Nicole nörgelt… über blutige Übergriffe
GLOSSE | Es muss eine epische Schlacht gewesen sein. Zwei Krieger, die sich im Tau des neuen Morgens gegenüber stehen, Auge in Auge, die Muskeln bis in die letzte Faser angespannt, bereit, sich beim kleinsten Zucken auf den Gegner zu stürzen und die Krallen in dessen Fleisch zu schlagen. Ich habe den Kampflärm durch das offene Schlafzimmerfenster bis in meine friedlichen Träume gehört, aber als ich zum Kriegsschauplatz eilte, war der Kampf schon vorbei und meine kleine Kriegerin saß mauzend auf der Fußmatte vor der Terrassentür.
Dierdorf. Dabei weiß ich natürlich nicht, ob sich der morgendliche Katzenkrieg um ein erlegtes Mäuseopfer gedreht hat oder schlicht der Nachbarskater – ein großer, stattlicher Kerl mit nachtschwarzem Fell - es wagte, ins Revier meiner höchstens halb so großen Chefjägerin einzudringen. Das Ergebnis war jedenfalls niederschmetternd. Nun, zumindest sah es für mich so aus, als meine dreifarbige Glückskatze klein und völlig zerrupft auf der Matte saß. Ich habe jedenfalls lauter geschrien als die beiden Kampfkatzen zuvor und sogar ein gefluchtes „Boah, Ruhe!!“ aus irgendeinem ebenfalls offenstehenden Fenster in der Nachbarschaft geerntet.
Ich weiß immer noch nicht, wie ich in meiner Morgenmuffeligkeit so schnell sein konnte, meine Mieze zu erwischen, bevor sie sich verkrümeln und im Gebüsch nach Katzenart ihre Wunden lecken konnte. Aber haben Sie schon einmal versucht, eine Katze, die grade garstig ist, in einen Katzenkorb zu befördern? Mein Rat: Tun Sie es nicht, zumindest nicht ohne Kettenhemd und richtig dicke Arbeitshandschuhe. Haben Katzen nicht normalerweise nur vier Pfoten? Mein Exemplar hatte plötzlich mindestens zwölf und ich habe mindestens so laut gefaucht und gezetert wie sie, bis ich sie endlich in der Transportbox hatte.
Ich wusste vor lauter Aufregung gar nicht mehr, wo mir der Kopf stand, als ich im Schlafanzug in die erstbesten Schuhe sprang, meinen Autoschlüssel schnappte und ständig „Ist ja gut, Schätzlein, wir fahren jetzt zur Tante Doktor!“, vor mich hin babbelnd ins Auto sprang. Scheint gewirkt zu haben, denn Mietze war erstaunlich still und als ich schließlich vor dem Tresen der tierärztlichen Bereitschaftspraxis stand, wusste ich auch, warum. Ich hatte sie samt Transportbox in der Hektik einfach zuhause stehenlassen.
Ich weiß nicht, ob Sie sich das Gesicht der Tierarzthelferin vorstellen könnte, die mich in meinem Schlafanzug hinter dem Tresen heraus musterte. Ich habe mich jedenfalls kurz gefragt, ob ich falsch abgebogen und im Aquarium gelandet bin, so oft wie mein Gegenüber fischähnlich den Mund nach Luft schnappend auf und zu geklappt hat.
Irgendwann hatte ich dann wenigstens soweit meine Selbstbeherrschung zurück, dass ich wieder sprechen konnte. „Mein Catwoman-Kostüm ist in der Reinigung“, sagte ich, mich leise räuspernd und meine völlig verkratzten Unterarme vorzeigend. „Sie behandeln doch Kassenpatienten?“
Um es kurz zu machen: Nein, tun sie nicht. Ich habe es schließlich doch noch geschafft, meine kleine Kriegerin in die Praxis zu befördern, wo man mir glaubhaft versicherte, dass die wenigen Blutspuren in ihrem Fell nicht von ihr stammen, garniert mit einem vielsagenden Blick der Tierärztin auf meine zerkratzten Arme. Ja, schon gut, verstanden. Jedenfalls hatte meine Kampfkatze außer verletztem Stolz keine gravierenden Wunden davongetragen und so konnten wir beide wieder ins heimische Kriegsgebiet zurückkehren.
Kleine Bemerkung am Rande: Die Nachbarin hat mir Tags drauf erzählt, dass ihr großer, starker Kater sich die ganze Nacht nicht nach draußen getraut hat. Ich habe nur verständnisvoll genickt und meine Shirtärmel bis an die Fingerknöchel runtergezogen. Katzen. Man muss sie einfach liebhaben.
In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
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