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Nachricht vom 11.08.2020    

Die Kurfürsten in ihren Kutschen kannten keine Kreisel

Dieser Knotenpunkt in der Stadt hat sich schon oft gewandelt: Einst stand im Kreuzungsbereich Fürstenweg / Freiherr-vom-Stein-Straße / Albertstraße / Elgendorfer Straße eine Brücke aus Bruchstein; sie wurde in den 70er Jahren durch eine Unterführung ersetzt. Jetzt gibt es hier wieder eine Großbaustelle: Damit der Verkehr fließen kann, wird ein Kreisel gebaut. Zudem muss an die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer gedacht werden. Eine solche Welt hätten sich die Kurfürsten von einst nie träumen lassen, als sie in Kutschen auf diesen Wegen nach Montabaur fuhren.

So sieht der Kreuzungsbereich in diesen Tagen aus: Bagger, Erdhaufen und Absperrungen prägen das Bild. Die Arbeiten für den neuen Kreisel kommen gut voran. Foto: Verbandsgemeinde Montabaur

Montabaur. Drei der vier Straßen, die aufeinander zu laufen, erzählen ein Stück (Adels)Geschichte. Die Albertstraße erinnert an einen gleichnamigen Ritter, der im frühen 13. Jahrhundert bei Montabaur sein Leben ließ. Es gelang ihm nicht, seinen Herrn Dietrich II. zu verteidigen. Dieser, seines Zeichens Erzbischof von Trier, wollte offenbar seiner Grenzburg Humbach einen ersten Besuch abstatten und sich von seinen Untertanen huldigen lassen. Das missfiel dem damaligen Vogt, Graf Heinrich von Nassau. Er überfiel den Erzbischof auf dem Feld vor Humbach und setzte ihn gefangen – eine ungeheuerliche Tat gegenüber dem neuen Lehnsherrn. Nach dem tapferen Ritter Albert von dem Kirchhofe aus Koblenz wurde auch die Alberthöhe benannt.

Der Fürstenweg war eine Abkürzung, die hohem Besuch vorbehalten war: den Kurfürsten und Erzbischöfen von Trier, die bis 1802 Schloss- und Stadtherren von Montabaur waren. Die Hauptzufahrt in die Stadt aus Richtung Koblenz verlief über die Koblenzer Straße zum Peterstor und die Kirchstraße hinunter. Auf Höhe des Wassergrabens führte ein Abzweig über die Alberthöhe und die Hohe Straße direkt zum Schloss. Er ersparte den Kurfürsten die Fahrt durch die mit Mauern, Türmen und Toren befestigte Stadt und erhielt die Bezeichnung „Fürstenweg“.

Nach dem in Nassau an der Lahn geborenen preußischen Beamten und Reformer ist die Freiherr-vom-Stein-Straße benannt. Er besaß ein Wohnhaus in der Kirchstraße (damals Kirchgasse), in dem nach mehreren Besitzerwechseln 1882 Peter Jung ein Galanterie- und Spielwaren-Geschäft eröffnete, das bis 2013 bestand. Bis heute erzählt das imposante Fachwerkgebäude, wem es ursprünglich gehörte. Über dem Eingang und dem Familienwappen ist zu lesen: „Freiherrn von Stein war dieses Haus. Gott segne hier das Ein und Aus.“ Offenbar wurde der Freiherr an anderer Stelle mit einer Straße gewürdigt, weil es undenkbar war, die historische Kirchgasse umzutaufen.

An der aktuellen Baustelle fällt die Elgendorfer Straße aus dem „erlauchten Rahmen“ heraus. Aber auch in diesem Bereich wurde lokale Geschichte geschrieben. Hier lag die Ziegelei Müller, die bis 1968 in Betrieb war. Die gleichnamige Familie übernahm um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Lehmkaul und die Ziegelei. 1904 wurde ein neuer Ringofen mit einem markanten Schlot gebaut.

Im Lauf der Jahrhunderte hat sich der Kreuzungsbereich der Straßen mehrfach gewandelt – besonders offensichtlich in den 70er Jahren. Im Februar 1972 berichtete die Westerwälder Zeitung, dass Baudirektor Wagener vom Straßenbauamt Diez dem Montabaurer Stadtrat die Pläne für die Umgestaltung der Kreuzung Fürstenweg / Albert- und Elgendorfer Straße vorstellte. Wegen des zunehmenden Verkehrsaufkommens wurde schon lange um eine praktikable und wirtschaftlich tragbare Lösung gerungen. Die Kosten teilten sich letztlich die Stadt und der Kreis. Wagener schickte vorweg: „Um einwandfreie Verkehrsverhältnisse zu schaffen, muss für diesen Knotenpunkt das inmitten der Kreuzung stehende Bauwerk beseitigt werden.“ Gemeint war die „Neue Brücke“ an der Elgendorfer Straße, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet worden war. Der Name legt nahe, dass damals ein älterer Übergang weichen musste. Über die Brücke fuhren zunächst Kutschen und Fuhrwerke, später Autos und andere Kraftfahrzeuge. Die bogenförmige Durchfahrt unterhalb, also auf der Elgendorfer Straße, war recht schmal. LKW mussten dieses Nadelöhr seitlich umfahren.



Nun galt es also, diesen Bereich auszubauen, zumal in der Nähe seit 1960 Zug um Zug das Schulzentrum aufgebaut wurde und an die Sicherheit der Kinder gedacht werden musste. Erste Überlegungen gingen dahin, Fußgänger mit einer Ampelanlage von der Albertstraße in Richtung Fürstenweg und zu den nordwestlich gelegenen Schulen zu lotsen. Dagegen sprach jedoch die Steigung. Auf dieser Steilstrecke waren vor allem im Winter Rückstaus zu befürchten. Wie nun sollten diejenigen, die per pedes unterwegs waren, die Kreuzung queren: ober- oder unterirdisch? Die Verantwortlichen entschieden sich vor allem wegen der „unschön wirkenden Treppenaufgänge“ gegen eine Überführung. Stattdessen wurde eine Fußgänger-Unterführung gebaut. Anlieger und Schulbesucher wissen, dass sie sich keiner Beliebtheit erfreute. Statt hinabzusteigen und unter der Straße hindurchzulaufen, huschte man lieber schnell über den Asphalt. Das Bemühen um die Sicherheit trug in der Praxis kaum Früchte.

Fast 50 Jahre später dürfen die Passanten endlich legal über die Kreuzung: Die Unterführung ist Geschichte. Ihre Treppen wurden abgerissen, der Tunnel verfüllt. Und der neue Kreisel bekommt auf allen vier Straßen Fahrbahnteiler – als Überquerungshilfen für Fußgänger. (PM)


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