Werbung

Nachricht vom 24.06.2020    

Tagesstätten-Besucher finden in Dreifelden neue Bleibe

Für Dieter (Name geändert) muss alles an seinem Platz sein. Dieter leidet an Depression und einer Angststörung, und wenn Dinge in gewohnten Bahnen laufen, gibt ihm das Halt. Aber in Corona-Zeiten läuft kaum noch etwas in gewohnten Bahnen. Die Pandemie hat Dieter und die anderen 17 Klienten der Westerburger Tagesstätte für psychisch Kranke zu einem Ortswechsel gezwungen. In Westerburg war nicht genug Platz, um die Abstandsregeln einzuhalten. Nun treffen sie sich in der Evangelischen Freizeitstätte Dreifelden – wenn auch nur vorübergehend. Ein Schritt, der für die Menschen von einer Herausforderung zum Segen wurde.

Während der Coronakrise besuchten die Klienten der Westerburger Tagesklinik das Evangelische Freizeitheim Dreifelden – und hatten viele Gelegenheiten, die Natur ums Heim und um Dreifelden zu erkunden. Fotos: Peter Bongard

Dreifelden. Astrid Müller-Ax leitet die Gruppe und erinnert sich an die aufregende Zeit im Frühjahr. „Nachdem wir die Tagesstätte aufgrund der Corona-Regelungen vorübergehend schließen mussten, haben wir unsere Besucher telefonisch engmaschig betreut und einiges für ihren Alltag koordiniert. Uns war aber schnell klar, dass das nur eine Notlösung ist“, sagt die Leiterin. „Als die Tagesstätten Anfang Mai wieder den Betrieb aufnehmen durften, wollten auch wir wieder loslegen. Allerdings bekommen wir in unseren Westerburger Räumlichkeiten wegen der Abstandsregeln nur eine Handvoll Leute unter.“

Hilfe kommt vom Freundeskreis des evangelischen Jugendheimes Dreifelden. Der Verein bietet dem Team der Tagesstätte an, das Haus bis auf weiteres zu nutzen. „Unsere Leute wussten erst einmal nicht, was sie davon halten sollen, denn eine neue Umgebung bedeutet für Menschen mit einer psychischen Erkrankung auch eine gewisse Verunsicherung“, sagt Astrid Müller-Ax. „Doch sie haben uns als Team vertraut und gesagt, dass das schon die richtige Entscheidung ist“, sagt sie lächelnd.

Als die Gruppe Anfang Mai das neue Domizil bezieht, passen sie das Haus erst einmal ihren Bedürfnissen an: Speiseräume werden ausgemessen, Tische und Stühle gerückt. Sie kleben Abstandshalter auf den Boden; das Schlafzimmer ist das neue Büro der Koordinatoren, und im großen Gruppenraum findet nun die Ergotherapie statt. Claudia Schamuhn-Weik leitet sie – und freut sich über den geräumigen ersten Stock, in dem die Teilnehmer ganz entspannt zur Ruhe kommen können. Einer von ihnen ist Johannes: Konzentriert führt er Pastellkreide über naturweißes Papier, sodass nach und nach bunte Blumen entstehen. „Eigentlich kann ich gar nicht so gut malen“, sagt er und lächelt verschmitzt. Die farbintensiven Blütenmuster sagen etwas anderes, und Johannes scheint ganz bei sich zu sein, während er mit seinen Fingern die Farben verreibt. Auch die anderen Erwachsenen sind in ihre Tätigkeiten versunken: Eine Frau bastelt Traumfänger, eine andere häkelt, jemand malt einen Doppeldecker, ein anderer liest Zeitung. Alles wirkt gelassen. Der Ort, der vorher unbekannt war, ist ein sicherer.



Sicherheit heißt aber auch: Verlässlichkeit. Deshalb ist der Tag für die Klienten klar strukturiert. Morgens werden die Männer und Frauen von einem eigens organisierten Fahrdienst abgeholt; nach dem Frühstück gibt’s therapeutische Angebote, es ist Zeit für Gespräche mit den Sozialarbeitern und Pädagogen. Danach das Mittagessen, und bevor sie um 15 Uhr wieder nach Hause aufbrechen, stehen in Dreifelden Aktionen in der Natur an. Heute lädt Diplom-Sozialpädagogin Kata Pesti von der Kontakt- und Informationsstelle des Diakonischen Werkes in Montabaur zu einem „achtsamen Waldspaziergang“ ein. Die Gruppe bewegt sich langsam durch den Forst; bleibt immer wieder stehen; lauscht, riecht und fühlt. Es scheint, als blicken sie weg von sich und ihren Sorgen, hinein ins satte Grün des Dreifelder Waldes.

So schön es in der naturnahen Freizeitstätte auch ist. Sie ist keine Dauerlösung. „Anfang Juli beginnt dort wieder der laufende Betrieb, und wir müssen uns nach etwas Anderem umsehen“, sagt Astrid Müller-Ax. Aber Dreifelden ist trotzdem mehr als eine Zwischenlösung, sagt sie: „Ich finde es toll, wie die Tagesstättenbesucher diese neue, unbekannte Situation gemeistert haben. Davon profitieren sie sicher auch dann noch, wenn alles wieder etwas normaler ist.“ (bon)


Mehr dazu:   Coronavirus  
Lokales: Hachenburg & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
 

Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Kneipenfestival Montabaur 2025: Ein musikalisches Highlight

Das Kneipenfestival in Montabaur ist ein fester Bestandteil des regionalen Veranstaltungskalenders. Auch ...

Rasante Fahrt endet im Unfall zwischen Bonefeld und Straßenhaus: Polizei sucht Zeugen

Am 1. April kam es auf der B256 zwischen Bonefeld und Straßenhaus zu einer gefährlichen Verkehrssituation. ...

Ausstellung "Gemeinsam gegen Sexismus" endet mit Vortrag

Seit dem 8. März bietet das Rathaus Montabaur eine informative Ausstellung über das Thema Sexismus. Zum ...

Feuerwehr Rennerod ehrt langjährigen stellvertretenden Wehrleiter

Die diesjährige Dienstversammlung der Feuerwehren der Verbandsgemeinde Rennerod bot zahlreiche Höhepunkte. ...

Grube Bindweide bereitet sich auf Saisonstart vor

Die Grube Bindweide steht kurz vor dem Start der neuen Saison. Mit Hochdruck wird an den letzten Vorbereitungen ...

Neues Mannschaftstransportfahrzeug stärkt Jugendfeuerwehr in Rennerod

Die Jugendfeuerwehren der Verbandsgemeinde Rennerod haben ein neues Fahrzeug erhalten. Dieses soll nicht ...

Weitere Artikel


Neue Leiter der Bereiche Technik und Service bei der Vecoplan AG

Zwei Bereiche bei der Vecoplan AG stehen zukünftig unter neuer Führung: Seit Anfang Juni verantwortet ...

Abgesagt: Apache 207 in Hachenburg

Die „Hachenburger KulturZeit“ habe alles versucht und bis zum Schluss gehofft, aber leider vergeblich: ...

Corona und Verschwörungstheorien – Online-Vorträge der Universität in Koblenz

Die Universität Koblenz-Landau bietet eine Online-Veranstaltungsreihe rund um das aktuelle Thema Corona ...

Erste Präsenzsitzung des VG-Rats Montabaur in Corona-Zeiten

Der Verbandsgemeinderat (VGR) Montabaur ist zu seiner ersten Sitzung im Jahr 2020 zusammengekommen. Die ...

Platz für neue Möglichkeiten im Abenteuerland: Kita-Erweiterung abgeschlossen

Nach nicht einmal einem Jahr Bauzeit ist der 180 Quadratmeter große Erweiterungsbau der Kindertagesstätte ...

Fliegender Reifen verursachte Unfall mit zwei Verletzten

Auf der B 414 zwischen Bad Marienberg und Hof löste sich am Dienstag ein Reifen von einem Anhänger. Ein ...

Werbung