkhof. Doch sein Argument fand kein Gehör. Klara schöpfte Luft und setzte ihre Rede unbeirrt fort: „Mareike hat jedenfalls alles besorgt, was wir brauchen. Ihren Obstteller für den Nachmittag bereite ich auch gleich schon vor. Und heute Abend gibt’s Haferschleim. Da sind alle B-Vitamine drin und ...“
„Moment!“, unterbrach van Kerkhof seine Haushälterin. „Ich trinke von mir aus den Tee, wo Sie den schon speziell für mich haben holen lassen, und das Obst esse ich auch noch, aber mein Leberwurstbrot heute Abend lasse ich mir ganz sicher nicht nehmen.“
Er goss sich Tee aus der Thermoskanne ein, trank seine Tasse leer und legte sich wie jeden Tag für ein Verdauungs-Nickerchen aufs Sofa. Bis Klara ihn aufweckte. „Es ist vier Uhr durch, und da sagen Sie, mit Ihnen wäre alles in Ordnung. So tief schläft nur ein Kranker. Bringen Sie mir nur nicht das Corona ins Haus! Bestimmt haben Sie vorgestern in Ihrer Sitzung keinen Abstand gehalten und sind den Leuten wieder ohne Rücksicht auf die Pelle gerückt. – Hier ist nochmal eine Tasse Tee. 'Tageswohl' heißt er und macht Sie ganz schnell munter. Und für einen guten Schlaf können Sie heute Abend die andere Sorte trinken: 'Nachtwohl'. Aber erst, wenn Sie oben sind, sonst haben wir denselben Zirkus wie gestern Abend.“
Klara meinte es gut, das bezweifelte van Kerkhof nicht, aber derart übertreiben musste sie nun doch nicht. Er trank seinen Tee zum Munterwerden und nahm sich des Weiteren vor, nicht allzu sehr auf das neue Gesundheitsprogramm einzugehen. Eine Stunde später lag er wieder auf dem Sofa und spürte, wie der Schlaf ihn übermannen wollte. „Klara“, rief er gähnend, „sind Sie sicher, dass hier auch wirklich alles stimmt mit Ihrem Wachhalte-Getränk?“
Er hörte seine Haushälterin in der Küche hantieren, und gleich darauf stand sie mit zwei Packungen in der Tür. „Was die sich nur dabei gedacht haben!“, schimpfte sie. „Wieso machen die die Schachtel für den Schlaftee rot und die für den Tag blau? So blau ist doch nur der Nachthimmel. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, tagsüber Tee mit so einer blauen Beschriftung zu trinken ... “ Während sie ihm den Rücken zukehrte, wurde ihre Stimme leiser: „Ach nein, doch nicht, die Schrift ist aber auch so winzig klein, wer soll das denn ohne Brille lesen können ...“
Aha, dachte an Kerkhof, mit all den bunten Gemüseanweisungen im Hinterkopf hatte seine fürsorgliche Klara in ihrer Euphorie die Packungen mit den Teesorten vertauscht. „Da haben die Hersteller bestimmt einen Fehler gemacht“, überspielte er gutmütig die peinliche Situation, „das soll aber nicht heißen, dass ich jetzt noch den anderen Tee, den zum Munterwerden trinke. Das lohnt sich nämlich heute nicht mehr.“ Wie vermutet erhielt er keine entschuldigenden Worte von Klara, dafür aber zum Abendessen eine besonders liebevoll hergerichtete Platte mit Leberwurstschnitten. (www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, XXXII. Folge
Klara trotzt Corona, XXXI. Folge
Klara trotzt Corona, XXX. Folge
Klara trotzt Corona, XXIX. Folge
Klara trotzt Corona, XXVIII. Folge
Klara trotzt Corona, XXVII. Folge
Klara trotzt Corona, XXVI. Folge
Klara trotzt Corona, XXV. Folge
Klara trotzt Corona, XXIV. Folge
Klara trotzt Corona, XXIII. Folge
Klara trotzt Corona, XXII. Folge
Klara trotzt Corona, XXI. Folge
Klara trotzt Corona, XX. Folge
Klara trotzt Corona, XIX. Folge
Klara trotzt Corona, XVIII. Folge
Klara trotzt Corona, XVII. Folge
Klara trotzt Corona, XVI. Folge
Klara trotzt Corona, XV. Folge
Klara trotzt Corona, XIV. Folge
Klara trotzt Corona, XIII. Folge
Klara trotzt Corona, XII. Folge
Klara trotzt Corona, XI. Folge
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
Mehr dazu:
Coronavirus
Lokales: Westerburg & Umgebung
Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Westerburg auf Facebook werden!